Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dschihadistische Terrorgruppe JNIM: Treibstoffblockade legt weiter …
> JNIM setzt gegen die Militärjunta in Mali auf ökonomische Kriegsführung.
> Die putschte sich einst mit dem Versprechen der Sicherheit an die Macht.
Bild: Warten auf Benzin: Seit einer Blockade der Tankwagenrouten leidet Bamako …
Kilometerlange Schlangen vor Tankstellen, geschlossene Schulen und
Universitäten und ein öffentlicher Transport, der fast vollständig zum
Erliegen gekommen ist: Seit Anfang September leidet Mali unter einer
Treibstoffblockade der [1][dschihadistischen Terrorgruppe JNIM (Jama'at
Nusrat al-Islam wa-l-Muslimin)].
Durch Angriffe auf Konvois von Tanklastwagen, die das Land aus Senegal,
Guinea, der Elfenbeinküste und Mauretanien heraus versorgen, hat die mit
Al-Qaida verbundene Terrorgruppe Malis Hauptstadt Bamako mittlerweile fast
vollständig lahmgelegt. Als es vergangenen Mittwoch mehrere Dutzend
Tanklastwagen durch die Blockade schafften und mit Boden- und Lufteskorte
in der Hauptstadt eintrafen, wurde das sogar im nationalen Fernsehen
berichtet.
Doch die Erleichterung währte nur kurz. Vor den Tankstellen blieben die
Schlangen weiterhin kilometerlang. Und es gab Gerüchte, dass einige der
Lastwagen leer angekommen waren.
Der Hintergrund der Blockade: Im Morgengrauen des 1. Julis hatte die
Terrorgruppe JNIM einen koordinierten Angriff auf sieben Ortschaften und
Städte entlang der Grenze zu Senegal verübt. Das erregte über Mali hinaus
Aufmerksamkeit, denn die Region war zuvor nicht im Zentrum
dschihadistischer Gewalt gewesen.
## Gegenangriffe und Lynchmorde
In den darauffolgenden Tagen kam es einerseits zu Gegenangriffen durch das
malische Militär – aber auch zu Lynchmorden an mutmaßlichen Kämpfern, die
von aufgebrachten Anwohnern getötet wurden. „Ob es sich bei den Opfern um
Zivilisten handelte, die zufällig in der Nähe waren, oder um versprengte
Mitglieder von JNIM, ist unklar. Fest steht, dass mehrere Personen
verfolgt, verhaftet, misshandelt und teils zu Tode gelyncht wurden“, sagt
[2][Heni Nsaibia vom Armed Conflict Location and Event Data Project
(ACLED)]. Die Organisation wertet weltweit Daten zu politischer Gewalt,
bewaffneten Konflikten und Protesten aus.
Als Reaktion darauf verhängte JNIM am 3. September eine Blockade über die
Städte Kayes und Nioro du Sahel, in denen sich die Vorfälle ereignet
hatten. „Die Blockade erwies sich als so effektiv, dass JNIM sie auf ganz
Süd- und Westmali ausgeweitet hat“, erklärt Sahel-Experte Nsaibia. Außerdem
führte die Gruppe koordinierte Angriffe in mehreren Regionen Malis durch –
einige davon nur rund 50 bis 60 Kilometer von der Hauptstadt Bamako
entfernt.
Seither liefere sich die Terrorgruppe ein Katz-und-Maus-Spiel mit [3][der
Militärjunta], sagt Nsaibia. Wochenlang behauptete das Regime, alles sei in
Ordnung. Und beschuldigte lieber Händler einer künstlichen Verknappung von
Reserven, kritisierte die Bevölkerung für Disziplinlosigkeit und
Aggressivität in den langen Schlangen vor den Tankstellen und appellierte
an die Solidarität.
Spätestens aber mit der Ankündigung von Bildungsminister Amadou Sy Savane
am vergangenen Montag, dass der Unterricht an allen Schulen und Hochschulen
für zwei Wochen ausgesetzt sei, da der Transport des Schulpersonals
beeinträchtigt sei, wurde deutlich: Die Regierung hat die Lage längst nicht
mehr unter Kontrolle. Inzwischen haben neben Deutschland und den USA mehr
als ein Dutzend weitere Botschaften ihren Staatsangehörigen geraten, das
Land zu verlassen.
## Dialog oder Krieg?
Bislang hatte sich die Regierung unter [4][Assimi Goita] geweigert, mit
Terroristen zu verhandeln. Angesichts der sich zuspitzenden Lage werden die
Forderungen nach Dialog jedoch immer lauter – vor allem von
Kommunalpolitikerinnen und -politikern in den besonders betroffenen
Regionen.
JNIM verfolge das Ziel, die Regierung zu destabilisieren, sagt Nsaibia. Die
Blockade sei Teil einer ökonomischen Kriegsführung, die bewusst das
Verhältnis zwischen Staat und Bevölkerung untergraben solle. Einen direkten
Großangriff auf Bamako hält er aber für unwahrscheinlich. Die Strategie der
Gruppe bestehe vielmehr darin, das Land langsam „ausbluten“ zu lassen – um
so die Militärjunta in Bamako von innen heraus zu schwächen.
Die Junta wiederum reagiert regelmäßig mit Meldungen, Putschversuche
vereitelt zu haben. Und sie geht hart gegen jegliche Form der Kritik vor.
Auf sozialen Medien prahlt JNIM derweil offen mit prall gefüllten
Treibstoffreserven – ein gezielter Affront angesichts der akuten Knappheit
in der Hauptstadt.
## Unsicherheit dominiert zunehmend den Alltag
Die Bevölkerung dagegen treibt die Situation zunehmend zur Verzweiflung.
Kein Benzin, steigende Preise, wachsende Armut, anhaltende Stromausfälle
und zunehmende Unsicherheit dominieren den Alltag. Das Regime in Bamako
hatte sich [5][im August 2020 mit dem Versprechen an die Macht geputscht],
die Sicherheitslage verbessern und das Land von der Einflussnahme des
Westens befreien zu wollen. [6][Der Rausschmiss der französischen Truppen],
Symbol der jahrzehntelangen internationalen Präsenz, galt als Triumph
dieser neuen Souveränität.
Seither befindet sich Mali unter Sanktionen. Die harten Maßnahmen der
internationalen Gemeinschaft, gepaart mit hohen Ausgaben im
Sicherheitsbereich und einer schlechten Verwaltung, haben die Staatskassen
geleert. Die Strategie der Dschihadisten, mit einer Treibstoffblockade die
eh schon angeschlagene Wirtschaft zu attackieren, ist daher umso
effektiver.
3 Nov 2025
## LINKS
[1] /Konflikt-zwischen-Regierung-und-Rebellen/!6094984
[2] https://acleddata.com/staff/heni-nsaibia
[3] /Verbot-politischer-Betaetigung-in-Mali/!6086742
[4] /Anfuehrer-der-Militaerjunta-in-Mali/!5708407
[5] /Verhaftungswelle-in-Mali/!6102934
[6] /Frankreichs-Militaereinsatz-in-Mali/!5847671
## AUTOREN
Helena Kreiensiek
## TAGS
Mali
JNIM
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Dschihadismus
Militärjunta
GNS
Internationaler Strafgerichtshof
Tuareg
Mali
## ARTIKEL ZUM THEMA
Internationaler Strafgerichtshof: Sahel-Putschisten kehren Weltjustiz den Rück…
Mali, Niger und Burkina Faso erklären den Austritt aus dem Internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag. Der hat bereits Prozesse zu Mali geführt.
Konflikt zwischen Regierung und Rebellen: Angriffsserie erschüttert Mali
Islamistische Rebellen setzen Malis Militär immer stärker unter Druck.
Soldaten verlassen Militärbasen und überlassen ihre Waffen dem Feind.
Russische Wagner-Gruppe in Mali: Verbrennungen, Isolation und Waterboarding
Die Methoden gleichen denen in der Ukraine: An mindestens sechs Standorten
des malischen Militärs haben Wagner-Söldner Zivilisten misshandelt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.