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# taz.de -- Bundestag beschließt Baugesetz: Turbo mit zweifelhafter Wirkung
> Mit dem Bau-Turbo sollen Planungsprozesse beschleunigt werden. Grüne und
> Linke befürchten, dass das die Bodenspekulation anheizen wird.
Bild: Soll bald noch mehr zu tun bekommen: Ein Bauarbeiter
Berlin taz | Eigentlich sind sich alle einig. Es braucht mehr Wohnungen,
die für die breite Masse bezahlbar sind. Allein in Westdeutschland fehlen
nach [1][einer neueren Schätzung des Forschungsinstitut Pestel] 1,2
Millionen Wohnungen. Nur bei der Frage, wie das gelingen kann, gehen die
Meinungen auseinander.
Am Donnerstag hat der Bundestag den sogenannten Bau-Turbo beschlossen. Für
den Gesetzentwurf stimmten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD, die
Opposition stimmte erwartungsgemäß dagegen. Mit dem Bau-Turbo sollen vor
allem Planungsprozesse beschleunigt werden. Auch soll das Aufstocken oder
Bauen in zweiter Reihe erleichtert werden.
[2][Bundesbauministerin Verena Hubertz] (SPD) sprach von einem „mutigen
Instrument, das unser Land wirklich voranbringen kann“. Es müsse mehr und
schneller gebaut werden in Deutschland. Statt fünf Jahre für ein
Bebauungsplanverfahren zu brauchen, könne „die Gemeinde dem Bauvorhaben
jetzt innerhalb von drei Monaten zustimmen“, erklärte sie.
Möglich wird das durch die Einführung des neuen Paragrafen 246e im
Baugesetzbuch (BauGB). Diese bis zum 31. Dezember 2030 befristete
Experimentierklausel ermöglicht Abweichungen vom Planungsrecht. Entscheidet
sich zum Beispiel eine Kommune, den Bau-Turbo anzuwenden, kann sie neue
Wohnungen bereits nach einer dreimonatigen Prüfung zulassen. Langwierige
Bebauungspläne, die oft Jahre brauchen, sollen dann nicht mehr notwendig
sein.
Bauministerin Hubertz betonte in ihrer Rede, dass Gemeinden selbst
entscheiden, „ob sie die Beschleunigung haben wollen oder nicht“. Der
Bau-Turbo gilt nicht nur für Wohnungsbauten, sondern auch für soziale und
kulturelle Infrastruktur, zum Beispiel für Kitas, Schulen oder Theater. Auf
eine Schätzung, wie viele neue Wohnungen damit gebaut werden könnten,
verzichtete Hubertz bewusst.
2024 wurden in Deutschland nur 251.900 Neubauwohnungen fertiggestellt, noch
weniger als 2023. Die Ampelregierung hatte seinerzeit das Ziel von 400.000
neuen Wohnungen pro Jahr ausgegeben, davon 100.000 Sozialwohnungen. Dieses
Ziel wurde nie erreicht.
## Grüner spricht von Mogelpackung
Der baupolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco
Luczak, lobte das neue Gesetz als „Quantensprung“. Der Bau-Turbo gelte
nicht nur in angespannten Wohnungsmärkten, sondern überall. Und er sei
nicht nur für Mehrfamilienhäuser, sondern auch für Einfamilienhäuser
anwendbar. Luczak kündigte eine weitere Baunovelle an: Bauvorschriften
müssten „strukturell und dauerhaft entschlackt werden“. Der Bau-Turbo sei
nur eine Zwischenlösung.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh war weniger überzeugt.
Er sprach von einer „Mogelpackung“, die Bodenspekulation begünstige [3][und
Ökosysteme zerstöre]. Er forderte Quoten für sozialen und
gemeinwohlorientierten Wohnraum sowie eine Bauverpflichtung, „damit
genehmigte Projekte auch wirklich umgesetzt werden“. Vor allem müssten
vorhandene Potenziale besser genutzt und mehr umgebaut werden.
Auch die baupolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katalin Gennburg,
kritisierte, dass der Turbo die Mietenkrise „weiter verschärfen“ werde.
„Die Neubauten von heute dürfen nicht zu den Problemen von morgen werden“,
sagte sie. Es brauche stattdessen eine kommunale Wohnraumoffensive mit
einem klaren Fokus auf den Umbau im Bestand.
Mehrere Wirtschaftsverbände forderten die tatsächliche Umsetzung des
Bau-Turbos ein. Gebaut sei „damit noch lange nichts“, teilte der
Immobilienverband GdW mit. Es brauche eine echte Beschleunigung – „digitale
und effizientere Verfahren, weniger Bürokratie, verbindliche Zeitpläne“.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie mahnte an, dass schnellere
Genehmigungsverfahren „nichts an hohen Baukosten oder überzogenen,
gesetzlich verankerten Anforderungen an Wohngebäude“ änderten.
Mit dem neuen Gesetz wird auch der Umwandlungsschutz in Gebieten mit
angespanntem Wohnungsmarkt um fünf Jahre verlängert. Miethäuser dürfen dort
dann nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden – denn dieser Prozess
führt zu Verdrängung. Der deutsche Mieterbund kritisierte die Befristung.
„Bauland war noch nie so teuer wie heute“, erklärte die Präsidentin des
Deutschen Mieterbundes, [4][Melanie Weber-Moritz]. Dieses müsse dem freien
Markt weitgehend entzogen werden.
9 Oct 2025
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/bau-turbo-wohnungsmarkt-10…
[2] /Bauministerin-Verena-Hubertz/!6095515
[3] /Deutsche-Umwelthilfe-ueber-Bauturbo/!6118706
[4] /Mieterbund-Praesidentin-zur-Mietenpolitik/!6101338
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
## TAGS
Wohnen
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Wohnungsnot
Stadtentwicklung
Bauen
Klima
Bauministerium
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