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# taz.de -- Berlin im frühen 20. Jahrhundert: Wie die Arbeiterschaft sich ins …
> Wer kein eigenes Haus besaß, hatte Anfang des 20. Jahrhunderts nur ein
> eingeschränktes passives Wahlrecht. Ein Verleger umging das Gesetz mit
> einem Trick.
Bild: Hugo Heimann trat als Sozialdemokrat für gleiches Wahlrecht und faires W…
Der Berliner Verleger Hugo Heimann, geboren 1859, war sozial eingestellt –
und demokratisch. 1899 stiftete er im Arbeiterbezirk Kreuzberg die
„Öffentliche Bibliothek und Lesehalle zu unentgeltlicher Benutzung für
jedermann“, im selben Jahr zog Heimann zum ersten Mal für die SPD in die
Berliner Stadtverordnetenversammlung ein.
Die Wahl zum Stadtparlament war damals allerdings nur bedingt eine
demokratische Veranstaltung. Es galt das Dreiklassenwahlrecht, abgestuft
nach Steuerklassen durften nur Männer ab 24 Jahren wählen, mit einem
Wohnsitz seit mindestens sechs Monaten in Berlin und nur sofern sie keine
Armenunterstützung bezogen.
Auch das passive Wahlrecht war eingeschränkt: Zwei Drittel der antretenden
Kandidaten mussten selbst ein Haus besitzen. Manchen Kaisertreuen und
Liberalen konnte das damals nur recht sein. Denn durch dieses sogenannte
Hausbesitzerprivileg konnte eine Mehrheit von Abgeordneten aus der
Arbeiter:innenschaft schon im Vorhinein ausgeschlossen werden. Die
Arbeiter:innen wohnten größtenteils zur Miete.
## Es gelang mit einem Trick
Hugo Heimann aber ließ sich vom preußischen Klassenstaat nicht aufhalten.
Er verlangte ein allgemeines, gleiches und direktes Gemeindewahlrecht, „für
alle über zwanzig Jahre alten Einwohner der Gemeinde [1][ohne Unterschied
des Geschlechts]“.
Auf dem Weg zu mehr Demokratie wandte er einen einfachen Trick an: Heimann
nutzte sein Vermögen, um im Arbeiterbezirk Wedding acht Häuser in einer
Zeile zu errichten. Die Besitzrechte an den Adressen Prinzenallee 46a–46h
übertrug er an Sozialdemokraten, die somit wählbar wurden und mitsprechen
konnten. Die SPD sah sich als Vertreterin der Arbeiter:innenschaft. Der
heute wohl prominenteste unter den SPD-Kandidaten: Karl Liebknecht.
Das Berliner Adressbuch von 1914 zeigt, dass die Abgeordneten nicht
unbedingt selbst die „Roten Häuser“ bewohnten. Sie ließen dort „einfache
Leute“ wohnen, Arbeiter, Handwerker oder ihre Witwen, zumeist
SPD-Mitglieder.
Und nicht nur für die Demokratie trat Hugo Heimann Zeit seines Lebens ein.
Auch für städtischen Wohnungsbau mit nicht-gewinnorientierten Mietpreisen –
das aus seiner Sicht „einzige Mittel“ gegen die damals grassierende
Wohnungsnot.
Bis 1933 blieb Hugo Heimann Berliner Stadtverordneter. Dann zwangen ihn die
Nationalsozialisten als Juden und Sozialdemokraten [2][ins Exil]. Im
November 1947 erneuerte Berlin Heimanns Ehrenbürgerschaft, die die Nazis
ihm genommen hatten. 1951 starb Heimann in New York.
11 Oct 2025
## LINKS
[1] /Ausstellung-zu-1918-in-Berlin/!5507829
[2] /Briefwechsel-im-amerikanischen-Exil/!5953803
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
## TAGS
Kolumne Der Anstoß
Sozialdemokratie
Wahlrecht
Arbeiterbewegung
Arbeiterklasse
Social-Auswahl
Nigeria
Schwerpunkt Grundgesetz
Frauenwahlrecht
Die Linke
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