| # taz.de -- Linke Bürgermeisterkandidatin für Berlin: „Es braucht die Verge… | |
| > Eine soziale Mietenpolitik ist Bedingung für eine Regierung mit der | |
| > Linken, sagt Elif Eralp. Die Berliner:innen wollen einen Wechsel, | |
| > glaubt sie. | |
| Bild: Auf dem Weg nach oben? Elif Eralp, Bürgermeisterkandidatin der Linken | |
| taz: Frau [1][Eralp], überall ist die politische Rechte auf dem Vormarsch. | |
| Glauben Sie wirklich, dass Berlin eine Linke zur Bürgermeisterin wählen | |
| wird? | |
| Elif Eralp: Die Chance besteht! Viele in Berlin machen sich große Sorgen | |
| angesichts des Rechtsrucks. Und viele haben das Gefühl, dass diese Stadt | |
| zunehmend nur noch für die funktioniert und bezahlbar ist, die sich teure | |
| Eigentumswohnungen und Privatschulen leisten können und dass dieser Senat | |
| daran nichts ändert. Deswegen, glaube ich, gibt es ein Zeitfenster und die | |
| Chance dafür, dass Berlin Gegenmodell zu der unsozialen Politik und zum | |
| Rechtsruck wird. | |
| taz: Woran machen Sie eine Wechselstimmung fest? Größere Proteste gibt es | |
| nicht und die [2][CDU führt in allen Umfragen]. | |
| Eralp: Zum einen: Es ist das dringende Anliegen der Berlinerinnen und | |
| Berliner, dass die Mietenfrage angegangen wird. Das hat sich ja schon darin | |
| gezeigt, dass 60 Prozent der Vergesellschaftung von großen | |
| Wohnungsunternehmen zugestimmt haben. Zum andern: Viele Menschen haben | |
| nicht die Kraft und die Zeit, auf die Straße zu gehen. Sie haben einen | |
| harten Alltag, hetzen von Arbeit zu Kinderbetreuung und müssen dann abends | |
| vielleicht auch noch Papierkram erledigen. Deswegen wundert es mich nicht, | |
| dass die Wechselstimmung sich nicht jeden Tag auf der Straße zeigt. | |
| Drittens gibt es ja die [3][Antikürzungproteste]: Die sozialen Träger, die | |
| organisierten Beschäftigten, die Gewerkschaften sind jede Woche auf der | |
| Straße, weil sie total unzufrieden sind. Überall, wo ich hingehe, sagen die | |
| Leute: Diese unsoziale, ausgrenzende und polarisierende Politik muss | |
| endlich aufhören. | |
| taz: Was wären die drei wichtigsten Projekte, die Sie in einer Regierung | |
| angehen würden? | |
| Eralp: Ich würde als allererstes einen Mietendeckel für die landeseigenen | |
| Wohnungen einführen – den hatten wir ja früher, aber der jetzige Senat hat | |
| ihn gekippt. Dann würde ich sofort eine Taskforce im Roten Rathaus | |
| einsetzen, die sich um Mietwucher, um dreiste Vermieter, um illegale | |
| Vermietungspraktiken kümmert. Und wir wollen mit einem kommunalen | |
| Wohnungsbauprogramm mindestens 7.500 Sozialwohnungen jährlich bauen. | |
| taz: Sie konzentrieren sich monothematisch auf Mieten? | |
| Eralp: Es geht um das große Thema der sozialen Stadt. Dazu gehören nicht | |
| nur die Mieten, sondern auch ein funktionierender ÖPNV, Schulen, in denen | |
| nicht der Putz abblättert und Stunden wegen Personalmangels ausfallen, dazu | |
| gehören Klimaschutz, Teilhabe und das Ende von Ausgrenzung und | |
| Diskriminierung. | |
| taz: Ist es ein Nachteil, dass Sie bisher noch nicht so bekannt sind wie | |
| andere Kandidaten? Wie wollen Sie das ändern? | |
| Eralp: Ich muss jetzt zeigen, dass ich für die ganze Stadt da bin. Ich | |
| werde jetzt natürlich überall hingehen, in jede Platte, in alle Bezirke, | |
| mit den Leuten ins Gespräch kommen und mich bekannt machen. Aber das muss | |
| nicht unbedingt ein Nachteil sein – denn ich habe auch noch keine Menschen | |
| enttäuscht (lacht). | |
| taz: [4][Sie betonen], dass Sie in einer ganz normalen Wohnung wohnen, ihre | |
| Kinder auf eine normale Schule gehen. Ist das nicht eine | |
| Selbstverständlichkeit für Linke? Boshafte Zungen könnten das populistisch | |
| nennen. | |
| Eralp: Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit für alle Politiker | |
| und Politikerinnen sein, dass sie nicht abgehoben sind, sondern nah dran | |
| sind an den Leuten und ihren alltäglichen Problemen. Aber dieser Senat | |
| unter Kai Wegner scheint die sozialen Realitäten in unserer Stadt nicht zu | |
| kennen, denn die Politik, die er macht, ist gegen die Menschen. Ich glaube, | |
| die Menschen sehnen sich nach Politikerinnen und Politikern, die ihre | |
| Perspektiven vertreten – und ich glaube, dass ich das gut kann. | |
| taz: Haben Sie vor, Ihr Bürgermeister-Gehalt, das sind 212.000 Euro im | |
| Jahr, zu begrenzen? | |
| Eralp: Uns geht es darum, dass wir mit unseren Diäten soziale Initiativen | |
| unterstützen und dafür Geld zur Verfügung stellen. Das mache ich aktuell | |
| und werde es weiterhin tun. Ich habe einen Sozialfonds, aus dem ich Geld | |
| auszahlen kann über eine Sozialsprechstunde. Und wir haben unseren | |
| Fraktionsverein. Diesen Monat bin ich Patin beim Kinderkulturmonat, der ja | |
| leider auch von Kürzungen betroffen ist. Insofern finde ich das sehr | |
| wichtig, egal in welcher Funktion, dass wir alle unseren Beitrag leisten. | |
| taz: Als Linke, die an die Macht will, müssen Sie neue Wählerschichten | |
| erschließen. Aber wenn Sie nur den Grünen und der SPD Stimmen wegnehmen, | |
| hilft das ja nicht für eine mögliche Koalition. Wie wollen Sie CDU-, BSW- | |
| oder Nichtwähler für sich gewinnen? | |
| Eralp: Ich will, dass wir einen Fokus auf Nichtwähler legen. Das haben wir | |
| auch in den letzten Wahlkämpfen versucht. Wir sind gezielt dahin gegangen, | |
| wo die Wahlbeteiligung besonders niedrig war vor allem in große soziale | |
| Wohnraumsiedlungen, aber nicht nur. Dort haben wir an jeder Tür geklingelt. | |
| Wir haben nach den konkreten Sorgen der Menschen gefragt, uns damit | |
| auseinandergesetzt, dass der Fahrstuhl wieder nicht geht, uns zu hohe | |
| Heizkostenabrechnungen angesehen und dann auch Beratungs- und Hilfsangebote | |
| vermittelt. Das merken sich die Leute. | |
| taz: Repräsentieren Sie als Mitglied der Bewegungslinken nicht jenen Teil | |
| der Linken, der gar nicht unbedingt Regierungsverantwortung anstrebt? | |
| Eralp: Ich stehe für die Partei in ihrer Gänze und kann sowohl die | |
| bisherigen Mitglieder als auch die vielen, vielen Neumitglieder vertreten. | |
| Wie schon im Bundestagswahlkampf gilt für uns: Wir wollen nicht vor allem | |
| regieren, sondern wir wollen verändern. Wir werden dann ins Rote Rathaus | |
| oder den Senat gehen, wenn wir für die Menschen Verbesserungen erzielen | |
| können, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren sind. Das | |
| erwarten die Menschen auch von uns, weil sie sich reale Veränderungen | |
| erhoffen. | |
| taz: In einer Regierungskoalition werden Sie um Kompromisse nicht | |
| herumkommen. Gibt es für Sie No-gos? | |
| Eralp: Natürlich muss man immer Kompromisse eingehen, das ist klar. Aber | |
| zentral ist für uns die Mietenfrage. Das heißt, es braucht die | |
| Vergesellschaftung und es braucht weitere mietenpolitische Maßnahmen. | |
| taz: [5][Deutsche Wohnen und Co Enteignen] hat angekündigt, ein neues | |
| Volksbegehren zu starten. Was würden Sie also tun? Abwarten, bis es zum | |
| erneuten Volksentscheid kommt oder das Gesetz einfach umsetzen? | |
| Eralp: Erstens finde ich es richtig, dass sich die Initiative nicht auf die | |
| Politik verlässt. Man sieht ja, dass das nicht funktioniert hat: Das | |
| Vergesellschaftungsrahmengesetz von Schwarz-Rot ist ja nur | |
| Verzögerungstaktik. Aber zweitens ist es natürlich unsere Aufgabe als | |
| Linke, eigentlich aller demokratischen Parteien, diesen Volksentscheid | |
| umzusetzen – er gilt!! Das heißt, wir müssen selber ein Gesetz vorlegen, | |
| natürlich in Kooperation mit der Initiative und Mieter:innen und anderen | |
| Miet-Initiativen in dieser Stadt. | |
| taz: Wie groß ist Ihre Fantasie, dass SPD und Grüne da mitziehen? | |
| Eralp: Auch SPD und Grüne haben öffentlich bekundet, dass das Mietenthema | |
| ein zentrales Thema ist. Es wäre auch absurd, wenn jemand das anders sehen | |
| würde. Und beide Parteien haben Parteitagsbeschlüsse, die die Umsetzung des | |
| Volksentscheids vorgeben – also erwarte ich, dass SPD und Grüne ihre | |
| eigenen Beschlüsse ernst nehmen. | |
| taz: Ein [6][Großteil der bisherigen Linken-Abgeordneten wird dem nächsten | |
| Abgeordnetenhaus nicht mehr angehören]. Wie sehr ist das ein Nachteil, um | |
| für die Wähler:innen und die potentiellen Koalitionspartner als | |
| regierungsfähig zu gelten? | |
| Eralp: Da mache ich mir keine Sorgen, denn wir haben viel Erfahrung und | |
| Expertise in der Partei, mit den Abgeordneten, die bleiben, mit unseren | |
| Stadträten in den Bezirken, aber auch mit all jenen, die schon wichtige | |
| Funktionen ausgefüllt haben. | |
| taz: Wie soll die Stadt ihre Einnahmen erhöhen? | |
| Eralp: Wir prüfen derzeit eine Luxusvillensteuer. Wer sich für mehr als 4 | |
| Millionen Euro eine Wohnung oder ein Haus leisten kann, kann auch eine | |
| stärkere Verantwortung für die Stadt übernehmen. Eine Erhöhung der | |
| Grunderwerbssteuer auf Brandenburger Niveau würde jährlich etwa 70 | |
| Millionen Euro mehr einbringen. Auch sollte eine Steuer auf unbebauten | |
| Boden erhoben werden, um Spekulation zu verhindern. Und wir brauchen eine | |
| Erhöhung der Anwohner-Parkgebühren, die in Berlin so günstig sind wie | |
| nirgendwo sonst in Deutschland und derzeit nicht mal die Verwaltungskosten | |
| decken. | |
| taz: Was hat Sie politisiert? | |
| Eralp: Als Kind von Eltern, die vor meiner Geburt nach Deutschland | |
| geflüchtet sind, habe ich Zeit meines Lebens erfahren, was es heißt, wenn | |
| man hier nicht die gleichen Rechte hat. Wir mussten um das Asylverfahren | |
| kämpfen, wurden in einer Ein-Zimmer-Sozialwohnung mit Schimmel an der Decke | |
| untergebracht, hatten immer wieder auch Ärger mit Behörden. Neben diesen | |
| sozialen Fragen haben mich auch Fragen von Ausgrenzung und Rassismus stark | |
| beeinflusst. Während meiner Kindheit gab es die Anschläge von Mölln oder | |
| Solingen und in unseren Communities ging die Angst um, wer jetzt als | |
| nächstes dran ist. Schon zu Schulzeiten war für mich klar, dass ich | |
| Menschenrechtsanwältin werden möchte. | |
| taz: Erinnert Sie die Situation heute an die 1990er Jahre? | |
| Eralp: Ja, es gibt wieder diese „Das Boot ist voll“-Rhetorik und die | |
| Täter-Opfer-Umkehr, als wären die Menschen, die zu uns kommen, Schuld an | |
| der Rechtsentwicklung und an gewalttätigen Neonazis. Damals gab es dann den | |
| sogenannten Asylkompromiss, heute GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem | |
| – d.Red.) oder das Sicherheitspaket. Aber ich habe trotzdem Hoffnung: Die | |
| Proteste nach der Correctiv-Recherche oder nach der Zusammenarbeit der CDU | |
| mit der AfD waren die größten seit Jahrzehnten. | |
| taz: Eines ihrer bisherigen Fachgebiete war Flüchtlingspolitik. Die Linke | |
| hat immer gegen große Heime gewettert und für dezentrale Unterbringung von | |
| Flüchtlingen plädiert. Wie wollen Sie das umsetzen, wenn Sie regieren? | |
| Eralp: Aus unserer Sicht muss Tegel als größte, inhumanste und gleichzeitig | |
| teuerste Flüchtlingsunterkunft deutschlandweit geschlossen werden. Tegel | |
| ist weder gut für die Menschen noch für die Stadt. Um die Menschen in | |
| Wohnungen unterzubringen, haben wir viele Vorschläge vorgelegt. Es gibt | |
| tolle Projekte, wie etwa Wohnen statt MUF oder von Xenion, wo | |
| Genossenschaftsanteile erworben werden, damit Geflüchtete in Wohnungen | |
| ziehen können. Übergangsweise braucht es sicher Unterkünfte, aber mit | |
| guten, menschenrechtlichen Standards. | |
| taz: Tegel soll geschlossen und dann als Ankunftszentrum neu eröffnet | |
| werden; womöglich werden die Menschen dann dort wie in einem Gefängnis | |
| eingeschlossen. Wie hart wird das, wenn Sie als Linke bundesdeutsche und | |
| europäische Asylpolitik durchsetzen müssen? | |
| Eralp: Gerade als Juristin weiß ich, dass es wahnsinnig große | |
| Auslegungsspielräume gibt, auch wenn ich am liebsten das Aufenthaltsgesetz | |
| ändern und Möglichkeiten schaffen würde, damit Menschen hier leben und | |
| arbeiten können. Mein Anspruch aber ist, die Möglichkeiten, die es gibt, zu | |
| nutzen, keine Haftanstalten zu schaffen. Abschiebehaft, das ist etwas, was | |
| ich absolut unmenschlich und falsch finde. | |
| taz: Haben Sie politische Vorbilder? | |
| Eralp: Schon in meiner Jugend waren das Angela Davis und Rosa Luxemburg. | |
| 17 Oct 2025 | |
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