# taz.de -- Iron Maiden Konzert in Bremen: Mit der Dorfbevölkerung ins Gedrän… | |
> Er war nie wirklich Fan von Iron Maiden, sagt unser Kolumnist. Für das | |
> Konzert der Metal-Band ist er dennoch in die Stadt gefahren. Er war nicht | |
> allein. | |
Bild: Der Schrecken des Metal: Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson bei der aktu… | |
Acht Wochen lang war ich nicht in der Stadt, acht Wochen lang habe ich sie | |
nicht sonderlich vermisst. Ich war krank und mit mir beschäftigt und hatte | |
vielleicht zum ersten Mal seit dem Umzug in den Speckgürtel so was wie ein | |
Gefühl von Einkehr. Oder jedenfalls doch überdurchschnittlich viel Ruhe von | |
sehr viel Mist da draußen. Das war gut, richtig und vernünftig – wurde | |
schließlich aber doch dermaßen langweilig, dass ich mir zur Feier der | |
Genesung ein Ticket für das Großkonzert von Iron Maiden gekauft habe: eine | |
Krawallveranstaltung, deren Kirmesfaktor auch dann schon durch die Decke | |
gegangen wäre, wenn nicht auch noch das halbe Dorf mit in die Stadt | |
gekommen wäre. | |
Lässt man sporadische Festivalbesuche beiseite, war ich noch nie auf einem | |
Konzert dieser Größenordnung. Überhaupt sind mir solche Menschenmassen | |
fremd. Ich gehe nicht zum Fußball, meide den Jahrmarkt und fühle mich auf | |
Demos spätestens ab vierstelliger Teilnehmer:innenzahl meist so | |
überflüssig, dass ich gar nicht erst hingehe. Selbst meine gelegentlichen | |
Reisen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sich am Ziel noch | |
weniger Menschen aufhalten als zu Hause. | |
Warum stehe ich jetzt also ausgerechnet bei Iron Maiden im Gedränge? | |
Zwischen 35.000 anderen Menschen? An seligen Jugenderinnerungen liegt es | |
jedenfalls nicht, auch wenn mir die historische Stückauswahl der „Run for | |
Your Lives World Tour“ (nur die ersten neun Alben, keine Songs nach 1992) | |
an diesem Abend durchaus entgegenkommt. | |
Ich war zwar nie wirklich Fan, kenne aber zumindest alle Lieder dieser | |
Best-of-Frühwerk-Veranstaltung und werde mich im Verlauf des Abends selbst | |
ein bisschen über meine Textsicherheit wundern. Vor allem sind zwei sehr | |
gute Freunde hier, und die anderen Menschen zwar zu viele, aber trotzdem | |
irgendwie auch alle ganz süß … [1][auf Metal-Art]. | |
Das abgesteckte Gelände auf der Bremer Bürgerweide platzt aus allen Nähten. | |
Selbst hinten ist es voll, wo Musikanten und Horrorfigürchen nur noch auf | |
den Monitoren zu erkennen sind. Wo weiter vorne irgendwann sogar der Weg | |
zur nächsten Theke beschwerlich wird, pflügen sich lustige Menschen mit | |
„Ghost Busters“-artigen Tanks auf dem Rücken wie lebende Zapfanlagen durch | |
die Menge. Sieben Euro kostet der Becher Bier. | |
Und wie gesagt: Das halbe Dorf ist auch hier. Schon am Bahnhof im | |
Speckgürtel waren auffällig viele schwarze, auffällig martialisch bedruckte | |
Shirts zu sehen. Manche dieser Menschen sehe ich mehrmals die Woche vor der | |
Schule, beim Einkaufen oder beim Sport, und nie im Leben käme ich auf die | |
Idee, sie mal auf einem Konzert zu treffen. | |
Dass Metal bis ins Mark verbürgerlicht ist, überrascht nun niemanden – | |
umgekehrt ist es aber schon ein eigenwilliges Schauspiel, der Vermetalung | |
der Bürger:innen beizuwohnen. Auf der Rückfahrt später ist dieser | |
lustige Augenblick längst hegemonial: Statt wie sonst von Bahn, | |
Schulausfällen und Werder handeln heute wirklich alle Gespräche im Abteil | |
von Maiden, Metal und der Show. | |
Dabei gäbe es darüber eigentlich auch nach dem Spektakel wenig Neues zu | |
berichten: Die Setlist war seit Wochen bekannt, Merchandiseauswahl und | |
-preise längst Thema in der Lokalpresse. Die dritte Zugabe endete auf die | |
Minute pünktlich wie im Guide zu An- und Abreise versprochen. Das alles ist | |
zugegebenermaßen sehr praktisch, auch wenn einen die komplette Abwesenheit | |
von Spontaneität doch ein bisschen wehmütig werden lässt. Ich könnte nicht | |
mal genau sagen, wonach – aber es wird schon sonderbar eng auf dem endlos | |
weiten Platz, wo alles durchgetaktet und viel zu teuer ist. Man könnte auch | |
sagen: ein ganz normaler Kurzurlaub. | |
17 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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