| # taz.de -- Anhörung Wehrdienstgesetz im Bundestag: In alter Militarismustradi… | |
| > Militärhistoriker Neitzel nennt das Wehrpflichtgesetz „halbherzig“. | |
| > Generalleutnant Robert Sieger hält den Regierungsentwurf hingegen für | |
| > sinnvoll. | |
| Bild: Protestaktion gegen die Wehrpflicht von Greenpeace vor dem Bundestag in B… | |
| Sönke Neitzel setzte einen scharfen Ton in der Bundestagsanhörung zum | |
| Wehrdienst-Modernisierungsgesetz. Der Entwurf von Verteidigungsminister | |
| Boris Pistorius (SPD) sei zwar „zweifellos ein Schritt in die richtige | |
| Richtung, um die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen“, sagte der | |
| Militärhistoriker der Universität Potsdam am Montag im | |
| Verteidigungsausschuss. Zugleich sei er jedoch „ein weiterer Beleg für die | |
| Halbherzigkeiten der deutschen Sicherheitspolitik der letzten dreieinhalb | |
| Jahre“ und „ein weiteres Dokument des Zögerns und Zauderns“. | |
| Insgesamt sechs Sachverständige hatte der Verteidigungsausschuss | |
| eingeladen. André Wüstner vom Deutscher Bundeswehrverband war wie Neitzel | |
| auf Vorschlag der Union mit dabei. Offen schürte er die Angst vor einem | |
| bald bevorstehenden Krieg. „Was tun wir, auch in diesem Hause, wenn in zwei | |
| Jahren ein Krieg ausbricht und die Bundeswehr nicht kämpfen kann?“, fragte | |
| Neitzel. „Für einen raschen personellen Aufwuchs der Bundeswehr wäre die | |
| Einführung einer Auswahlwehrpflicht zwingend notwendig“, forderte er. | |
| In alter deutscher Militarismustradition redete Neitzel den | |
| Bundestagsabgeordneten ins Gewissen, die „Teil der Zeitenwende, nicht einer | |
| Zeitenbremse“ sein sollten. Falls es zu einer militärischen | |
| Auseinandersetzung der Nato mit Russlands kommen sollte, „wird man auf Sie | |
| schauen“, sagte er. „Man wird Sie fragen, was Sie getan haben.“ | |
| Auch Wüstner kritisierte, dass die Bundesregierung beim anvisierten | |
| Personalaufbau „auf das Prinzip Hoffnung mit Blick auf die freiwilligen | |
| Meldungen“ setze. Er forderte, bereits jetzt einen „Umschaltmechanismus“ … | |
| Gesetz zu verankern, falls sich nicht genug Freiwillige meldeten. | |
| ## Wehrgerechtigkeit in Friedenszeiten: wurscht | |
| Der von der AfD benannte ehemalige Generalleutnant Joachim Wundrak sprach | |
| sich dafür aus, die Wehrpflicht direkt wieder einzusetzen. Alle Männer ab | |
| dem Jahrgang 2008 sollten für einen dreimonatigen Grundwehrdienst | |
| eingezogen werden. Für alle, die den Kriegsdienst verweigern, könne man | |
| einen Ersatzdienst von „mindestens neun Monaten“ vorsehen. | |
| Neitzel und Wüstner sprachen sich hingegen für eine | |
| [1][„Auswahlwehrpflicht“] aus. „Wir können nicht zur alten Wehrpflicht | |
| zurückkehren“, sagte Neitzel. Denn so groß sei der Bedarf nicht. Dass eine | |
| solche Auswahl ein Problem mit der Wehrgerechtigkeit mit sich bringen | |
| würde, räumte er zwar ein, befand es aber als nicht besonders relevant. | |
| „Historisch betrachtet ist die Wehrpflicht im Frieden nie gerecht gewesen“, | |
| so Neitzel. „Sie war immer gerecht im Krieg, weil dann alle Männer, die | |
| irgendwie laufen können, in der Armee dienen mussten.“ | |
| Generalleutnant Robert Sieger, der Präsident des Bundesamts für das | |
| Personalmanagement der Bundeswehr, verteidigte hingegen erwartungsgemäß den | |
| vorliegenden Gesetzentwurf. Er ermögliche Bewerber:innen „schon ab | |
| einer Dienstzeit von sechs Monaten direkt als Soldatinnen und Soldaten auf | |
| Zeit eingestellt zu werden“, sagte Sieger, den die SPD als Sachverständigen | |
| vorgeschlagen hatte. Dies sei sinnstiftend und mache „den persönlichen | |
| Einsatz für den Schutz der eigenen Heimat greif- und erlebbar“. Zudem | |
| steigerten ein höherer Sold und ein Zuschuss zum Führerschein die | |
| Attraktivität des Dienstes. Alle Indikatoren wiesen darauf hin, „dass wir | |
| in keinem Fall am Ende der Freiwilligkeit stehen“, so Sieger. | |
| ## Verunsicherung bei jungen Menschen | |
| Und wie sehen das Ganze diejenigen, die es unmittelbar betrifft? Das hätte | |
| man gerne von Quentin Gärtner von der Bundesschülerkonferenz erfahren. Doch | |
| der blieb leider eine Antwort schuldig. Benannt von den Grünen, zog sich | |
| Gärtner darauf zurück, nur immer wieder eine stärkere „Jugendbeteiligung an | |
| diesem Prozess“ zu fordern – ohne jedoch irgendeine Position zu beziehen. | |
| „Wir haben uns weder zur Wehrpflicht positioniert noch zu allgemeinen | |
| Dienstpflichten“, sagte Gärtner. Aber klar sei, dass es sich bei dem Thema | |
| um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handele, die „in einer | |
| Verantwortungsgemeinschaft von Staat und eben auch der Generation, die es | |
| richten wird, gesehen werden muss“, sagte er in bestem Politikerdeutsch. | |
| Die von der Linkspartei benannte Vorsitzende des Deutschen | |
| Bundesjugendrings (DBJR), Daniela Broda, kritisierte, dass der | |
| Gesetzentwurf viele junge Menschen verunsichere. „Sie fühlen sich nicht | |
| einbezogen, unzureichend informiert und in ihren Zukunftsentscheidungen | |
| alleine gelassen“, sagte sie. Der DBJR lehne bereits die in dem | |
| Gesetzentwurf festgeschriebene verpflichtende Bereitschaftserklärung ab. | |
| Falls diese trotzdem eingeführt würde, müssten junge Menschen umfassend und | |
| ausgewogen über „sämtliche Formen des Engagements für Staat und | |
| Gesellschaft“ informiert werden – und zwar ausdrücklich auch über zivile | |
| und soziale Möglichkeiten, etwa in den Freiwilligendiensten, im | |
| Katastrophenschutz oder im Rettungswesen. Nur auf dieser Grundlage könne | |
| eine selbstbestimmte und informierte Entscheidung getroffen werden, so | |
| Broda. | |
| 10 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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