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# taz.de -- Dauerthema Bahn: Im Geisterzug nach Feierabend
> Alle reden vom Wetter? Nein, heute geht's doch meistens um die Bahn.
> Unser Kolumnist kann es trotzdem nicht lassen. Es war aber auch wirklich
> schlimm.
Bild: Auf dem Weg nach Nirgendwo: Regionalzüge der Deutschen Bahn
Schlimmer als regelmäßig mit der Bahn fahren zu müssen, ist eigentlich nur
noch das pausenlose Gespräch darüber. Man kennt’s: Der Zug ist endlich da,
man kommt sogar irgendwie noch rein und alles könnte sich entgegen aller
Wahrscheinlichkeit doch noch zum Guten wenden – und dann dauert es keine
drei Minuten, bis irgendwer losblökt von wegen „Deutsche Bahn dies –
Deutsche Bahn das“.
Sogar noch schlimmer ist es geworden, seit man sich nicht mal mehr drüber
streiten kann. Es gibt ja keine:n mehr, der oder die den Scheißladen
verteidigen würde. Vor ein paar Jahren lief einem wenigstens hin und wieder
noch so ein Gelegenheitsfahrer über den Weg, der ungefragt einwenden
konnte, dass doch alles nicht so schlimm sei, dass man sich mal entspannen
solle, dass es im Urlaub auf ein oder zwei Stunden nicht ankomme, dass
Meckern typisch deutsch sei und so weiter und so fort.
Es hätte mich ja eigentlich schon noch interessiert, wie solche Leute auf
die Idee kommen, ihnen stünde ein Urteil zu über das [1][alltägliche
Pendler:innen-Elend] da draußen. Aber wie gesagt: Es gibt sie ja gar nicht
mehr, diese soziopathisch-privilegierten Bahnfreund:innen – und wenn der
Irrsinn überhaupt weiter in Schutz genommen wird, dann ist das ganz sicher
als Witz gemeint.
Wahrscheinlich ahnen Sie schon, dass auf diese Vorrede eine Bahngeschichte
folgen wird. Und das tut mir auch wirklich leid. Es ist wie mit dem Wetter,
das man ja auch hin und wieder mal verlegen anspricht, obwohl man das
Klischee natürlich kennt. Außerdem ist die Geschichte auch wirklich sehr
gut und hat sogar eine Art Happy End. Ein vergiftetes.
## 40-minütige Bier-Zwangspause
Also: Es ist Montag spät abends und ich hetze von einer Sitzung an den
Bremer Hauptbahnhof, wo ich meinen [2][Zug aufs Dorf] um 25 Minuten
verspätet angeschlagen sehe. Da auch der Alternativzug der
nichtbundeseigenen NordWestBahn deutlich verspätet sein soll, muss es wohl
an höherer Gewalt liegen. „Stellwerksfehler“ ist das Wording in der
Durchsage, aber das muss ja nun auch wirklich nicht allzu viel heißen.
Am nächtlichen Bahnsteig steht neben rund 100 Erschöpften von der nahen
Kirmes eine kleine Gruppe Uniformierter beisammen. Augenscheinlich nach
Dienstschluss und lustigerweise alle von verschiedenen Verkehrsunternehmen:
DB, NWB, BSAG … Ich höre halb aufmerksam zu, wie sie darüber spekulieren,
ob heute überhaupt noch was fährt. „Mutig“, quittiert einer die Durchsage,
dass es in 40 Minuten weitergehe. Ich bin zu müde zum Ausrasten und hole
mir ein Bier vom Jahrmarkt.
Wieder oben am Bahnsteig sind wir inzwischen bei 50 Minuten angelangt und
auch den Fachkräften ist das Lachen vergangen. Doch dann passiert’s: Das
Wort „Stellwerkstörung“ ist noch nicht ganz verhallt, als am übernächsten
Bahnsteig ein leerer Zug einrollt. Einer der Uniformierten runzelt die
Stirn. „Ich glaub, das bin ich“, sagt er und rennt schlagartig los, vorbei
an den ganzen entnervten Spätschichtler:innen und
Freimarktsbesucher:innen. Angesagt wird nichts. Aber aus irgendeinem Grund
stelle ich das recht volle Bier auf den Boden und renne ihm hinterher.
## Kein Name, keine Nummer, keine Richtung
Auf dem unerwartet eingelaufenen Zug steht nichts drauf: kein Name, keine
Nummer, keine Richtung. Aber der mir vorauseilende Fachmann haut ans
Fenster der Lok und fragt. Es ist tatsächlich meine Richtung und seine
auch. Wir springen rein und rollen direkt wieder los. Nicht 25, 40 oder 50
Minuten zu spät – sondern exakt nach Plan. Nur eben vom falschen Gleis und
ohne Ansage.
Dafür aber mit so richtig viel Beinfreiheit – denn die hundert anderen
stehen ja noch nebenan und versuchen, sich nicht allzu sehr zu ärgern über
den Zugausfall.
2 Nov 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Jan-Paul Koopmann
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