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# taz.de -- NS-Gedenken in Berlin: Was bleibt, und wer nicht
> An einer Hausfassade in Tiergarten wird an die jüdische Schriftstellerin
> Gabriele Tergit erinnert. Die Gedenktafel in wird am 8. Oktober enthüllt.
Bild: Schriftstellerin Gabriele Tergit
Berlin taz | Fast hätte man sie übersehen. Die Moabiter, die an ihr
vorbeigehen, schauen nicht einmal hinauf. Dabei hängt die weiß-blaue
Gedenktafel brandneu an der blassgelben Fassade des Hauses Siegmunds Hof 21
am Tiergarten.
„In dem einst links benachbarten Eckhaus wohnte von 1928 bis 1933 mit ihrer
Familie Gabriele Tergit“ steht darauf. Keine Gedenktafel könnte das bewegte
Leben und Werk der [1][Berliner Autorin des 20. Jahrhunderts] auch nur
annähernd erfassen. Die bekanntesten Werke der jüdischen Schriftstellerin:
„Käsebier erobert den Kurfürstendamm“ und die Trilogie „Effinger“.
Gabriele Tergit, mit bürgerlichem Namen Elise Reifenberg, war die erste
deutsche Gerichtsreporterin und eine der erfolgreichsten Autorinnen der
Weimarer Republik. Zum gleichen Zeitpunkt überfielen die Sturmabteilung
(SA) ihr Haus, um die jüdische und NS-kritische Intellektuelle zu
verhaften. Sie floh ins Exil nach Palästina und sollte nie wieder in
Deutschland wohnen. Tergit bekräftigte ihre Liebe und ihren Respekt für das
Judentum, dem Zionismus stand sie jedoch kritisch gegenüber. Sie sah darin
einen „europäischen Eindringling“ und die [2][„Einführung der politisch…
LIst“.]
Von Tergits Leben in Tiergarten ist nicht mehr viel übrig. Auch die
Nachbarn und die SpaziergängerInnen im Viertel können sich nicht mehr an
sie erinnern. „Target … wie der amerikanische Supermarkt?“, rät ein jung…
Mann. An der Stelle Tergits Eckhauses steht heute das HGHI-Tower. Vor dem
Neubau zieht eine Angestellte der in dem Gebäude ansässigen Immobilienfirma
an ihrer E-Zigarette. Der Name sagt ihr etwas: Die
Gabriele-Tergit-Promenade, nur wenige Straßen entfernt, ist sie manchmal
entlanggelaufen. Aber mehr auch nicht. „Es sind die besten Menschen, die
nicht viele Spuren hinterlassen“, kommentiert sie mit einem Lächeln.
## Chronistin des Alltags
Im benachbarten „Meerbaumhaus“, das heute von der der evangelischen
Gemeinde genutzt wird, wird der 80. Todestag des Pastors Dietrich
Bonhoeffer gefeiert. Sind sich Bonhoeffer und Tergit vielleicht auf den
Straßen Londons begegnet, wo sie beide 1940 vor dem Krieg geflohen waren?
Bonhoeffer überlebte seine Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1943 nicht und
wurde vom NS-Regime im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Tergit
starb 1982 in London als stolze Sekretärin des PEN – in ihrer Heimat jedoch
längst vergessen.
Zwei Jahre nach dem Hamas-Terrorangriff würdigt die Senatsverwaltung erneut
die jüdische Autorin. Damit soll eine „Chronistin des Alltags, der
kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Milieus“ geehrt werden.
Durch das Fenster des blauen Meerbaumhauses ist eine Menora mit drei
geschmolzenen Kerzen zu sehen. Vielleicht betrachtet Tergit sie auch von
dort oben – und hofft sehnlichst, dass es seine BesitzerInnen nie mehr das
Leben kosten muss.
8 Oct 2025
## LINKS
[1] /Ereignis-Gabriele-T/!751651/
[2] https://www1.wdr.de/kultur/buecher/tergit-im-schnell-zug-nach-haifa-100.html
## AUTOREN
Gabrielle Meton
## TAGS
NS-Gedenken
deutsche Literatur
Geschichte Berlins
Expressionismus
Halle
Schwerpunkt Nationalsozialismus
deutsche Literatur
Justiz
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