| # taz.de -- Ausstellung im Bode-Museum: Splatter im Münzkabinett | |
| > Ein gescheiterter Staatsstreich im Florenz der Renaissance wird im | |
| > Berliner Bode-Museum zum Thriller. „Die Pazzi-Verschwörung“ hat wenig | |
| > Raum für Hintergründe. | |
| Bild: Mit traurigem Blick: Botticellis Porträt von Giuliano de' Medici, 1478 | |
| Die Rache der Medici reicht nicht bis zur Museumsinsel. Die angeblich für | |
| die einst von den Florentiner Stadtherren zerschlagene Familie Pazzi | |
| geschaffene Madonna des Renaissance-Künstlers Donatello ist so etwas wie | |
| die Mona Lisa des Bode-Museums. Ein flaches Relief, Maria und Jesuskind in | |
| berührender Zweisamkeit, Nase an Nase, Speckhändchen an Kehle. | |
| Die Pazzi-Madonna hat mit den Pazzi zwar wohl wenig zu tun, sagen | |
| Kunsthistoriker*innen, nur hält sich der Name einfach seit Jahrzehnten. | |
| Vielleicht auch deshalb bleibt sie seltsam unbeteiligt, wenn ein Stockwerk | |
| höher ihren angeblichen Auftraggebern erneut der Prozess gemacht wird: Die | |
| Kabinett-Ausstellung „Die Pazzi-Verschwörung“ greift einen entscheidenden | |
| Moment der Stadtgeschichte von Florenz auf, der seine Spuren in der | |
| europäischen Politik wie in der Kunst der Renaissance hinterlassen hat. | |
| 1478 steht die Stadt nicht nur in ihrer Blüte, sondern auch bereits in | |
| dritter Generation unter dem Einfluss der Bankiersfamilie Medici. Lorenzo | |
| und sein Bruder Giuliano haben zwar keine offiziellen Rollen inne, aber | |
| dominieren alle Entscheidungen der Stadtrepublik durch Strohmänner und | |
| Protegés. Lorenzos Beiname „il Magnifico“, der Prächtige, rührt von sein… | |
| Förderungen der Künste her, Michelangelo und Sandro Botticelli erfinden mit | |
| seiner Unterstützung das, was heute als Renaissance bekannt ist. | |
| ## Machtentfaltung der Medici | |
| In Rom betrachtet Papst Sixtus IV. die Machtentfaltung der Medici und die | |
| Expansionsbestrebungen der Republik Florenz mit zunehmender Sorge. Als die | |
| konkurrierende Florentiner Bankiersfamilie Pazzi dem Papst entgegen | |
| Lorenzos Bitte Geld leiht, kommt es auch innenpolitisch zum Streit. | |
| Bald organisieren die Pazzi einen Staatsstreich – gemeinsam mit dem Papst, | |
| dem Erzbischof von Pisa, dem König von Neapel und vielen Nachbarrepubliken | |
| wollen sie die [1][Medici-Brüder] ermorden. Mit den Feiern zur Ernennung | |
| eines 18-jährigen Florentiner Papstneffen zum Kardinal gibt es auch einen | |
| Anlass, zu dem die beiden sicher anwesend sein werden. | |
| Am 26. April 1478 schlagen die Attentäter zu – an einem Sonntagmorgen, zur | |
| Messe im Dom. Francesco de’ Pazzi und sein Untergebener Bernardo Bandini | |
| haben den 25-jährigen Giuliano zuvor zu Hause abgeholt – nun stechen sie | |
| ihn nieder. Lorenzo, ein paar Meter weiter, ist deshalb schon gewarnt, als | |
| die Verschwörer auch ihn mit Dolchen und Schwertern bedrohen. Verletzt kann | |
| er sich in die Sakristei zurückziehen. | |
| ## Staatstreich der Pazzi misslingt | |
| Während Giuliano verblutet und Lorenzo sich versteckt, versuchen Komplizen | |
| der Mörder, die Stadtverwaltung unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch sie | |
| scheitern – auch, weil sich wider Erwarten die Bevölkerung auf die Seite | |
| der Medici schlägt. Kaum dass Pazzi-Bruder Jacopo die neue Freiheit | |
| verkündet, wird er aus der Stadt gejagt. | |
| Francesco de’ Pazzi und der Erzbischof von Pisa werden noch am Abend | |
| aufgeknüpft, 70 Menschen werden folgen. Zuletzt auch der mutmaßliche Mörder | |
| Giulianos: Bandini schaffte es zwar, ins Osmanische Reich zu fliehen, wird | |
| aber in Konstantinopel entdeckt. Am 29. Dezember 1479 hängt auch er von | |
| einem Florentiner Galgen. Eine Skizze Leonardo da Vincis hält den Moment | |
| bis heute fest. | |
| Die hat es leider nicht im Original ins Bode-Museum geschafft. Dem | |
| Münzkabinett angemessen, wird die Geschichte vor allem anhand | |
| zeitgenössischer Münzen und Medaillen erzählt. Im Mittelpunkt: eine | |
| Medaille des Donatello-Schülers Bertoldo di Giovanni von 1478, die die | |
| Geschehnisse im Dom fast comichaft verewigt – jede Seite ist einem der | |
| Brüder gewidmet und zeigt die entsprechende Szenenabfolge des Attentats. | |
| Fast rührend ist das aus der Gemäldegalerie entliehene Botticelli-Porträt | |
| Giulianos, dessen niedergeschlagener, trauriger Blick andeutet, dass das | |
| Bildnis bereits post mortem entstanden ist. Der als Gipsabguss gezeigte | |
| Unterkiefer des Medici zeigt deutlich die Schwere seiner tödlichen | |
| Verletzungen – ein Schwerthieb hat im Knochen seine Spuren hinterlassen. | |
| ## Ästhetik öffentlich-rechtlicher True-Crime-Serien | |
| Fast ein wenig sensationalistisch packen die Ausstellungsmacher in die | |
| benachbarte Vitrine einen oberitalienischen Dolch aus dem 15. Jahrhundert – | |
| nicht die Tatwaffe, aber so ungefähr. Dazu reichlich Blutspritzer, die | |
| Ästhetik öffentlich-rechtlicher True-Crime-Serien. | |
| Bei so viel Schaulust wäre durchaus auch der Verweis auf die popkulturellen | |
| Folgen des Attentats drin gewesen: Immerhin beschäftigt sich der zweite | |
| Teil der ikonischen Videospiel-Reihe „Assassin’s Creed“ mit der | |
| Pazzi-Verschwörung, und im Thriller „Hannibal“ um den ebenfalls ikonischen | |
| Mörder Hannibal Lecter, gespielt von Anthony Hopkins, kommt gar ein | |
| Nachkomme der Pazzi vor. | |
| So weit reicht der Blick hier nicht, selbst die konkreten politischen | |
| Folgen bleiben vage, etwa die Verwicklungen des Sultans. Stattdessen gibt | |
| es päpstliche Münzen, unter anderem vom Dreifachmörder und Bildhauer | |
| Benvenuto Cellini – vielleicht ja Stoff für einen weiteren | |
| True-Crime-Splatter aus dem Münzkabinett. | |
| 22 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Steffen Greiner | |
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