| # taz.de -- Lateinamerikanisches Literaturfestival: Chronisten der Transformati… | |
| > Das Festival „Barrio (Bairro) Berlin“ ist gestartet. Es bildet ab, wie | |
| > vielfältig die lateinamerikanische Literaturszene hierzulande ist. | |
| Bild: Moderator Juan Carlos Mendez mit Autorin Martha Gantier und José Luis Pi… | |
| Für Generationen von LiteratInnen, die es aus Lateinamerika nach Berlin | |
| verschlagen hatte, bot das Ibero-Amerikanische Institut mit seiner | |
| umfassenden Bibliothek und den regelmäßigen Veranstaltungen stets einen | |
| verlässlichen Zufluchtsort. So erscheint der Simón-Bolívar-Saal der | |
| traditionsreichen Institution besonders passend für die | |
| Auftaktveranstaltung des diesjährigen Festivals „Barrio (Bairro) Berlin“, | |
| das lateinamerikanische AutorInnen und Kulturinitiativen in der Stadt | |
| präsentiert. | |
| Unter dem Titel „Der erste Strich einer Kartierung“ begrüßte der | |
| [1][peruanische] Autor und Journalist Juan Carlos Mendez am Montagabend | |
| Martha Gantier und José Luis Pizzi auf dem Podium, um im Gespräch über | |
| biografische Stationen und literarische Perspektiven die kulturellen | |
| Bewegungen der lateinamerikanischen Diaspora im Stadtraum sichtbar werden | |
| zu lassen. | |
| Die Dichterin Martha Gantier, in La Paz geboren, kam erstmalig 1983 bis | |
| 1987 nach Westberlin. Seit den 1970er Jahren befand sich zunächst in der | |
| Nollendorfstraße die romanische Buchhandlung „Andenbuch“, der zentrale | |
| Treffpunkt für viele Kulturschaffende und im Exil Lebende aus | |
| Lateinamerika. | |
| Ein im Hintergrund projiziertes Foto zeigt Martha Gantier mit dem Team der | |
| Buchhandlung und der Schriftstellerin Isabel Allende dort im Oktober 1984. | |
| (Die deutsche Übersetzung Allendes Bestsellers [2][„Das Geisterhaus“] war | |
| im Frühjahr 1984 im Suhrkamp-Verlag erschienen.) | |
| ## Exilierte Freunde | |
| Bei ihrer erneuten Rückkehr nach Berlin 1992 stellt Gantier bald fest, dass | |
| sich die Stadt und auch die lateinamerikanische Literaturszene nach dem | |
| Mauerfall verändert haben. Viele der in Berlin exilierten Freunde sind nach | |
| 1989 und dem Ende der Diktatur in Chile zurückgekehrt. In dieser Zeit | |
| entsteht ihr düster melancholisches Gedicht „En Berlín morir no quiero“ (… | |
| Berlin sterben will ich nicht). | |
| Der Argentinier José Luis Pizzi kam in einem günstigeren Moment und nach | |
| einem mehrjährigen Zwischenstopp in Madrid 2008 nach Berlin. Im Umfeld der | |
| Buchhandlung „La Rayuela“, die bis 2017 am Südstern existierte, trifft der | |
| ehemalige Anwalt und heutige Schriftsteller auf eine neue Generation | |
| lateinamerikanischer DichterInnen und eine inspirierende, junge | |
| Literaturszene. 2014 beginnt Pizzi gemeinsam mit Germán Restreppo, dem | |
| Gründer des Antiquariats „La Escalera“, ein eigenes Programm mit Lesungen, | |
| Workshops und Konzerten in dem lebendigen Antiquariat im Hinterhof zu | |
| veranstalten. | |
| Aus dem zufälligen Angebot eines chilenischen Radiosenders, | |
| lateinamerikanische Literatur aus Berlin vorzustellen, entwickelt der | |
| Argentinier gemeinsam mit Ingeborg Robles 2021 live und als Podcast ein | |
| neues Veranstaltungsformat. Seitdem bringt der „Salón Berlinés“ renommier… | |
| wie noch unentdeckte AutorInnen aus Lateinamerika in einem montags | |
| angemieteten Ladenlokal mit dem Publikum zusammen. | |
| Mit viel Enthusiasmus und oft knappen Ressourcen bieten er und seine | |
| MitstreiterInnen damit aktuell in der Crellestraße in Schöneberg einen | |
| vielfältigen Raum für Lesungen, Diskussionen und Austausch. | |
| ## Wahlheimat Berlin | |
| In eigenen literarischen Texten wird Pizzi auch zum Chronisten der | |
| Transformationen seiner neuen Wahlheimat Berlin. Humorvoll lakonisch | |
| beschreibt der Autor in einem vorgetragenen Auszug den rasanten Wandel | |
| seines zuvor noch beschaulichen [3][Wohnviertels Rixdorf,] in das er schon | |
| nicht mehr recht zu passen scheint. „Ich lebe in einem Viertel, um das mich | |
| die Neuberliner beneiden, jenen, denen man erzählt, wo man wohnt, und die | |
| sofort das herablassende Lächeln verschlucken und etwas zeigen, das | |
| Frustration ähnelt.“ | |
| Auch Martha Gantier verarbeitet in Gedichten ihre Berliner Erfahrungen. | |
| Nach dem Tod ihres Mannes kommt die Dichterin 2015 ein drittes Mal nach | |
| Berlin und bleibt. | |
| An diesem Abend stellt sie ihr Gedicht „Ringbahn“ vor, in dem es heißt: �… | |
| den S-Bahnen fange ich die Motive meiner aktuellen Poesie ein. Dort | |
| verdichten sich Liebe, Illusionen, Frustrationen und Träume in einem | |
| Waggon“. | |
| Wie zuvor José Luis Pizzi trifft Gantier hier nun an neu gegründeten Orten | |
| auf viele jüngere KollegInnen aus Lateinamerika, die, aller Widrigkeiten | |
| zum Trotz, in der Stadt für sich ein Laboratorium der Dichtung gefunden | |
| haben. | |
| 10 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eva-Christina Meier | |
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