| # taz.de -- Klimaschutz bei Mietshäusern: Solarstrom? Geht doch! | |
| > In Hamburg finanziert ein Vermieter seinen Mieter:innen ihre | |
| > Solaranlagen. Die sparen Geld, er verdient langfristig – die Energiewende | |
| > kommt voran. | |
| Bild: Aus der Installationsphase: Alle Mieter:innen bekommen ihre Solaranlagen … | |
| Hamburg taz | Wer sich vorstellt, wie in Hamburg durchschnittlich gewohnt | |
| wird, könnte den schlichten vierstöckigen Wohnblock vor Augen haben, in dem | |
| Christian Warsch 32 Wohnungen vermietet. Das Mehrfamilienhaus im Norden | |
| Hamburgs am Friedhof Ohlsdorf ist ein unscheinbares Bauwerk, rot | |
| verklinkerte Fassade, weiße Fenster, von denen es in Hamburg Tausende gibt: | |
| Etwas Rasen und Büsche wachsen drumherum, ehe der nächste Wohnblock aus den | |
| 1950er- oder 1960er-Jahren in ähnlich schlichter Optik beginnt. | |
| Eines ist an diesem aber besonders: [1][Alle 32 Mietparteien haben ein | |
| eigenes Balkonkraftwerk], das aus Sonnenenergie Strom erzeugt. Die | |
| Installation haben sie nicht selbst bezahlt, sondern ihr Vermieter | |
| Christian Warsch. | |
| „Ich glaube, mit diesem Pilotprojekt haben wir das Problem gelöst – und | |
| hoffentlich schauen sich das möglichst viele Vermieter ab“, sagt Warsch, | |
| während er mit einer Handvoll seiner Mieter:innen vor einem der drei | |
| Hauseingänge steht. „Wir haben das schließlich so simpel wie möglich | |
| gemacht.“ | |
| Falls am Sonntag die Mehrheit der wahlberechtigten Hamburger:innen | |
| [2][beim Volksentscheid über ein strengeres Klimaschutzgesetz] mit Ja | |
| stimmen sollte, muss in den kommenden 15 Jahren das Wohnen in der | |
| Hansestadt klimaneutral werden: Rund ein Viertel der CO2-Emissionen machen | |
| Wärme- und Stromverbrauch in Wohngebäuden aus und bislang ist die | |
| energetische Sanierungsrate in Hamburg viel zu gering, um selbst bis 2045 | |
| klimaneutral zu werden. | |
| ## Unterstützung für den „Hamburger Zukunftsentscheid“ | |
| Zudem hängt bundesweit die Energiewende den Plänen hinterher, | |
| CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche plant indes den massiven Ausbau | |
| von Gaskraftwerken. | |
| Der Hamburger Vermieter Warsch glaubt, eine entscheidende Hemmschwelle auf | |
| dem Weg zur Klimaneutralität eingeebnet zu haben. „Das Pilotprojekt hier | |
| widerspricht total dem, wovor Andreas Breitner warnt“, sagt Warsch im | |
| Hinblick auf den Vorsitzenden des Verbandes norddeutscher | |
| Wohnungsunternehmen, der einer der lautesten Gegner des | |
| Klima-Volksentscheids geworden ist und vor massiven Mietsteigerungen im | |
| Falle eines Erfolgs der Volksinitiative warnt. Bei den Mieter:innen, die | |
| mit Warsch am sonnigen Spätnachmittag im Kreis stehen, macht niemand sich | |
| Sorgen, dass Klimaschutz zwangsläufig zu steigenden Wohnkosten führt. | |
| „Für uns hat es sich ja gelohnt“, sagt Mieterin Jasmin Büsen-Sakar. „Ab… | |
| wir standen ohnehin sofort hinter der Idee, als er sie uns vorschlug.“ | |
| Geholfen hat dabei auch, dass Warsch bei dem Vorhaben den Mieterverein und | |
| die Verbraucherzentrale ins Boot holte, was bei den Mieter:innen für | |
| zusätzliches Vertrauen sorgte. „Wir waren ja ohnehin schon für | |
| Klimaschutz“, sagt Rentner Gerhard Gaffke, der mit seiner Frau in einer der | |
| Wohnungen wohnt. „Und natürlich noch mal mehr, wenn man dafür nichts | |
| ausgeben muss und auch noch Geld spart.“ | |
| Als „solidarischen Wohnstrom“ bezeichnet Vermieter Warsch das Konzept, das | |
| vergangenes Jahr umgesetzt wurde und seither bewiesen habe, dass es | |
| funktioniert: Statt die jeweils vier Paneele an den Balkonen anzubringen, | |
| ließ Warsch sie auf das Flachdach des Wohnhauses montieren, um alle | |
| gleichermaßen von der Sonneneinstrahlung profitieren zu lassen – manche | |
| Mieter:innen hätten sich andernfalls wegen nahe stehender Bäume, die | |
| Schatten auf ihre Balkone werfen, wohl keine Solaranlagen angeschafft. | |
| ## Mieter:innen sparen mehr als 200 Euro pro Jahr | |
| Zusätzlich finanzierte Warsch 32 Speicher, die im Keller des Wohnblocks | |
| stehen, und aus dem die Mieter:innen den in der Wohnung verbrauchten | |
| Strom nun zum großen Teil beziehen. Zudem ließ er weitere Solaranlagen auf | |
| dem Dach installieren, die auch den Allgemeinstromverbrauch im Haus – etwa | |
| für das Licht im Treppenhaus – vollständig abdecken. | |
| „Die Mieter hatten dabei keine Investitionskosten zu tragen, konnten | |
| seither aber ihren Strombezug aus dem Netz massiv reduzieren“, sagt Warsch. | |
| Im Schnitt seien es mehr als 200 Euro, die die Mieter:innen der 60- bis | |
| 80-Quadratmeter-Wohnungen nun im Jahr einsparen. Außerdem tauchen in der | |
| Nebenkostenabrechnung keine Kosten für den Allgemeinstrom mehr auf – und | |
| die im Keller befindlichen Waschmaschinen können seither auch kostenlos | |
| genutzt werden. „Der Strom dafür entsteht ja oben kostenlos auf dem Dach“, | |
| sagt Warsch. | |
| Eine sechsstellige Summe hat Warsch dafür investiert, von der er aber auch | |
| profitiert: Er finanziert die Investition über die Verpachtung des Dachs – | |
| die Mieter:innen zahlen also einen Teil der Stromkosteneinsparungen an | |
| Warsch. Weil es sich jeweils um eine Mini-Photovoltaik-Anlage handelt, sind | |
| die Investitionskosten deutlich niedriger als bei einer großen, | |
| zusammenhängenden Solaranlage: [3][Die technischen Anforderungen sind bei | |
| Balkonkraftwerken gering, die bürokratischen Hürden ebenso.] | |
| 11 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| André Zuschlag | |
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