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# taz.de -- Hausbesetzung in Bremen: Leerstand gestalten
> Seit Samstag halten Aktivist*innen in der Bremer Neustadt ein Haus
> besetzt. Der Eigentümer ließ es lange Zeit leer stehen.
Bild: Stand lange leer, soll nun ein Kulturzentrum werden: besetztes Haus in de…
Hamburg taz | Seit Samstagmittag halten Aktivist*innen in der Bremer
Neustadt ein Haus besetzt. Fenster des weißen Mehrfamilienhauses in der
Kornstraße 155 sind mit Zeitungspapier abgeklebt, an der Fassade hängen
Banner: „Besetzt“, „Häuser denen, die sie brauchen“ und „Leerstand a…
Korn nehmen“.
In einer Mitteilung bekannten sich Aktivist*innen als Gruppe „Leerstand
Gestalten“ zur Aktion. „Wir sind seit 48 Stunden hier und noch dabei, uns
zu sortieren“, erzählten sie der taz am Montag am Telefon. Ihr Konzept sehe
vor, das Haus der Nachbarschaft und Menschen in der Stadt zugänglich zu
machen. Das Erdgeschoss könne ein öffentlicher Raum werden, der erste und
zweite Stock Wohnraum. In der Mitteilung ist von einem „Kultur- und
Jugendzentrum für die Nachbar*innenschaft“ die Rede.
Die Polizei teilte am Montagmorgen mit, Kontakt zum Eigentümer des Hauses
aufgenommen zu haben, der bisher aber nicht Anzeige erstattet habe. „Wir
sind da in der Warteschleife“, sagte ein Polizeisprecher zur taz.
Um eine Besetzung zu räumen, braucht die Polizei eigentlich eine Anzeige
des Eigentümers. Grundsätzlich sind Hausbesetzungen in Deutschland illegal.
Die Strafbarkeit für Besetzende kann entfallen, wenn der Eigentümer die
Besetzung stillschweigend duldet oder nicht innerhalb einer angemessenen
Frist [1][Anzeige] erstattet.
## Seit 20 Jahren Leerstand
Das Haus in der Kornstraße 155 stehe seit mehr als zwanzig Jahren
größtenteils leer, von temporären Zwischennutzungen abgesehen, sagen die
Besetzer*innen. Bis vor einigem Jahren befand sich ein Sparkassenbüro im
Erdgeschoss.
Vor 23 Jahren, im Oktober 2002, besetzten Aktivist*innen das Haus schon
einmal, „für ein Stündchen“, [2][wie die taz damals berichtete]. Dann
räumte die Polizei – allerdings ohne auf eine Anzeige des Hausbesitzers zu
warten, wie dieser der taz damals erzählte.
Der ist heute 87 Jahre alt und wohnt mit seiner Frau in Bremen. Ihr Mann
befinde sich derzeit in Gesprächen mit einem Anwalt, erzählt sie der taz am
Telefon. Über die Besetzung ist sie nicht gerade froh. „Wir wollen in Ruhe
leben und dann machen die solche Gemeinheiten“, sagt sie. Man müsse
verstehen, dass sich ihr Mann in seinem Alter nach dem Auszug der Sparkasse
nicht so schnell um das Haus habe kümmern können.
Dass es ein Problem ist, wenn Wohnungen leer stehen, das sei ihr bewusst.
Sie könne auch verstehen, dass die Aktivist*innen dagegen etwas machen
wollten, sagt sie. Doch ihr Haus sei das ganz falsche Ziel. „Ich hoffe
nur“, sagt sie, „dass die das Haus nicht kaputt machen“.
## Abhilfe beim Wohnungsmangel
Die Besetzer*innen der Kornstraße sehen ihre Aktion auch als Protest gegen
zunehmenden Wohnungsmangel in Bremen. Wie auch in vielen anderen Städten
steigen hier die Mieten und Wohnraum wird knapper. Ein WG-Zimmer zum
Beispiel kostete vor zehn Jahren durchschnittlich 325 Euro warm, heute sind
es 450 Euro. [3][Das hat das Lokalmagazin "buten un binnen" ausgerechnet].
Außerdem fehlt es an Wohnungen, viele Menschen haben zunehmend Probleme,
überhaupt eine Wohnung zu finden. Gleichzeitig waren im Jahr 2022 im Land
Bremen laut Zensus 13.655 Wohnungen nicht bewohnt. Über ein Drittel davon
stand seit mehr als einem Jahr leer. Insgesamt betrifft der Leerstand 3,7
Prozent der rund 360.000 Wohnungen im Stadtstaat. Das ist etwas weniger als
der Bundesdurchschnitt, der bei 4,3 Prozent liegt.
Um etwas gegen grundlosen Leerstand unternehmen zu können, hat Bremen seit
2021 ein Wohnraumschutzgesetz. Das soll genau solche Fälle verhindern wie
in der Kornstraße 155, wo seit Jahren niemand wohnt. Es sieht unter anderem
Zwangsgelder vor, die gegen Eigentümer*innen verhängt werden können, wenn
Gebäude „nicht ordnungsgemäß genutzt“ werden.
## Gesetz wird zu wenig angewandt
Allerdings gibt es schon länger Kritik daran, dass das Werkzeug im Gesetz
nicht ausreichend eingesetzt wird. Dafür gibt es Anhaltspunkte. Im April
ergab eine Antwort des Bremer Senats auf eine Anfrage der Grünen, dass
bisher 460 Fälle bearbeitet wurden, bei denen ein Verdacht auf Verstoß
gegen das Wohnraumgesetz bestand. Allerdings wurde in keinem Fall ein
Zwangsgeld verhängt, „da die jeweiligen Immobilien im Verfahren kurzfristig
einer zweckmäßigen Nutzung zugeführt oder verkauft wurden“, so der Senat.
Tatsächlich wird im Fall der jetzt besetzten Kornstraße erst seit einigen
Wochen geprüft, ob es sich um gesetzeswidrigen Leerstand handelt, sagt ein
Sprecher der zuständigen Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung
auf taz-Anfrage.
Derweil nehmen die Aktivist*innen das Problem mit dem Leerstand selbst in
die Hand. Vor der besetzten Kornstraße versammeln sich seit Samstag jeden
Tag Unterstützer*innen. Zu einer Vollversammlung am Sonntagabend kamen mehr
als hundert Menschen. Für Montagabend war die nächste angesetzt. „Für uns
ist wichtig, dass Leute wissen, dass das was ist, [4][was wir gemeinsam
machen möchten“,] sagen die Besetzer*innen.
20 Oct 2025
## LINKS
[1] https://www.juraforum.de/lexikon/anzeige
[2] /Hausbesetzer-vor-Gericht/!698355/
[3] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/mietpreise-bremen-entwicklung-104.…
[4] /35-Jahre-Hausbesetzung/!6100123
## AUTOREN
Amira Klute
## TAGS
Bremen
Hausbesetzung
Leerstand
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Wohnraummangel
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