Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Erbschaftssteuer: Die Erben zur Kasse bitte!
> Unternehmenserben in den Haushalt zahlen zu lassen, ist überfällig. Dabei
> gilt, den Leistungsanreiz hochzuhalten, wenn Subventionen abgebaut
> werden.
Beim angekündigten „Herbst der Reformen“ steht die Union der Forderung
ihres Koalitionspartners SPD unerwartet offen gegenüber, auch von
Vermögenderen mehr Abgaben einzufordern. Dies kann als Ausgleich für die
Zustimmung zu Einsparungen im Sozialbereich gedeutet werden.
So hat der Unionsfraktionschef [1][Jens Spahn unlängst bei Maybritt_Illner]
die Situation kritisiert, dass in den letzten Jahren „Vermögen eigentlich
ohne größeres eigenes Zutun von alleine fast gewachsen ist“, daher die
gegenwärtige Vermögensverteilung „so nicht in Ordnung ist“ und dass die
Frage sei, „wie man auch da eine größere Gerechtigkeit herstellen kann“.
Solche Worte waren in den letzten Jahrzehnten von der Union so gut wie nie
zu hören. Spahns Hinweis auf eine anstehende Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zu einer notwendigen Reform der
[2][Erbschaftssteuer] gab auch die Stoßrichtung vor: Die Union wird sich im
Gegensatz zur [3][FDP] in der Ampelkoalition nicht mehr schützend vor
Firmenerben stellen. Diese angekündigte Kehrtwende, Unternehmenserben zur
Finanzierung der staatlichen Aufgaben einzubinden, ist notwendig und längst
überfällig.
Allerdings birgt sie Gefahren, Reformen so zu beschließen, dass die
negativen Nebenfolgen gravierend sein können. Um was geht es konkret? Aus
sehr guten Gründen gibt es gegenwärtig in Deutschland eine legale
Möglichkeit für Firmenerben, die darauf eigentlich anfallende
Erbschaftssteuer zum Teil drastisch reduziert zu bekommen.
Die beiden Redakteure Bastian Brinkmann und Claus Hulverscheidt verweisen
in ihrem [4][Beitrag vom 6. August 2024 in der Süddeutschen Zeitung]
darauf, dass von 2,1 Milliarden Steuerforderung an die „reichsten
Firmensprösslinge“ von diesen nur 6,3 Millionen bezahlt werden mussten, was
einem „Rabatt von sagenhaften 99,7 Prozent“ entspricht. Dieser massive
Steuernachlass muss im Grunde genommen als eine wohlbegründete
Subventionierung verstanden werden.
## Die wirtschaftliche Dynamik beibehalten
Es liegt natürlich im allgemeinen Interesse, dass bei der Vererbung einer
Firma über Nachlasssteuern nicht die Leistungsfähigkeit der Firma selbst
massiv in Mitleidenschaft gezogen werden darf. Sollten solche direkt
erhobenen und eingezogenen Firmenerbschaftssteuern die Innovations- oder
die Investitionskraft einer Firma schmälern, dann wäre damit die
langfristige Konkurrenzfähigkeit der Firma und damit auch der Erhalt
und/oder der Aufbau von Arbeitsplätzen gefährdet.
Dazu kommt der psychologische Effekt: Nimmt man Familienunternehmern die
Chance, ihr aufgebautes Betriebsvermögen uneingeschränkt an die nächste
Generation weiterzugeben, sinkt deren Leistungsmotivation. Fest steht:
Niemand hat ein Interesse an einer im Ergebnis verringerten wirtschaftliche
Dynamik.
Eine Debatte über die Reduzierung der gewährten Rabatte und über eine damit
verbundene Subventionsverringerung führt zu einem vermeintlichen Dilemma:
Hat zur Mittelbeschaffung für notwendige Staatsausgaben das Wohl der
übertragenen Firmen samt Arbeitsplätzen Vorrang oder ist das Einbeziehen
„stärkerer Schultern“ wichtiger, also derjenigen, die oft leistungslos
durch Erbschaft zu größerem Besitz gekommen sind?
Tatsächlich ließen sich beide Ziele durchaus erfolgreich verbinden, wenn
die Subventionsreduzierung so gestaltet wird, dass ein nachhaltiger
Leistungsanreiz beibehalten bleibt. Eine mögliche Antwort finden wir
erstaunlicherweise bei [5][Helmut Kohl]. Unter seiner Federführung wurde
als eine der ersten Maßnahmen der neuen gelb-schwarzen Koalition 1983 der
Bezug von Schüler- und Studentenunterstützung grundlegend geändert. Wer
sogenanntes [6][BAföG] brauchte, bekam das nur noch als Volldarlehen.
## Attraktive Sparoptionen
Vorher war es im Wesentlichen als nicht zurückzahlbarer Zuschuss gewährt
worden. Diese Reform ist mit der gegenwärtigen Erbschaftssteuerdebatte
durchaus vergleichbar: Es wurde eine drastische Reduzierung einer
wohlbegründeten Subvention („Chancengleichheit“) umgesetzt. Und aus
Kohl'scher Sicht war dies aus guten Gründen dringend notwendig
(„Leistungsansporn“). Ergänzend dazu gab es daher einen
leistungsorientierten Rabattkatalog aus vier Einzelnachlässen.
Über diese konnte die Schuldenlast erträglicher gemacht werden und fast der
ganze Kredit zu sehr guten Bedingungen getilgt werden. So erhielt ein
BAföG-Empfänger erstens bis zu 50 Prozent Nachlass, wenn er die Schulden
auf einen Schlag zurückzahlen konnte. Absolventinnen und Absolventen, die
zu den 30 Prozent der Besten ihres Jahrgangs gehörten, konnten zweitens
eine Kreditreduzierung von bis zu einem weiteren Viertel der Schuldensumme
bekommen.
Waren sie vier Monate vor der Förderungshöchstdauer mit dem Examen fertig,
so gab es drittens einen weiteren Erlass von bis zu 5.000 Mark und viertens
gab es noch Rabatte durch Erlass der Rückzahlraten während der
Kinderbetreuung. Wer für eine solche vergleichsweise überschaubare
Subventionssumme einen solchen Aufwand samt Leistungskatalog betrieben hat,
sollte heute nicht davor zurückschrecken, einen wesentlich höheren
Subventionsbetrag leistungsorientiert umzugestalten.
Wie beim Kohl’schen Leitfaden könnte eine Bezahlung der vollständigen
Erbschaftssteuer auf Firmenerbschaften vermieden werden, wenn bestimmte
Leistungen nachgewiesen werden. Die Unternehmenserben müssten dazu eine
transparente und verlässliche Liste der Rabattbedingungen erhalten und
selbst entscheiden, welche der Discountwege sie gehen wollen und welche
nicht.
## Steuerzahlung oder Teilenteignung
Würden die Erben nach einer vermögens- und betriebswirtschaftlichen Prüfung
zu der Einschätzung kommen, dass das Geld für die Steuerzahlung aufgebracht
und dem Finanzamt auf einen Schlag übergeben werden kann, so würde das mit
einem massiven Nachlass belohnt werden. Bei der Kohl’schen BAföG-Reform gab
es mit einem Discount von bis zu 50 Prozent einen effizienten Anreiz. Diese
Form der Rabattierung müsste abgestuft auch in Folgejahren möglich sein.
Umgekehrt würde allerdings eine Entscheidung der Unternehmenserben, die
Steuern zum Erhebungszeitpunkt nicht leisten zu können oder zu wollen, dazu
führen, dass der Staat zum stillen Teilhaber der Firma avanciert – unter
Beibehaltung der unternehmerischen Freiheit. Hätte etwa der festgesetzte
Erbschaftssteuersatz 15 Prozent betragen, wäre der Staat dann mit jenem
Satz Anteilseigner der Firma mit entsprechender Gewinnbeteiligung.
Ob sich eine Verlustbeteiligung ausschließen ließe, ist eine offene Frage.
Eine Kombination aus rabattierter Rückzahlung und Teilhaberschaft des
Staates wäre dabei selbstverständlich möglich. Eine abgestufte Minderung
der Erbschaftssteuer oder gegebenenfalls der prozentualen stillen Teilhabe
ließe sich zudem durch zahlreiche, politisch gewollte „Leistungen“
ermöglichen.
So könnte eine Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze im Unternehmen oder der
Bau und dauerhafte Unterhalt von Werkswohnungen oder von Wohnungen für
sozial Bedürftige oder die Einrichtung von betrieblichen Kindertagesstätten
einen solchen reduzierenden Effekt haben. Ebenso möglich wäre etwa eine
Reduzierung durch den Nachweis, dass politisch vorgegebene Schritte hin zur
Klimaneutralität und zu ökologischem Wirtschaften aus eigenem Antrieb und
wesentlich schneller als gesetzlich vorgeschrieben, eingeleitet werden.
## Von Kohl lernen
Eine Verringerung des CO₂-Ausstoßes über das ohnehin verordnete Maß hinaus,
Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die nicht vom Staat eingefordert werden, würden
sich für die Unternehmenserben als Senkung einer als zu hoch erachteten
Erbschaftssteuerlast bzw. als Rückabwicklung der so wahrgenommenen
Zwangsteilenteignung lohnen. Man darf nicht unterschätzen, wie effizient
Unternehmer werden können, wenn sich für sie daraus Zugewinnmöglichkeiten
in Form von geringeren Steuern oder dem Abschütteln von Staatsbeteiligungen
ergeben.
Zugleich wäre allerdings dafür zu sorgen, dass steuerreduzierende
Leistungen konkretisiert und vereinfacht überprüft werden müssten, um kein
Monster einer neuen ausufernden Finanzamtsbürokratie zu schaffen. Solche
Leistungen ließen sich auch ohne generelle Nachweispflichten
bürokratiesparsam einfordern: Sie müssten dem Finanzamt als „erfüllt“
rückgemeldet und nur stichprobenartig überprüft, im Nichterfüllungsfall
allerdings als Steuerbetrug hart geahndet werden.
Dass sich insbesondere der „[7][Verband der Familienunternehmer]“ in den
nächsten Wochen und Monaten vehement gegen eine Abschaffung dieser
langjährigen Subventionspraxis mit aller Lobbymacht zur Wehr setzen wird,
ist abzusehen. Schaut man sich allerdings an, wie weit führende Politiker
der Union – Spahn ist hier nur die Speerspitze – von der früheren
Überzeugung Abstand nehmen, dass an dieser alten Form der Subventionierung
von Firmennachlässen festgehalten werden soll, dann wären die Lobbyisten
gut darin beraten, sich konstruktiv an der Debatte zu beteiligen.
Eigene Vorschläge, welche Leistungen denn zukünftig zu erbringen wären, um
wenigstens einen Teil der Privilegien zu konservieren, würden durchaus
sinnvoll sein. Denn in der Tat: Eine Reform, die zu einer unverhandelbaren
Vollerhebung der Firmenerbschaftssteuern führte, würde zu den beschriebenen
negativen Folgen führen, allen voran eine reduzierte Konkurrenzfähigkeit.
Diese könnten durch die beschriebenen hohen Rabatte auf die Steuerlast
vermieden werden.
Man kann den einschlägigen Verbänden nur die Einsicht in ihr
wohlverstandenes Eigeninteresse wünschen und hoffen, dass sie nicht in
einer Totalblockade verharren, sondern am Modell eines
leistungsorientierten Subventionsabbaus mitarbeiten. Das wäre ein
notwendiger Sprung über ihren eigenen Schatten. Wer hätte gedacht, dass in
diesem Reformherbst ein Von-Kohl-Lernen das Gebot der Stunde sein könnte.
14 Oct 2025
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=rw78k6XlFWI
[2] /Erbschaftsteuer/!t5009641
[3] /SPD-Finanzpolitiker-fuer-Erbschaftssteuer/!5923656
[4] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/erbschaftsteuer-bundeslaender-reform…
[5] /Helmut-Kohl/!t5009576
[6] /Bafoeg/!t5021566
[7] https://www.familienunternehmer.eu/index.html
## AUTOREN
Helmut Däuble
## TAGS
Erbschaftssteuer
Familienunternehmen
Volkswirtschaft
Soziale Gerechtigkeit
Social-Auswahl
Erbschaftssteuer
Haushaltsdefizit
Schwarz-rote Koalition
Reichtum
Soziale Gerechtigkeit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gutachten zur Erbschaftsteuer: Ungerecht und frauenfeindlich
Von Steuerprivilegien für Unternehmenserbschaften profitieren vor allem
Reiche und Männer. Die Grünen haben durchrechnen lassen, wie es gerechter
wird.
Soziale Gerechtigkeit: Mehr Anreize für Privatiers
872.000 Deutsche gehen keiner geregelten Erwerbsarbeit nach. Es wird Zeit
für eine bessere Arbeitsvermittlung und Leistungsentzug für Verweigerer.
Studentensprecherin über Koalitionspläne: „Studierende gehen in großer Zah…
Union und SPD wollen das Bafög bis 2028 auf Grundsicherungsniveau heben. Zu
spät, findet Emmi Kraft vom Studierendenverband fzs.
Wiedereinführung der Vermögenssteuer: Lasst doch die Reichen zahlen
Die Vermögensteuer könnte dem Land dringend benötigte Einnahmen bringen.
Die Linke fordert eine Wiedereinführung.
Reichensteuer und Krankenversicherung: Mehr Geld für viele
… und weniger Vorteile für wenige: Was Christian Lindner bei Steuern und
Krankenversicherung von den Nachbarn Österreich und Schweiz lernen kann.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.