| # taz.de -- Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen: Nur noch Alarmstufe Gelb | |
| > Hildesheimer Migrationsforscher haben Kommunen zur Belastung durch die | |
| > Aufnahme von Geflüchteten befragt. Die geben nur zaghaft Entwarnung. | |
| Bild: Werden seltener genutzt: Notunterkünfte wie hier in der Gemeinde Sumte v… | |
| In den vergangenen Jahren war es das Topthema unter Kommunalpolitikern: die | |
| Überlastung der Kommunen bei der Aufnahme, der Unterbringung und | |
| Integration von Geflüchteten. Nun sinken die Zahlen der Asylsuchenden und | |
| damit auch die Zuweisungen an die Kommunen. Entspannt sich dadurch auch die | |
| Lage in den Kommunen? | |
| Das versucht der Mediendienst Integration zusammen mit dem Hildesheimer | |
| Migrationsforscher Boris Kühn [1][in regelmäßigen Befragungen | |
| herauszufinden]. Die gute Nachricht ist: Nur noch 11 Prozent der rund 900 | |
| Kommunen in der gesamten Republik, die an der Befragung teilgenommen haben, | |
| sehen sich im „Notfallmodus“ oder stufen sich als total überlastet ein. | |
| Aber immer noch beschreiben mehr als 70 Prozent die Lage als | |
| „herausfordernd, aber noch machbar“. Nur rund 16 Prozent haben die | |
| Antwortmöglichkeit „ohne größere Schwierigkeiten“ angekreuzt. Das schlä… | |
| sich auch in der Art der Unterbringung nieder: Notunterkünfte und | |
| Sammelunterkünfte werden weniger genutzt, ein Großteil der Geflüchteten | |
| wird in eigenen Wohnungen untergebracht. | |
| Das stößt allerdings an Grenzen, wo der Wohnungsmarkt ohnehin schwierig | |
| ist: Von einer „Auszugskrise“ berichten vor allem Städte, in denen | |
| Geflüchtete in kommunalen Einrichtungen festsitzen, weil es unmöglich ist, | |
| bezahlbaren Wohnraum zu finden. Einige Gemeinden berichten auch von einer | |
| steigenden Obdachlosigkeit unter Geflüchteten, etwa infolge von | |
| Zwangsräumungen. | |
| ## Ausländerämter und andere Sektoren weiter überlastet | |
| Puffer oder zusätzliche Kapazitäten für eventuell wieder steigende | |
| Zuweisungszahlen vorzuhalten, gelingt deshalb nur wenigen Gemeinden. Das | |
| liegt auch an der Haushaltslage, weil die Kosten für derart vorgehaltenen | |
| Wohnraum nicht erstattet werden. | |
| Darüber hinaus verlagern sich die Belastungen in andere Sektoren. | |
| [2][Ausländerämter gehören zu den kommunalen Einrichtungen, die nach wie | |
| vor im Krisenmodus operieren] – vor allem in den großen Städten. Hier sehen | |
| sich 60 Prozent der Städte im Notfallmodus, 40 Prozent der mittelgroßen | |
| Städte und 30 Prozent der Landkreise. | |
| Das, sagt Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag, liege natürlich auch am | |
| hochkomplexen Ausländerrecht, das zurzeit ständigen Änderungen unterworfen | |
| sei – wobei kaum noch Zeit bleibt, die Veränderungen sorgsam in die Praxis | |
| zu überführen. Zusammen mit der Stimmungslage macht das den Arbeitsbereich | |
| für Verwaltungsmitarbeiter nicht unbedingt attraktiver. | |
| ## Was die Bezahlkarte bringt, bleibt umstritten | |
| Auch in den Bereichen Jobcenter, Kita und Schule ist die Lage nach wie vor | |
| nicht wirklich entspannt. Hier sind die Integrationsprozesse eben erheblich | |
| langwieriger als bei der bloßen Unterbringung. | |
| [3][Die Einführung der heiß umstrittenen Bezahlkarte] wird in den Kommunen | |
| sehr unterschiedlich bewertet. Das fängt schon mit dem Tempo der Einführung | |
| an: Flächendeckend wurde sie vor allem dort eingeführt, wo das Bundesland | |
| dies vorgeschrieben hat, beispielsweise in Niedersachsen und Bayern. In | |
| anderen Bundesländern, in denen die Kommunen selbst entscheiden dürfen, wie | |
| Nordrhein-Westfalen, sieht das anders aus. | |
| Auf die gesamte Republik bezogen haben vor allem die Landkreise die | |
| Einführung umgesetzt, während die kreisfreien Städte hinterherhinken oder | |
| verzichtet haben, schreiben die Forscher. | |
| Das liegt zum Teil aber sicherlich auch daran, dass mit der Einführung erst | |
| einmal ein Mehraufwand verbunden ist. Ob die Bezahlkarte hinterher | |
| Verwaltungsaufwand spart oder nicht, wird ebenfalls unterschiedlich | |
| bewertet. | |
| Kurioserweise gibt es zahlenmäßig genauso viele Kommunen, die sagen, ihr | |
| Verwaltungsaufwand habe sich stark oder ein wenig reduziert (11,4 | |
| beziehungsweise 32,9 Prozent) wie Kommunen, die sagen, ihr | |
| Verwaltungsaufwand habe sich stark oder ein wenig erhöht (10,8 und 31,8 | |
| Prozent). | |
| ## Je mehr Restriktionen, desto höher der Aufwand | |
| Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Beschränkungen unterschiedlich | |
| streng gehandhabt werden. Das reicht von unterschiedlichen Bargeld-Limits | |
| (zwischen 50 und 130 Euro) über die Möglichkeit, Überweisungen zu tätigen, | |
| bis hin zu regionalen Beschränkungen. Je mehr Restriktionen ein Land setzt, | |
| desto höher wird der Verwaltungsaufwand in den Kreisen, die diese umsetzen | |
| müssen. | |
| Einzelne Kommunen heben positiv hervor, dass die Karte im Falle des | |
| Untertauchens einer Person sofort gesperrt werden kann. Andere verweisen | |
| jedoch auf Probleme, da auf Flohmärkten, in Gebrauchtwarenmärkten und | |
| sozialen Kaufhäusern häufig keine Kartenzahlung möglich ist. | |
| Ob die Einführung der Bezahlkarte die Anzahl der freiwilligen Ausreisen | |
| erhöht hat, wie manche gehofft haben, haben die Forscher nicht abgefragt: | |
| Dazu lägen in der Regel ohnehin keine Daten vor, erklärten sie. | |
| 12 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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