| # taz.de -- Bundestagspräsidentin Julia Klöckner: Wen sie zur Ordnung ruft | |
| > Sie will zum CSD keine Regenbogenflagge hissen und vergleicht die taz mit | |
| > Nius – aber warnt vor Polarisierung. Ist das Widerspruch oder Strategie? | |
| Es ist Anfang Oktober, als ausgerechnet Julia Klöckner mehr Sachlichkeit in | |
| der Politik anmahnt. Sie soll an diesem regnerischen Mittwochabend bei der | |
| Konrad-Adenauer-Stiftung eine Keynote halten, der Titel: „Herausforderungen | |
| der Demokratie von innen und außen.“ | |
| Also steht Klöckner um kurz nach sechs mit dem Tablet in der Hand am | |
| Redepult, der Saal ist brechend voll, hinter ihr purzelt in grellen Farben | |
| der Schriftzug „Welt in Unordnung?!“ durcheinander, das Thema der Tagung. | |
| „Wenn in Debatten nur zählt, wer die Aufregungsdebatte am schnellsten | |
| hochtreibt, dann hat es die Demokratie schwer“, sagt Klöckner. „Wenn | |
| emotionale Bekenntnisse das sachliche Argument ersetzen, dann hat es die | |
| Meinungsfreiheit schwer.“ Wer wollte da widersprechen? | |
| Die Frage ist nur: Treibt Julia Klöckner die Aufregungsdebatte nicht selbst | |
| hoch? Heizen ihre strenge Art im Bundestag und ihre Einlassungen anderswo | |
| die Polarisierung innerhalb und außerhalb des Plenums nicht weiter an? | |
| Verstärkt Klöckner also nicht, was sie angibt, bekämpfen zu wollen? Und: | |
| Macht Klöckner das bewusst, hat sie also, wie manche meinen, eine rechte | |
| Agenda? | |
| ## Sie setzt auf Regeln, Strenge und das, was sie Neutralität nennt | |
| [1][Julia Klöckner], 52, ehemalige Landwirtschaftsministerin und | |
| Ex-Vizechefin der CDU, ist seit einem guten halben Jahr Präsidentin des | |
| Deutschen Bundestags. Es ist das zweithöchste Amt im Land, formal steht sie | |
| über dem Kanzler. Klöckner hat das Amt in einer herausfordernden Zeit | |
| übernommen. Weltweit steht die Demokratie unter Druck, in vielen Ländern | |
| greifen radikal rechte Parteien die Parlamente an, auch von innen heraus. | |
| Im Bundestag sitzen 151 [2][AfD-Politiker*innen], das ist fast ein Viertel | |
| der Abgeordneten. Es sind mehr als von der SPD und auch mehr als von Grünen | |
| und Linken zusammen. So groß wie jetzt war der blaue Block noch nie, so | |
| selbstbewusst und laut auch nicht. | |
| „Ich habe den festen Willen, die mir übertragene Aufgabe stets | |
| unparteiisch, unaufgeregt und auch unverzagt zu erfüllen – klar in der | |
| Sache, aber zugleich verbindend im Miteinander“, sagte Klöckner [3][in | |
| ihrer Antrittsrede Ende März]. Seitdem setzt sie auf Regeln und Strenge und | |
| das, was sie Neutralität nennt. „Neutralität heißt, dass jeder Abgeordnete | |
| als frei gewählter Abgeordnete die gleichen Rechte und Pflichten hat“, sagt | |
| sie bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Da müsse man den Wählerwillen schon | |
| akzeptieren. Aber kann man einen Abgeordneten der Partei, die vom | |
| Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden ist, mit den anderen | |
| gleichsetzen, nur weil auch er demokratisch gewählt worden ist? | |
| Klöckner greift durch, vor allem gegen die AfD, aber auch gegen die Linken. | |
| 23 Ordnungsrufe hat das Präsidium in der Legislaturperiode bisher verhängt, | |
| das sind deutlich mehr als zuvor. 20 davon gingen an die AfD, drei an die | |
| Linkspartei. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit bekam die AfD einen | |
| Ordnungsruf für den Begriff „Kartellparteien“. Eine Linken-Abgeordnete | |
| schmiss Klöckner aus dem Saal, weil sie ein T-Shirt mit der Aufschrift | |
| „Palastine“ trug. Gerügt hat Klöckner bereits Abgeordnete aus allen | |
| Fraktionen, heißt es im Bundestag. Nur aus der eigenen nicht. | |
| Sobald Abgeordnete ihre Redezeiten überziehen, fällt Klöckner ihnen ins | |
| Wort, meist zunächst mit einem entschiedenen „Danke“. Anstecker mit | |
| politischen Botschaften dürfen im Plenum grundsätzlich nicht getragen, | |
| Laptops mit politischen Aufklebern nicht genutzt werden. Auch ist | |
| untersagt, in öffentlich zugänglichen Gebäudeteilen des Bundestags | |
| politische Plakate oder Aufkleber zu platzieren, und wenn sie von außen | |
| durch die Fenster sichtbar sind, gilt das auch für die Büros der | |
| Abgeordneten. Das hat dazu geführt, dass die Bundestagspolizei zuletzt | |
| dafür sorgte, dass Regenbogenfahnen aus Abgeordnetenbüros verschwanden. In | |
| der AfD-Fraktion sollen sich manche damit brüsten, diese Einsätze durch | |
| Meldungen ausgelöst zu haben, eine offizielle Bestätigung gibt es dafür | |
| aber nicht. | |
| ## Klöckner polarisiert | |
| Für Aufregung sorgte Klöckner zudem [4][mit ihrer Entscheidung, am | |
| Christopher-Street-Day die Regenbogenfahne] auf dem Reichstag nicht zu | |
| hissen, und mit ihrem [5][Vergleich der taz mit dem rechten | |
| Propagandaportal Nius.] „Alle müssen neutral sein, nur Klöckner darf rechts | |
| sein“, schimpfte der ehemalige Wirtschaftsminister [6][Robert Habeck | |
| später]. Die linke Fraktionschefin Heidi Reichinnek legte Klöckner den | |
| Rückzug nahe. Beide sind der Ansicht, dass diese für ihren Posten nicht | |
| geeignet ist. | |
| Glaubt man Stimmen aus dem Bundestagspräsidium, aber läuft es dort trotz | |
| einiger Meinungsverschiedenheiten nicht schlecht. „Wir sind ein kollegiales | |
| Gremium, das über Parteienpolitik steht. Das ist eine schöne | |
| Zusammenarbeit“, sagt Andrea Lindholz, die Vizepräsidentin von der CSU. | |
| Gemeinsames Ziel sei es, Ordnung zu halten, aber nicht zu streng zu sein. | |
| Das sei manchmal gar nicht so leicht. Dass die CSU-Frau Klöckner nicht | |
| öffentlich kritisiert, ist wenig überraschend. Aber auch Bodo Ramelow, der | |
| Vizepräsident von den Linken, spricht über Klöckner nicht schlecht. „Julia | |
| ist eine gute und konstruktive Kollegin, die das Team zusammenhält“, sagt | |
| Ramelow, der Klöckner schon lange kennt. Er habe ein anders Bild von ihr, | |
| als das, was in der Öffentlichkeit von ihr gezeichnet werde. „Aber das hat | |
| sie natürlich mitgeprägt.“ | |
| In der Opposition hat Klöckner als wirtschaftspolitische Sprecherin den | |
| damaligen grünen Minister Robert Habeck fast pausenlos attackiert. Mal | |
| bezeichnete sie ihn als „Bundes-Schamanen“, mal warf sie ihm vor, deutsche | |
| Firmen gingen seinetwegen pleite oder ins Ausland. Sie kann scharf und | |
| populistisch sein, im Wahlkampf postete sie: „Für das, was ihr wollt, müsst | |
| ihr nicht die AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die | |
| CDU.“ Das hat sie später gelöscht. Auf Instagram hat Klöckner inzwischen | |
| zwei Kanäle, einen als Abgeordnete, einen als Präsidentin, beide werden | |
| munter bespielt. Auf dem ersten teilte sie auch einen Post, der einen | |
| Auftritt von Friedrich Merz im ZDF feierte. „Merz macht Dunja Hayali | |
| fertig“, hieß es da freudig zustimmend mit Blick auf einen Dialog zwischen | |
| Kanzler und Moderatorin. Nicht gerade das sachliche Argument, das Klöckner | |
| an anderer Stelle einfordert. | |
| ## Zu sehr „Vollblutpolitikerin“ für ihren Posten? | |
| Klöckner mag die Bühne, in bunten Outfits, gut frisiert und auf Highheels | |
| setzt sie sich gerne in Szene. Dass die Rheinland-Pfälzerin Volksnähe kann, | |
| das bescheinigen ihr selbst ihre Gegner*innen. Eins ist klar: So sichtbar | |
| wie jetzt war das zweithöchste Amt im Staat noch nie. | |
| Manche befürchten, Klöckner beschädige dieses so. In Zeiten, in denen die | |
| Demokratie unter Druck stehe, seien Klöckners Inszenierungen eine Gefahr. | |
| Andere argumentieren, dass man moderne Methoden brauche, um die | |
| Bürger*innen heute für Parlament und Politik zu gewinnen. Viele sind | |
| hin- und hergerissen. | |
| „Julia ist eine Vollblutpolitikerin“, sagt eine Christdemokratin, die | |
| Klöckner schon lange kennt. Das klingt nach Anerkennung. Aber eben auch | |
| nach der Frage, ob sie die richtige für den Posten der | |
| Bundestagspräsidentin ist. Sollte nicht das Amt im Vordergrund stehen? Bei | |
| Julia Klöcker geht es aber immer auch um sie selbst. | |
| ## Anstecker-Verbot im Plenum: Beim Gedenken an den Völkermord von | |
| Srebrenica ging es gründlich schief | |
| Die Regeln, die sie im Bundestag nun so konsequent durchsetzen lässt, sind | |
| nicht neu. Das Plakatverbot etwa brachte Wolfgang Schäuble, Christdemokrat | |
| wie sie, auf den Weg, nachdem die AfD in den Bundestag eingezogen war. | |
| Schäuble und die anderen Vorgänger*innen setzten dies ruhig und mit | |
| Augenmaß durch. Sticker wie die rote Schleife als Zeichen für die | |
| Solidarität mit HIV-Infizierten und Aidskranken ließ man ebenso durchgehen | |
| wie die gelbe nach dem Massaker der Hamas. Manchmal schickte man einen | |
| Saaldiener los, um einen Abgeordneten zu bitten, etwas zu entfernen. | |
| Manchmal winkte man deshalb einen der Parlamentarischen Geschäftsführer zu | |
| sich, damit dieser an die eigenen Abgeordneten appelliert. Die offene | |
| Ansage, das war die Ausnahme. Bis Klöckner kam. | |
| „Gut gemeint, aber nicht durchhaltbar“, sei ihr Versuch gewesen, alle | |
| Anstecker im Plenum zu verbieten, sagt Bodo Ramelow. Gründlich schief ging | |
| das bei der Aussprache zum Jahrestag des Völkermords von Srebrenica. Den | |
| Antrag, an diesem Tag das Tragen der weißen Blume zu erlauben, lehnte | |
| Klöckner ab. Die Blume ist das internationale Zeichen des Gedenkens an den | |
| Genozid. Selma Jahić, die als Kind dem Völkermord entkommen war und auf der | |
| Ehrentribüne der Debatte folgte, wurde von einem Mitarbeiter des Bundestags | |
| erst aufgefordert, die Blume abzunehmen, später durfte sie sie dann doch | |
| tragen. Ein Angriff auf ihre Gedenkkultur sei das gewesen, kritisierte | |
| Jahić später auf Bluesky. Auch zahlreiche Abgeordnete, darunter der | |
| SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetović, trugen die Blume und widersetzten sich | |
| damit Klöckners Anordnung. Währenddessen verharmloste der AfD-Abgeordnete | |
| Martin Sichert in seiner Rede den Genozid. | |
| Irene Mihalic ist Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im | |
| Bundestag, sie kennt sich mit den Regeln im Bundestag aus. Nach der Debatte | |
| um Srebrenica schrieb sie Klöckner einen Brief. „Wir haben Ihnen schon in | |
| einigen Zusammenhängen unsere Einschätzung mitgeteilt, dass kleinteilige | |
| Ansagen und Direktiven wie diese eher einen Kulturkampf triggern, als zu | |
| einer Konzentration auf die Debatte mit Rede und Gegenrede führen“, hieß es | |
| darin. Doch die Präsidentin lenkte nicht ein. | |
| ## Kritik an Merkels Migrationspolitik, Unterstützung für Merz von Anfang | |
| an | |
| Bevor Julia Klöckner Anfang Oktober in der Konrad-Adenauer-Stiftung auf die | |
| Bühne steigt, wird sie von Norbert Lammert eingeführt, dem | |
| Stiftungspräsidenten. Lammert war von 2005 bis 2017 Bundestagspräsident. | |
| Hört man sich im Parlament zu diesem Amt um, wird oft auf ihn verwiesen – | |
| als positives Gegenbeispiel zu Klöckner. Lammert habe gezeigt, wie man mit | |
| präzisen Worten und etwas Ironie den Bundestag souverän leiten könne. | |
| Regeln durchzusetzen sei „nicht immer gemütlich“, sagt Lammert und spricht | |
| Klöckner direkt an: „Dass deine erkennbare Entschlossenheit genau das zu | |
| tun, nicht nur von stürmischer Begeisterung begleitet wird, wird dich | |
| hoffentlich nicht entmutigen, sondern eher in dem Verdacht bestätigen, dass | |
| dies ein besonders sensibler Punkt sei, der deswegen besondere | |
| Aufmerksamkeit erfordert.“ Wie so oft bei Lammert, der Kritik an den | |
| eigenen Leuten nie scheute, könnte dies eine doppelbödige Aussage sein: | |
| eine Ermunterung für Klöckner am Ball zu bleiben, aber auch, sensibel damit | |
| umzugehen. | |
| Julia Klöckner ist als ehemalige Weinkönigin belächelt worden, dabei ist | |
| sie ein politischer Vollprofi. Auf einem Weingut in Rheinland-Pfalz | |
| aufgewachsen, studierte sie Politikwissenschaft, katholische Theologie und | |
| Pädagogik, arbeitete als Lehrerin und Journalistin. 2002 zog sie in den | |
| Bundestag ein, gemeinsam mit dem heutigen Fraktionschef Jens Spahn und | |
| CSU-Politiker Alexander Dobrindt, der nun Innenminister ist. Alle drei | |
| tickten wirtschaftsliberal und gesellschaftspolitisch konservativ. | |
| Zweimal hat Klöckner versucht, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz zu | |
| werden, und scheiterte. Beim zweiten Mal gab sie der Flüchtlingspolitik von | |
| [7][Angela Merkel] die Schuld, von der sie sich distanziert hatte. Sie | |
| schlug damals in Abgrenzung zu Merkel einen „Plan A2“ vor, ein Plan B | |
| schien ihr wohl zu gewagt. Trotzdem landete sie, gemeinsam mit Spahn, in | |
| Merkels letztem Kabinett, als Landwirtschaftsministerin. Aus dieser Zeit | |
| stammt das legendäre [8][Video mit Nestlés Deutschlandchef], in dem sie das | |
| umstrittene Unternehmen anpreist. | |
| Klöckner hat Friedrich Merz von Anfang an unterstützt, möglicherweise hat | |
| sie dieser Loyalität ihren Posten zu verdanken. Vielleicht auch dem | |
| Gedanken, dass man eine Ministerin aus dem altem Merkel-Kabinett im neuen | |
| nicht will. | |
| ## Die Sache mit der Regenbogenflagge | |
| Noch mehr als im Plenarsaal polarisiert Klöckner außerhalb. Kaum im Amt hat | |
| sie die Kirchen in einem Interview aufgefordert, sich mit | |
| [9][tagespolitischen Äußerungen zurückzuhalten]. Sie hat verhindert, dass | |
| es in der Maskenaffäre um den ehemaligen Gesundheitsminister Spahn schnelle | |
| Sondersitzungen der zuständigen Bundestagsausschüsse gab, wie es die Grünen | |
| beantragt hatten. Dann hat sie nicht nur untersagt, auf dem Bundestag am | |
| Christopher Street Day die Regenbohne zu hissen. Auch durfte das | |
| [10][queere Regenbogennetzwerk des Bundestags nicht an der Parade | |
| teilnehmen], dabei war es nach eigenen Angaben dessen Gründungsidee, den | |
| Bundestag als vielfältigen Arbeitgeber zu präsentieren. Weil dieser die | |
| Charta der Vielfalt unterschrieben hat, wollte das Netzwerk am | |
| Diversity-Tag Ende Mai einen Infostand in der Halle des Paul-Löbe-Hauses | |
| aufstellen. Auf den Antrag dafür, berichten Mitglieder, habe man von der | |
| Präsidentin keine Antwort bekommen. In der Häufung der Ereignisse fragt man | |
| sich schon, was genau dahinter steckt. | |
| Die radikale Rechte greift weltweit queere Politik und Frauenrechte an, sie | |
| nutzt dies ganz bewusst als Schanier in konservative, christdemokratische | |
| Parteien und deren Klientel hinein. Klöckner hätte die Flagge einfach | |
| hissen und das Thema vorbeiziehen lassen können, sagt eine | |
| Christdemokratin. Aber Klöckner hat es auf die Tagesordnung gesetzt. Und | |
| damit den Kulturkampf weiter befördert. | |
| Öffentlich betont sie gern, dass der Bundestag ja am internationalen Tag | |
| gegen Homophobie die Regenbogenfahne gehisst habe und argumentiert mit dem | |
| Flaggenerlass, der noch von SPD-Innenministerin Nancy Faeser stamme: „Nur | |
| einmal im Jahr wird die Regenbogenfahne gehisst.“ Eine konkrete Zahl aber | |
| steht nicht in diesem Erlass. Dort heißt es lediglich, dass sich das Hissen | |
| der Regenbogenflagge auf einen konkreten Termin beziehen müsse. Sonst hätte | |
| Bärbel Bas, Klöckners Vorgängerin, auch gegen Faesers Erlass verstoßen. Bas | |
| hisste zweimal im Jahr. | |
| ## Ein Besuch beim Nius-Financier, die Hufeisentheorie und der Vorwurf, die | |
| Polarisierung selbst voranzutreiben | |
| [11][Nachdem sie die taz mit Nius verglich], ließ Klöckner ihr | |
| Wahlkreisbüro dementieren, dass sie bei jenem CDU-Sommerfest in Koblenz | |
| einen „direkten Vergleich“ gezogen habe. So hat es der Branchendienst Kress | |
| recherchiert. Das Fest fand auf dem Firmengelände des Unternehmers Frank | |
| Gotthardt statt, der Nius mit finanziert und den Klöckner lange kennt. Sie | |
| hatte in ihrer Rede gesagt, das ist in einem Beitrag des SWR auch zu sehen, | |
| taz und Nius seien in den Methodik „nicht so sehr unähnlich“ – was man | |
| einen direkten Vergleich nennen kann. Klöckner ist früher schon damit | |
| aufgefallen, es nicht immer [12][so genau mit der Wahrheit zu nehmen.] | |
| Manche sagen, sie sei eben impulsiv, andere meinen, das habe Methode. Die | |
| taz hätte Julia Klöckner zu all dem gerne selber befragt, aber diese ließ | |
| eine Absage ausrichten. Keine Zeit, wochenlang. | |
| Klöckners Vergleich hat der taz viel Solidarität eingebracht, Omid | |
| Nouripour, ihr grüner Vize, kam sogar [13][extra zu einem | |
| Redaktionsbesuch]. Bodo Ramelow sagt, öffentlich kritisiere man sich nicht, | |
| aber intern tausche man sich schon aus. Über den taz-Nius-Vergleich etwa | |
| habe es eine Debatte untereinander gegeben. | |
| Klöckner spricht selten von Rechtsextremisten allein, obwohl diese laut | |
| Verfassungsschutz die größte Gefahr darstellen. Meist führt sie Extreme von | |
| rechts und links gleichermaßen an. „Die Extreme ernähren einander“, sagte | |
| sie jüngst der Zeit, häufig spricht sie von „den Rändern“. | |
| Anruf bei Thomas Biebricher, der Politikprofessor von der Uni Frankfurt | |
| forscht seit Langem zum Konservatismus und wie dieser in die Krise kam. | |
| „Julia Klöckner verkörpert die Hufeisentheorie, sie hat sie zu ihrem | |
| Markenzeichen gemacht“, sagt Biebricher. „Dadurch, dass sie gegen AfD und | |
| Linke gleichermaßen austeilt, wird die Union wie von selbst in der Mitte | |
| verortet, ohne dass diese sagt, wofür sie eigentlich steht. Das ist wichtig | |
| für die CDU, weil es die eigene Daseinsberechtigung erklärt.“ Problematisch | |
| sei das auch deshalb, weil die Union über kurz oder lang mit einer der | |
| beiden Parteien werde zusammenarbeiten müssen. Vielleicht schon im | |
| kommenden Jahr nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. | |
| Eine der schärfsten Kritiker*innen von Klöckner ist Ricarda Lang, die | |
| ehemalige Grünen-Chefin. Sie hat Klöckner in einem Podcast als | |
| „Polarisierungsunternehmerin“ bezeichnet. Klöckner führe „Empörungs- u… | |
| Symboldebatten“, um die realen Probleme vieler Menschen kümmere sie sich | |
| nicht. „Diese Symboldebatten spalten uns nicht nur innerhalb des | |
| demokratischen Systems, sondern durchaus auch als Gesellschaft.“ | |
| ## Feminismus-Kritik aber Frauenquote in der Union und Kinder im Plenarsaal | |
| Klöckner sieht nicht nur bei Linken rot, sondern auch, wenn sie über | |
| Feminismus spricht. An jenem Abend bei der Konrad-Adenauer-Stiftung sagt | |
| sie, die „großen Feministinnen und Menschenrechtler“ würden „kippen“ … | |
| „sofort anfangen zu relativieren“, wenn es um die Vergewaltigungen der | |
| Hamas vom 7. Oktober gehe. Pauschal, ohne Beispiel, das ihre Unterstellung | |
| belegt. Ähnliche Einlassungen gibt es von Klöckner zuhauf. | |
| Auf die ihr eigene Art setzt sich Klöckner aber für Frauen durchaus ein. | |
| Beim CDU-Parteitag vor drei Jahren in Hannover hat Klöckner die Debatte | |
| über die Einführung einer parteiinternen Frauenquote gedreht. Eine junge | |
| Frau nach der anderen war ans Redepult getreten und hatte argumentiert, | |
| dass es eine Quote nicht braucht. Die Stimmung im Saal war eher gegen die | |
| Einführung. Bis Klöckner ans Mikrofon schritt. „Merkt Ihr nicht, was hier | |
| läuft?“ rief sie in den Saal. Das „Schenkelklopfen“ der Männer über die | |
| jungen Frauen, die keine Quotenfrauen sein wollten, habe sie satt – und das | |
| Gegeneinanderausspielen von Frauen auch. Klöckner nahm den Saal mit und hat | |
| damit Merz, der sich zähneknirschend für die Einführung ausgesprochen | |
| hatte, vielleicht vor der ersten Niederlage als Parteichef bewahrt. | |
| Auch die grüne Hanna Steinmüller kann Klöckner einiges abgewinnen. | |
| Steinmüller ist die junge Bundestagsabgeordnete, die damit Furore machte, | |
| dass sie vor Kurzem im [14][Bundestag sprach, während ihr Baby vor ihrem | |
| Bauch schlief.] „Früher musste man einen guten Grund anführen, warum man | |
| kleine Kinder mit in den Plenarsaal nehmen will. Bei Klöckner geht das | |
| einfach. Das erleichtert den Alltag“, sagt Steinmüller. Auch habe Klöckner | |
| junge Eltern zu einem Austausch darüber eingeladen, was helfen könnte, um | |
| Elternschaft und Abgeordnetentätigkeit besser zu vereinbaren. „Das habe ich | |
| vorher nicht erlebt.“ Politisch, sagt Steinmüller, stehe sie völlig | |
| woanders als Klöckner und kritisiert, wenn diese linke und rechte | |
| politische Positionen gleichsetze. Wie Klöckner die Sitzungen leite und die | |
| AfD in ihre Schranken weise, aber findet Steinmüller gut. „Der Bundestag | |
| soll schließlich stilbildend für den Rest der Gesellschaft sein.“ | |
| Julia Klöckner ist als Bundestagspräsidentin seit Ende März im Amt. Sie | |
| wurde mit 62 Prozent der Stimmen gewählt, ein sehr schlechtes Ergebnis. | |
| Viele Abgeordnete waren skeptisch, ob die Parteipolitikerin, die scharf und | |
| polemisch gegen die Ampel vorging, die spaltete und polarisierte und | |
| Kulturkampf nicht scheute, den Sprung zur Parlamentspräsidentin überhaupt | |
| schaffen kann. Überparteilichkeit und Ausgleich, das waren bisher nicht | |
| Klöckners Stärken. Bislang ist ihr dieser Rollenwechsel nicht gelungen, | |
| zumindest nicht ausreichend. Ob das so bleibt? In ein Amt kann man | |
| hineinwachsen, einen Kurs kann man korrigieren. Allerdings muss man es | |
| dafür auch wollen. | |
| [Anm. d. Red.: In einer früheren Version des Textes hieß es, Julia Klöckner | |
| habe bei ihrer Wahl zur Bundestagspräsidentin mit 62 Prozent das | |
| schlechteste Ergebnis erhalten, das es in diesem Amt bislang gab. Das | |
| trifft nicht zu. Wolfgang Thierse von der SPD hat mit 59,9 Prozent 2002 ein | |
| schlechteres Ergebnis erzielt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.] | |
| 31 Oct 2025 | |
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