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# taz.de -- Deutsche trinken weniger Alkohol: Agrarminister will Steuergeld in …
> Angeblich soll es vor allem um alkoholfreie Optionen gehen, doch die
> beauftragte Agentur sieht das anders. Kritiker sprechen von
> Suchtförderung.
Bild: Mehr bechern für die Wirtschaft: Agrarminister Rainer will den Weinbau m…
Berlin taz | Angesichts des sinkenden Alkoholkonsums finanziert das
Bundesagrarministerium eine Werbekampagne, damit die Menschen mehr
deutschen Wein trinken. Zusätzlich zu geplanten Subventionen der EU
„finanziert der Bund mit bis zu einer Million Euro eine
Informationsoffensive der Branche, die den deutschen Wein als Botschafter
für Qualität, Vielfalt und Innovation in Deutschland und weltweit stärken
soll“, schrieb ein Sprecher des Ministeriums von Alois Rainer (CSU) der
taz.
Zwar erklärte die Behörde: „Die Förderung soll sich auf alkoholfreie und
alkoholreduzierte Weine konzentrieren.“ Doch die Marketingorganisation
Deutsches Weininstitut, das die Kampagne laut Agrarministerium organisiert,
teilte mit, dass diese „unter anderem, nicht vor allem“ für die
alkoholfreie Variante werben werde.
Pressesprecher Ernst Büscher begründete das mit dem niedrigen Marktanteil
alkoholfreien Weins „von ungefähr 1,5 Prozent“. Das Ministerium ließ die
Frage der taz bis Redaktionsschluss unbeantwortet, ob der überwiegende Teil
der Million in Werbung nur für alkoholfreie Weine fließen soll.
„Alkoholkonsum ist einer der wesentlichen Risikofaktoren für mehr als 200
Erkrankungen (zum Beispiel Krebserkrankungen, Erkrankungen der Leber und
des Herz-Kreislauf-Systems, psychische Beeinträchtigungen) und für
Unfälle“, [1][warnt das Bundesgesundheitsministerium] auf seiner
Internetseite. Selbst in geringen Mengen könne der Stoff „langfristig
schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben“. Das Ministerium betont,
„dass kein risikofreier Alkoholkonsum existiert.“ Im Jahr 2020 starben
demnach rund 14.200 Menschen an Krankheiten, die ausschließlich auf
Alkoholkonsum zurückzuführen sind.
## Alkoholkonsum in Deutschland hoch, aber rückläufig
Deshalb begrüßen Mediziner, dass der Konsum in den vergangenen Jahren
zurückgegangen ist, auch wenn er nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für
Suchtfragen 2023 mit [2][10,2 Liter reinen Alkohols pro Kopf] immer noch
sehr hoch war im Vergleich zu anderen Staaten. Der Rückgang betrifft neben
dem Topseller Bier auch Wein.
Agrarminister Rainer sieht das aber als Problem: „Der Weinkonsum, der in
Deutschland viele Jahre konstant war, ist in den vergangenen Jahren
deutlich zurückgegangen. Entsprechend stehen die Preise unter Druck“, lässt
der Bayer der taz ausrichten. Zahlreiche Betriebe kämpften „mit
Liquiditätsproblemen“. Die Forschungsanstalt für Garten- und Weinbau im
hessischen Geisenheim rechne „mit einem deutlichen Rückgang der
bewirtschafteten Rebflächen“. [3][Immer mehr Betriebe geben auf].
Der ausschlaggebende Faktor ist der Rückgang des Konsums – nicht, dass laut
Ministerium „viel Wein importiert wird“. Denn der Anteil der Einfuhren am
deutschen Verbrauch ist ziemlich konstant: Sowohl im Dreijahreszeitraum von
2018 bis 2020 als auch in dem von 2021 bis 2023 lag der
[4][Selbstversorgungsgrad dem Ministerium zufolge bei rund 46 Prozent].
Anders lautende Vergleiche von nur 2 Jahren sind nicht aussagekräftig, weil
die Erträge wegen des Wetters bei jeder Weinlese stark schwanken können.
Rainers Ministerium rechtfertigt den Zuschuss für die Werbekampagne damit,
dass es auch „eine auskömmliche Erwerbssituation für die deutsche
Landwirtschaft“ ermöglichen müsse. Der Weinbau sei zudem „ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor, identitätsbildend und prägt die Landschaft vieler
Regionen.“ Der CSU-Politiker will also deutschen Wein stärker fördern,
damit mehr Weingüter überleben oder mehr Geld einnehmen.
Weder das Gesundheitsministerium noch die zuständigen Gesundheitspolitiker
der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion wollten sich auf taz-Anfrage zu dem Thema
äußern. Auch nicht der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik
Streeck (CDU), der Alkohol gern als „[5][Zellgift]“ brandmarkt, das zum
Beispiel aus dem [6][Kassenbereich von Supermärkten] verschwinden müsse.
## Kritik kommt von Linken und Grünen
Der drogenpolitische Sprecher Ates Gürpinar der Linksfraktion dagegen
kritisierte, dass „die Regierung nun aktiv Suchtförderung in der
Bevölkerung betreibt“. Der Gesundheitsschutz überwiege das wirtschaftliche
Interesse der Winzer. „Auch bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung
sind die Folgekosten im Gesundheitssystem enorm, die durch alkoholbedingte
Erkrankungen entstehen. Dass der Konsum bei alkoholischen Getränken weiter
zurückgeht, muss eine Bundesregierung unterstützen und nicht durch
Steuermittel bekämpfen.“
Gürpinars Amtskollegin bei den Grünen, Linda Heitmann, warf Rainer „das
pure Bedienen von Lobby- und Klientel-Interessen auf Kosten der Gesundheit
und gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung“ vor. Der weinpolitische
Sprecher der Grünen-Fraktion, Harald Ebner, kritisierte: „Rainers
Marketing-Million wird wirkungslos verpuffen“. Die Branche müsse bei der
Entwicklung alkoholfreier Alternativen und der Etablierung klimafester
Rebsorten unterstützt werden.
Der Agrarausschuss will am Mittwoch über den Haushaltsplan 2026 des
Landwirtschaftsministeriums mit der Weinmillion beraten.
5 Oct 2025
## LINKS
[1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/alko…
[2] https://www.dhs.de/suechte/alkohol/zahlen-daten-fakten/
[3] https://www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/bodennutzung-und-pflanzliche-e…
[4] https://open-data.ble.de/dataset/versorgungsbilanz-wein
[5] https://www.bundesdrogenbeauftragter.de/presse/detail/fuer-die-gesundheit-i…
[6] https://www.br.de/nachrichten/bayern/kein-alkohol-an-tankstellen-wie-sinnvo…
## AUTOREN
Jost Maurin
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