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# taz.de -- Bundeskanzler in der Türkei: Merz-Bube für Erdoğan
> Bundeskanzler Merz reist mit 20 Eurofightern nach Ankara und spricht über
> Migration. Erdoğans Kritik an der deutschen Israel-Politik lässt er
> abperlen.
Bild: Der türkische Präsident Tayyip Erdogan (r.) und der deutsche Bundeskanz…
Kein Weg führt vorbei an der Türkei, glaubt man Friedrich Merz. „Lassen Sie
uns das Potenzial unserer Beziehungen ausschöpfen. Da ist viel mehr drin,
als bislang realisiert wird.“ So euphorisch beschrieb der Bundeskanzler im
Anschluss an sein Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip
Erdoğan seine Absichten für eine neue Türkeipolitik. Auch gravierende
Meinungsunterschiede vor allem [1][gegenüber Israel] brachten Merz bei
seinem Antrittsbesuch in Ankara an diesem Donnerstag nicht von seinem Flirt
mit Erdoğan ab.
Schon zuvor hatte Merz angekündigt, dass er die lange Phase der
gegenseitigen Vorwürfe zwischen Deutschland und der Türkei beenden und zum
beiderseitigen Nutzen einen Neuanfang wagen will. Angefangen bei
gemeinsamen Anstrengungen zur Beendigung der Kriege in Gaza und in der
Ukraine bis hin zu einem neuen Anlauf, die Türkei wieder näher an die EU
heranzuführen. Erdoğan begrüßte diese Vorhaben ausdrücklich, konzentrierte
sich in seinem Statement aber vor allem auf die Situation in Gaza. Er
verurteilte erneut den „Völkermord“ Israels an den Palästinensern und
forderte Merz auf, die gemeinsamen Anstrengungen, jetzt endlich genügend
Hilfsmittel in den Gazastreifen zu bringen, zu verstärken. „Unser Roter
Halbmond wird immer noch daran gehindert“, sagte er.
Merz ging auf die Vorwürfe zunächst nicht ein, sondern betonte stattdessen,
er wolle sich auch für einen neuen strategischen Dialog zwischen der Türkei
und der EU stark machen und darauf drängen, dass die Türkei in die
europäischen Aufrüstungsbemühungen mit einbezogen werde. „Die jetzt
vereinbarten Lieferungen von 20 Eurofightern an die Türkei sind erst ein
Anfang. Ich gehe davon aus, dass diese Eurofighter für unsere gemeinsame
Sicherheit eingesetzt werden.“
Doch auch unter Merz ändern sich die grundsätzlichen Probleme zwischen der
Türkei, Deutschland und der EU nicht, was deutlich wurde, als Erdoğan in
der Fragerunde darauf angesprochen wurde, wann und wie denn sein Land die
Kopenhagener Kriterien einhalten würde, in denen unter anderem Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit festgeschrieben sind.
## Migration statt Rechtsstaat
Erdoğan antwortete darauf etwas patzig, die Türkei habe ihre eigenen
„Ankara-Kriterien“ und sehe sich selbstverständlich als vorbildliche
Demokratie und voll ausgebauter Rechtsstaat. Als er daraufhin von einem
Journalisten auf die [2][Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem
İmamoğlu] angesprochen wurde, sagte er: Die Gesetze seinen in der Türkei
für alle Menschen gleichermaßen gültig und die Justiz müsse natürlich
Korruptionsvorwürfen nachgehen.
Merz waren die Fragen nach Demokratie, Rechtsstaat und den Verhaftungen von
Oppositionspolitikern sichtlich unangenehm. Er ging nicht darauf ein und
machte deutlich, dass er andere Prioritäten hat. Er zeigte sich zufrieden
darüber, dass in den Migrationsfragen Fortschritte erzielt worden seien.
Die Zahl der Abschiebungen von zur Ausreise verpflichteter Türken habe
erheblich zugenommen und das werde in den kommenden Wochen und Monaten noch
gesteigert werden, versprach er.
Nur an einer Stelle kam es zu einem offenen Disput. Als Merz Fragen
türkischer Journalisten nach dem „Völkermord in Gaza“ routiniert abwehrte
und erneut beschrieb, dass Deutschland natürlich an der Seite Israels
stehe, meldete sich Erdoğan von sich aus, ohne gefragt worden zu sein, noch
einmal und sagte, er müsse dem Bundeskanzler an diesem Punkt widersprechen.
Angesichts von mehr als 60.000 Toten, darunter sehr vieler Kinder, könne
man nicht mehr von Selbstverteidigung Israels sprechen. „Seht ihr das in
Deutschland nicht?“, fragte er den Kanzler. Israel wolle die Palästinenser
züchtigen und verweigere der Bevölkerung sogar die Nahrung. Wenigstens
dagegen solle Deutschland mehr tun.
Am Ende zeigten sich trotz der Differenzen beide Seiten zufrieden. Am Abend
war Merz gemeinsam mit seiner Frau noch zu einem Abendessen bei Herrn und
Frau Erdoğan im Palast in Ankara eingeladen. Die Einladung an Charlotte
Merz, ihren Mann doch bei dem Besuch in Ankara zu begleiten, soll von Emine
Erdoğan ausgegangen sein. So viel familiäre Gemeinsamkeit gab es bislang
zwischen keiner Kanzlerin oder keinem Kanzler mit dem Präsidentenpaar in
Ankara.
30 Oct 2025
## LINKS
[1] /Erdoan-gegen-Israel/!6023888
[2] /Proteste-in-der-Tuerkei-halten-an/!6089572
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Migration
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