| # taz.de -- Neugründung der AfD-Jugend in Gießen: Weidels neue Scheitelarmee | |
| > Die AfD-Jugend will sich neu gründen, die Partei will mehr Kontrolle über | |
| > den Nachwuchs. Die neue Führung ist gut vernetzt in der extremen Rechten. | |
| Bild: Trägt auch mal Anzüge und Scheitel: Jean-Pascal Hohm, designierter Chef… | |
| Vor nicht einmal einem Jahr stand der designierte Chef der AfD-Jugend, | |
| Jean-Pascal Hohm, mit einem Megafon vor einer rechtsextremen Demo. Der | |
| heute 28-Jährige hat sie selbst angemeldet. An diesem kalten Abend zwischen | |
| den Jahren bestehen die beiden ersten Demo-Reihen überwiegend aus jungen, | |
| sportlich aussehenden Männern. Sie sind in Schwarz gekleidet, viele | |
| verstecken ihr Gesicht hinter Sturmmasken. Sie tragen zwei Banner: Auf | |
| einem steht „Abschieben“ und auf dem anderen – es ist von der mittlerweile | |
| aufgelösten Jungen Alternative – „Wehrt Euch Endlich“. Trotz der Kälte | |
| haben sich rund 400 Teilnehmer versammelt. Bei der Demo gibt vor, den | |
| Opfern des Anschlags von Magdeburg zu gedenken. | |
| Trauer bedeutet an diesem Abend in Cottbus: Dauertrommeln unter dem Motto | |
| „Es reicht“. Hohm wird hier von allen nur „Kalli“ genannt. Er läuft wie | |
| schon bei verschwörungsideologischen Coronaprotesten, die er reihenweise | |
| anmeldete, ganz vorn und gibt den Einpeitscher. Hohm ruft: „Wir zeigen | |
| jetzt denen da oben mal, wer das Volk ist!“ Dann schreit er aus voller | |
| Kehle: „Wir sind das Volk!“ – woraufhin Dutzende junge Männer die Parole | |
| immer wieder über Cottbus’ Straßen brüllen. | |
| Die Spitze des Zugs grölt ausgelassen die Nazi-Parole [1][„Deutschland den | |
| Deutschen, Ausländer raus“] zur Melodie des Kirmes-Techno-Hits von Gigi | |
| D’Agostino. Party-Rassismus auf den Rücken der Opfer einer Amokfahrt, und | |
| die Polizei schaut zu – ein vorbeigehender Passant fasst die Szenerie so | |
| zusammen: „Fick die AfD.“ | |
| Der „Kalli“ sitzt für die AfD im Brandenburger Landtag, hat sein Studium | |
| abgebrochen und kaum Berufserfahrung. Hohm ist fester Bestandteil der | |
| rechtsextremen Szene in Cottbus. Südbrandenburg [2][gilt als rechter | |
| Hotspot], wo Neonazi-, Rocker-, Ultra- und Hooligan-Szene sowie | |
| rechtsextreme Vereine mit bürgerlichem Anstrich wie „Zukunft Heimat“ des | |
| Brandenburger AfD-Vorsitzenden Christoph Berndt zusammenwirken. Sie | |
| versuchen – teils erfolgreich -, rechte Hegemonie herzustellen, [3][die | |
| immer wieder auch in Gewalt äußert]. | |
| ## Mit Weidels Segen | |
| Hohm hat es von Cottbus’ Straßen bei der letzten Brandenburg-Wahl 2024 als | |
| Abgeordneter in den Potsdamer Landtag geschafft. Und trotz guter Kontakte | |
| in die rechtsextreme Szene soll er am Samstag auch mit dem Segen der | |
| Parteispitze um Alice Weidel und Tino Chrupalla zum Chef der neuen | |
| AfD-Jugend gewählt werden, nachdem die Partei die alte Jugendorganisation | |
| Anfang des Jahres aufgelöst hatte. | |
| Die neue Organisation soll „Generation Deutschland“ heißen. Für eine | |
| Mitgliedschaft angemeldet haben sich bislang rund 1.700 Personen von | |
| insgesamt 6.000 Mitgliedern der AfD unter 35 Jahren. Zur | |
| Gründungsversammlung in Gießen werden bis zu 1.000 Nachwuchs-AfDler*innen | |
| erwartet – [4][und 50.000 Gegendemonstrant*innen] vom Bündnis | |
| „Widersetzen“, welche die Neuaufstellung blockieren wollen. | |
| Anlässe für die Neugründung der Parteijugend gibt es mehrere: Zum einen | |
| wollte die AfD die zuvor [5][gerichtsfest als gesichert rechtsextrem | |
| eingestufte Jugendorganisation Junge Alternative (JA)] vor einem Verbot | |
| schützen. Weil die JA als Verein organisiert war, griff das | |
| Parteienprivileg für sie nur eingeschränkt. Zum anderen wollte die | |
| Parteispitze besser durchgreifen können, wenn mal wieder JA-Mitglieder über | |
| die Stränge schlugen, also etwa [6][KI-generierte Abschiebesongs auf | |
| Wahlpartys grölten] oder sich in mutmaßlichen Rechtsterrorkomplexen | |
| organisierten, wie mehrere JA-Mitglieder bei den [7][Sächsischen | |
| Separatisten im Herbst 2024], die Waffen gehortet und ethnische Säuberungen | |
| geplant haben sollen und für ein Bild mit Höcke posten. | |
| Die neue Jugendorganisation soll untergeordneter Teil der Mutterpartei | |
| werden, wie bei den Jusos und der SPD. Dort kann nur Mitglied sein, wer | |
| auch in der Partei ist. Und so hätte man gegen Querulanten | |
| Ordnungsmaßnahmen in der Hand, wenn sie unabgesprochen aus der Reihe tanzen | |
| oder wie die JA mit allzu offenem Rassismus der Gesamtpartei weitere | |
| Verbotspunkte bescheren. Über die genaue Satzung, Namen und Logo (gehandelt | |
| werden auch [8][Adler in NS-Optik]) wird ab Samstag abgestimmt. | |
| Die Personalie Hohm macht dabei deutlich, wie wenig es der AfD um | |
| inhaltliche Mäßigung geht: Hohm ist [9][berüchtigt für Kontakte zu | |
| militanten Rechtsextremen], raunt gern und viel vom | |
| „Bevölkerungsaustausch“, forderte offen „millionenfache Remigration“ o… | |
| dass die Jugend sich in Gruppen zusammenschließen und Kampfsport üben | |
| solle. Er postete Musik von der Neonazi-Band Hassgesang und hat langjährige | |
| Kontakte zum Identitären-Umfeld. | |
| ## Besuch bei italienischen Neofaschisten | |
| 2018 besuchte er mit dem Regionalchef der Identitären Bewegung ein | |
| Auswärtsspiel in Potsdam-Babelsberg, bei dem [10][extrem rechte Fans von | |
| Energie Cottbus für einen Eklat sorgten]. Sie zeigten im [11][Gästeblock | |
| den Hitlergruß] und skandierten [12][rassistische sowie antisemitische | |
| Sprechchöre] wie „Arbeit macht frei – Babelsberg 03“. | |
| Wenig später machte Hohm ein Praktikum bei der extrem rechten | |
| Kampagnen-Plattform „Einprozent“ und besuchte 2018 Aktivisten der | |
| italienischen Neofaschisten von Casa Pound. Seine früheren rechtsextremen | |
| Eskapaden sowie zahlreiche Erwähnungen im Brandenburger | |
| Verfassungsschutzbericht kosteten Hohm damals noch zeitweise AfD-Jobs im | |
| Landtag. | |
| Wenig später wurde er allerdings vom heutigen Landesvorsitzenden René | |
| Springer wieder eingestellt und mittlerweile ist Hohm trotz oder gerade | |
| wegen seiner Aktivisten-Vita sogar Chef des Kreisverbands in Cottbus und | |
| selbst Abgeordneter. | |
| Glaubhaft distanziert hat Hohm sich bis heute nicht von extrem rechten | |
| Kreisen. Und wenn doch, dann klingt seine Distanzierung so wie kürzlich | |
| beim [13][Redaktionsnetzwerk Deutschland]. Dort betonte er inhaltliche | |
| Differenzen zu den italienischen Faschisten von Casa Pound, denn: „Der | |
| italienische Neofaschismus richtet sich in der Südtirol-Frage auch gegen | |
| Angehörige meines Volkes.“ | |
| ## Scharnier der „Mosaik-Rechten“ | |
| Allerdings gibt es auch eine andere Seite von Jean-Pascal Hohm und die | |
| sichert ihm wiederum den Rückhalt im Bundesvorstand: Er kann auch | |
| bürgerlich, trägt ordentliche Anzüge und neben dem strammen Scheitel auch | |
| ein Schwiegersohn-Lächeln zur Schau. | |
| Außerdem kann er mehr als drei Sätze geradeaus reden und wirkt dabei recht | |
| bodenständig – eben wie jemand, der Funktionär einer rechtsextremen Partei | |
| ist, aber dennoch ganz normal mit den Kumpels im Verein Fußball spielt. | |
| Rechtsextrem, aber normalisiert. Für die Partei soll er so zum Bindeglied | |
| zwischen aktivistischem Parteivorfeld, Jugendorganisation und Mutterpartei | |
| werden. | |
| Ins Bild passt, dass er als vernetzt gilt mit zentralen Schaltstellen | |
| innerhalb der Partei, etwa zum Netzwerk der professionellen | |
| Nachwuchsradikalen im Umfeld von Sebastian Münzenmaier, die nicht viel | |
| weniger radikal sind, allerdings disziplinierter auftreten und offene | |
| Grabenkämpfe und dadurch entstehende Schäden für die Partei unbedingt | |
| vermeiden wollen. | |
| Zum Schrecken radikalerer Parteikreise sagte Hohm in seiner neuen Rolle | |
| kürzlich, dass die AfD-Jugend „anschlussfähiger“ werden müsse. Sie solle | |
| weniger stumpfe Provokation und Aktivismus praktizieren, müsse dafür mehr | |
| Kaderschmiede sein. Die neue Jugendorganisation soll aus Sicht von Hohm | |
| professioneller und disziplinierter im Umgang mit Mutterpartei und Medien | |
| werden. Auf mehrere Anfragen der taz reagierte Hohm trotzdem nicht. | |
| ## Viel Kontinuität zur extrem rechten JA | |
| Wie professionell die Gründung tatsächlich ablaufen wird, ist offen. | |
| Immerhin aber gibt es für die neue Jugend eine auch unter Mitwirkung des | |
| Bundesvorstands zusammengestellte Liste mit einem guten Dutzend Namen für | |
| den neuen Vorstand der Jugend – ganz wie bei den verhassten „Altparteien“. | |
| Die meisten Namen sollen nach taz-Informationen abgestimmt sein – nur für | |
| die Plätze der zerstrittenen Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Bayern | |
| wird es wohl Kampfkandidaturen geben. | |
| Der Großteil der wahrscheinlichen Vorstandsmitglieder ähnelt Hohm: | |
| Hauptsächlich männliche JA-Kader mit extrem rechten Verbindungen, die | |
| Mitglieder extrem rechter Burschenschaften sind und einen engen Draht zu | |
| neurechten Kreisen haben. | |
| Angesichts der zur Schau gestellten Professionalität versuchte Hohm in den | |
| Wochen und Monaten vor der Gründung das radikale Parteivorfeld zu | |
| beschwichtigen und einzubinden. Tief blicken ließen dabei vor allem | |
| Auftritte in Szene-Podcasts. Dort versuchte er Sorgen ideologischer | |
| Hardliner wegzuwischen, die befürchten, aus der neuen AfD-Jugend würde ein | |
| „Schoßhund der Partei“. | |
| Hohm betonte, er mache sich keine Sorgen, dass rechte Aktivisten nicht in | |
| die Partei aufgenommen würden – jedenfalls „wenn man nicht gerade mit Name | |
| und Gesicht und vorherigen Mitgliedschaften bekannt ist“. | |
| ## „Volle Power rein da“ | |
| Im Podcast sagte Hohm: „Das, was die neue Jugendorganisation wird, hängt | |
| davon ab, wer sich da engagiert. Du kennst meine Arbeit in Cottbus“, sagte | |
| Hohm, „wenn man das Feld natürlich Leuten überlässt, die man in ihrer | |
| Weltanschauung oder Habitus nicht so gern hat, dann ist man am Ende selber | |
| Schuld.“ | |
| Hohms Gesprächspartner, der rechtsextreme Aktivist und Verleger Philipp | |
| Stein, ruft folgerichtig gleich mehrfach radikale JA-Mitglieder dazu auf, | |
| die Jugendorganisation zu unterwandern – auch wenn man dafür „teilweise das | |
| dreckige Spiel mitspielen“ und sich Parteihierarchien unterwerfen müsse. Er | |
| habe ansonsten die Befürchtung, dass sich die AfD liberalisiere, wie Stein | |
| sagt. Sein Plädoyer: „Volle Power rein da und versuchen, das Ding in die | |
| Hand zu kriegen.“ Eine Jugendorganisation müsse es schaffen, | |
| „grundsätzliche Leute ins Parlament zu kriegen – Leute wie dich“, so Ste… | |
| zu Hohm. Der antwortet: „Ich kann dem nur beipflichten.“ | |
| 28 Nov 2025 | |
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| [10] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/harte-strafen-fur-cottbuse… | |
| [11] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/chronik/antisemitische-parolen-im-r… | |
| [12] https://www.youtube.com/watch?v=muVoYSreu5Q | |
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| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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