| # taz.de -- Nabu verliert vor Gericht: Windpark darf Seetaucher vor Sylt stören | |
| > Der Nabu unterliegt im Rechtsstreit über den Windpark Butendiek vor Sylt | |
| > schon wieder. Dabei liegt das Areal mitten im EU-Vogelschutzgebiet. | |
| Bild: Auch ein eleganter Flieger: Sterntaucher | |
| Mit seiner Klage gegen den Windpark Butendiek vor Sylt ist der | |
| Naturschutzbund (Nabu) jetzt zum zweiten Mal vor dem Oberverwaltungsgericht | |
| Münster gescheitert. Das Gericht konnte nicht erkennen, dass der Park den | |
| Stern- und Prachttauchern in dem Gebiet schadet. Daher sah es auch keinen | |
| Grund, dem Windparkbetreiber, wie vom Nabu gefordert, Ausgleichsmaßnahmen | |
| aufzuerlegen. Aus Sicht des Nabu offenbart das Urteil Klärungsbedarf im | |
| europäischen und deutschen Umweltrecht. | |
| Butendiek war vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) 2002 | |
| als erster kommerzieller deutscher Offshore-Windpark genehmigt worden. | |
| Initiiert von einer Gruppe von Nordfriesen stand er für den Traum, die | |
| Gewinne aus der Energiewende zu sozialisieren, also zu vergesellschaften. | |
| Es stellte sich jedoch heraus, dass das Projekt zu riskant und zu teuer | |
| war. [1][2011 kaufte die Bremer Entwicklungsgesellschaft WPD] den Park. | |
| Der Nabu hatte gleich nach der Genehmigung gegen den Windpark geklagt, weil | |
| dieser in einem ökologisch hochsensiblen Gebiet errichtet werden solle und | |
| Umweltschäden zu befürchten seien. 2005 wurde das Areal als | |
| EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Trotzdem handelte sich der Nabu in den | |
| folgenden Jahren eine juristische Niederlage nach der anderen ein. | |
| Beim Pingpong zwischen den Instanzen hatte [2][der Nabu zuletzt 2021 vor | |
| dem Oberverwaltungsgericht Münster verloren]. Zwei Jahre später revidierte | |
| das Bundesverwaltungsgericht dieses Urteil und verwies es an das | |
| Oberverwaltungsgericht zurück, das jetzt wieder zum selben Schluss kam wie | |
| vier Jahre zuvor. | |
| ## Vögel sollen ausweichen | |
| Im Einzelnen urteilte das Gericht, dass „zum jetzigen Zeitpunkt ein | |
| Umweltschaden nicht festgestellt werden kann“. Der Nabu habe vor allem | |
| moniert, dass das EU-Vogelschutzgebiet beeinträchtigt werde. „Dieses ist | |
| jedoch nicht der nach dem Umweltschadensgesetz maßgebliche | |
| Seetaucherlebensraum der gesamten Deutschen Nordsee“, stellten die Richter | |
| fest. | |
| Zwar sei der Windparkbetreiber zu einem großräumigen Monitoring der | |
| Vogelbestände verpflichtet worden. Dennoch sei zu wenig über die Ansprüche | |
| der Seetaucher an ihren Lebensraum bekannt, um eine Beeinträchtigung | |
| feststellen zu können. Im Übrigen könne der Windparkbetreiber schon deshalb | |
| nicht haften, weil er auf die behördlichen Genehmigungsbescheide habe | |
| vertrauen dürfen. | |
| Kim Cornelius Detloff vom Nabu schockiert die Auffassung des Gerichts: Dass | |
| der Verlust von knapp 10 Prozent eines Vogelschutzgebiets keinen | |
| Umweltschaden darstellen solle, sei schwer nachvollziehbar – zumal das auch | |
| das Bundesverwaltungsgericht schon anders gesehen habe. „Diese Vögel sind | |
| angewiesen auf den Jütlandstrom, der im Schutzgebiet liegt“, sagt Detloff. | |
| Dort gebe es für sie reichlich zu fressen. „Dass der Richter sagt, die | |
| Vögel können überall hin, hat uns erschüttert.“ | |
| Neuere Untersuchungen, auf die auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) | |
| hinweist, gehen davon aus, dass die Stern- und Prachttaucher den Windparks | |
| viel weiträumiger ausweichen, als zunächst angenommen: Den Raum in einem | |
| Radius von 5,5 Kilometern um die Windparks meiden die Vögel komplett. Zum | |
| Zeitpunkt der Genehmigung gingen die Behörden von 2 Kilometern aus. Im | |
| Umkreis von 10 Kilometern verringere sich die Zahl der Vögel durch den | |
| Windpark um 63 Prozent. | |
| Vor den Windparks weichen die Vögel auf Gebiete aus, wo sie weniger Nahrung | |
| finden. Noch zeige sich zwar kein Abwärtstrend in der Population, räumt | |
| Detloff ein. Das müsse aber nichts heißen. „Seetaucher sind langlebig“, | |
| sagt der Naturschützer. | |
| Auch das BfN räumt in seiner Ausnahmegenehmigung von 2021 ein, dass der | |
| Windpark „das Vogelschutzgebiet ‚Östliche Deutsche Bucht‘ erheblich | |
| beeinträchtigen kann“. Es hat sie deshalb mit Auflagen verbunden: weniger | |
| Störungen durch den Versorgungsverkehr, Monitoring und eine Erweiterung des | |
| Schutzgebiets. | |
| Den Windpark zu verbieten, komme nicht infrage, weil die Genehmigung „aus | |
| zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses“ erforderlich | |
| sei, nämlich „dem Beitrag des Windparks [3][zur Schaffung einer | |
| nachhaltigen Energieversorgung]“. Zumutbare Alternativen gebe es nicht. | |
| Das Oberverwaltungsgericht Münster hat eine weitere Revision nicht | |
| zugelassen, wogegen der Nabu allenfalls eine Nichtzulassungsbeschwerde | |
| erheben könnte. Damit ist der Rechtsweg praktisch ausgeschöpft. Dabei gälte | |
| es aus Sicht des Umweltverbandes, dringend drei europarechtliche Fragen zu | |
| klären, bei denen die deutsche Rechtsprechung uneinheitlich sei. | |
| Ist es ein Umweltschaden, wenn ein europäisches Naturschutzgebiet | |
| beeinträchtigt wird? Ist es zulässig, nach dem deutschen | |
| Umweltschadensgesetz zu urteilen, nur weil die entsprechende EU-Richtlinie | |
| noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist? Müsste eine | |
| Ausnahmegenehmigung für den Windpark im Vogelschutzgebiet nicht auf | |
| Verträglichkeit mit der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie | |
| (FFH-Richtlinie) geprüft werden? | |
| Der Nabu würde das gerne vom Europäische Gerichtshof klären lassen. Den | |
| kann aber nur ein deutsches Gericht anrufen. Danach sieht es nicht aus. | |
| 2 Dec 2025 | |
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| Gernot Knödler | |
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