| # taz.de -- Humanitärer Helfer über Krise in Sudan: „Das Leben hat keine Be… | |
| > Sudan erlebt derzeit die schlimmste humanitäre Krise der Welt, sagt der | |
| > Helfer Samy Guessabi. Die Politisierung von humanitärer Hilfe sei | |
| > gefährlich. | |
| Bild: Eine aus El Fasher vertriebene sudanesische Frau im neu errichteten Lager… | |
| taz: Herr Guessabi, die Milizgruppe RSF unter Mohamed Hamdan Daglo hat eine | |
| einseitige Waffenruhe ausgerufen. Sudans Militärschef Abdelfattah al-Burhan | |
| hat bisherige Angebote zum Waffenstillstand abgelehnt. Gibt es Hoffnung auf | |
| eine Atempause für die sudanesische Bevölkerung? | |
| Samy Guessabi: Sudan erlebt die schlimmste humanitäre Krise weltweit. In | |
| der Vergangenheit gingen die Kämpfe trotz der Gespräche über einen | |
| Waffenstillstand weiter. In El Fasher und Kadugli herrscht Hungersnot. | |
| Angesichts von über 30 Millionen Menschen, die Hilfe benötigen, hängt die | |
| Hoffnung davon ab, dass sich alle Parteien wirklich dazu verpflichten, die | |
| Gewalt zu beenden und humanitären Zugang zu gewähren. | |
| taz: Wie ist die Lage derzeit in [1][El Fasher, das kürzlich von der RSF | |
| eingenommen] wurde? Können Sie dort helfen? | |
| Guessabi: Nein, El Fasher können wir derzeit nicht betreten. Viele Menschen | |
| versuchen, in benachbarte Gebiete wie Tawila zu fliehen, obwohl sie dabei | |
| Gefahr laufen, angegriffen und getötet zu werden. Sie kommen völlig | |
| traumatisiert und unterernährt in Tawila an. Dort leisten wir Hilfe. | |
| [2][Die Gräueltaten in El Fasher] sind wirklich schrecklich und | |
| gleichzeitig symbolisch für das, was in Sudan geschieht. Als humanitäre | |
| Organisation versuchen wir, das Leid der Menschen zu lindern und humanitäre | |
| Hilfe zu leisten. Aber um diesen Krieg zu beenden, sind politische Lösungen | |
| erforderlich. | |
| taz: Die RSF werden von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Äthiopien | |
| unterstützt, die sudanesische Armee (SAF) von der Türkei, Iran, | |
| Saudi-Arabien, Russland und Ägypten? | |
| Guessabi: In diesem Konflikt stehen sicherlich viele Interessen auf dem | |
| Spiel, und viele Akteure beeinflussen das Geschehen in Sudan. Unser Auftrag | |
| ist es, humanitäre Hilfe zu leisten. Wir arbeiten mit allen Akteuren | |
| zusammen, um Menschen in Not zu helfen. Aber um den Konflikt zu beenden, | |
| sind politische Lösungen erforderlich. Wir fordern daher die internationale | |
| Gemeinschaft auf, diesen Konflikt nicht länger zu ignorieren und Maßnahmen | |
| zu ergreifen. | |
| taz: Auch die EU liefert Waffen an die großen Akteure wie die Emirate und | |
| Saudi-Arabien, hat Handelsbeziehungen zu den beteiligten Ländern. Sie | |
| äußert sich zu dem Konflikt in Sudan sehr zurückhaltend. | |
| Guessabi: Nicht nur die EU, sondern die gesamte internationale Gemeinschaft | |
| hat sich äußerst zurückhaltend gezeigt. Im Jahr 2023 sind wir in eine Ära | |
| eingetreten, in der internationale humanitäre Rechte keinen Stellenwert | |
| mehr haben. Verschiedene Mächte politisieren die humanitäre Hilfe und | |
| gefährden damit unsere Neutralität. | |
| taz: Was bedeutet die Politisierung der humanitären Hilfe? | |
| Guessabi: Als humanitäre Helfer betonen wir immer wieder, dass wir nicht | |
| als Verhandlungsmasse benutzt werden und die Folgen des fehlenden | |
| politischen Willens tragen dürfen. Unsere Arbeit basiert auf den | |
| humanitären Grundsätzen der Menschlichkeit, Unparteilichkeit, | |
| Unabhängigkeit und Neutralität. Das ist eine notwendige Grundlage, um | |
| überhaupt humanitäre Hilfe leisten zu können. Wir arbeiten mit | |
| nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen oder mit staatlichen oder | |
| De-facto-Behörden zusammen, um Menschen in Not zu erreichen. | |
| taz: Welche Unterstützung benötigen Sie für Ihre Arbeit? | |
| Guessabi: Die UN-Mitgliedstaaten tragen eine Verantwortung gegenüber Sudan. | |
| Sie sollten ihren Einfluss auf die Konfliktparteien und auch auf die | |
| anderen Staaten, die die Konfliktparteien unterstützen, geltend machen, | |
| damit humanitäre Organisationen den Menschen in Not helfen können. Das ist | |
| jedoch nicht der Fall, wir sind ständig mit Einmischungen, Verzögerungen, | |
| Behinderungen und Ablehnungen konfrontiert. All das kostet viel Zeit. Und | |
| Zeit kostet Menschenleben. Das Leben hat keine Bedeutung mehr. Das ist für | |
| uns extrem frustrierend. | |
| taz: Wie arbeiten Sie angesichts dieser Hindernisse? | |
| Guessabi: Wir arbeiten vor allem dort, wo wir Zugang zu den Menschen haben | |
| oder wo die Menschen die Möglichkeit haben, relativ sichere Orte zu | |
| erreichen. Wir koordinieren uns gemeinsam mit den UN-Organisationen, NGOs | |
| und nationalen Organisationen. Aber in einem großen Teil des Landes sind | |
| die Organisationen nicht in dem Maße präsent, wie es der Bedarf erfordern | |
| würde. | |
| taz: Es mangelt an politischer Unterstützung, humanitären Zugang zu | |
| gewähren. Verfügen Sie angesichts [3][der weltweiten Kürzungen] über | |
| genügend Geld? | |
| Guessabi: Wir sind stark unterfinanziert. Wir erhalten nur 25 Prozent der | |
| Mittel, die zur Unterstützung der Menschen in Not erforderlich sind. | |
| Infolgedessen werden lebensrettende Programme eingestellt, lokale | |
| Suppenküchen geschlossen und Millionen von Menschen verlieren ihre letzte | |
| Nahrungsquelle. Dabei wird der Bedarf im Jahr 2026 steigen, weil wir zuvor | |
| nicht alle Menschen erreichen konnten, die wir erreichen wollten. | |
| Humanitäre Hilfe hat für die europäischen Länder keine Priorität mehr. Die | |
| Staaten kürzen ihre Budgets, darunter auch Deutschland. Die langfristigen | |
| Ergebnisse humanitärer Hilfe entsprechen nicht den kurzfristigen | |
| Bedürfnissen der Politik in Europa. | |
| taz: Meinen Sie mit „wir“ Aktion gegen den Hunger oder die gesamte | |
| humanitäre Hilfe für Sudan? | |
| Guessabi: Die gesamte humanitäre Hilfe. Der ursprüngliche Plan sah vor, 24 | |
| Millionen Menschen von insgesamt 31,4 Millionen Bedürftigen zu versorgen. | |
| Dafür wurden 4,2 Milliarden US-Dollar benötigt. Angesichts der | |
| Finanzierungskrise, als die US-Finanzierung wegfiel, haben wir die Zahlen | |
| revidiert und stattdessen 18 Millionen Menschen als Zielgruppe festgelegt. | |
| Aber wir haben nur 25 Prozent davon erhalten, sodass wir nur 3,2 Millionen | |
| Menschen versorgen konnten. | |
| taz: Welche Bedürfnisse sehen Sie? | |
| Guessabi: Rund 14 Millionen sind auf der Flucht, sie sind | |
| Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, sie brauchen Schutz. 21 Millionen | |
| Menschen leiden Hunger. Viele haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Es | |
| gibt Krankheiten wie Cholera und Dengue-Fieber. Außerdem kommt es | |
| regelmäßig zu Überschwemmungen. All diese Dinge konzentrieren sich | |
| gleichzeitig an einem Ort – das habe ich ehrlich gesagt noch nie gesehen. | |
| Und ich habe in vielen Krisenregionen gearbeitet, in Zentralafrika, im | |
| Jemen, in Syrien, Libyen, Afghanistan, Kongo. | |
| taz: Warum erfährt Sudan so wenig Aufmerksamkeit? | |
| Guessabi: Ich denke, es gibt immer ein mangelndes Interesse an humanitären | |
| Krisen. Ausnahmen sind vielleicht die Ukraine und Gaza, die in den Medien | |
| und in der Öffentlichkeit viel präsenter sind als viele andere humanitäre | |
| Krisen. Insgesamt bleiben jedoch alle humanitären Maßnahmen | |
| unterfinanziert. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Investitionen in die | |
| Entwicklungskomponente ebenfalls sehr wichtig sind. | |
| taz: Sie meinen den langfristigen nachhaltigen Aufbau von Strukturen, etwa | |
| von Bildung oder Ernährungsversorgung? | |
| Guessabi: Wenn man nur ein Pflaster auf das Problem klebt, ohne zu | |
| versuchen, die Ursachen zu beseitigen und eine nachhaltige Lösung zu | |
| finden, werden die gleichen Probleme wieder auftauchen und man wird | |
| höchstwahrscheinlich zurückkommen und wieder das gleiche Pflaster kleben. | |
| Deshalb sind Investitionen in die langfristige Entwicklung von | |
| entscheidender Bedeutung. | |
| 25 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Leila van Rinsum | |
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