| # taz.de -- Fahrradfahren im Alltag: Wenn das Rad vor den eigenen Augen geklaut… | |
| > Ist das Rad geklaut, ist der Ärger groß. Aber manchmal hilft es, schnell | |
| > genug zu rennen – wie in diesem Fall unserer Autorin. | |
| Bild: Das Schloss noch da, das Fahhrad weg – haltet den Dieb! | |
| Vor eineinhalb Jahren schrieb ich [1][hier über Fahrraddiebstähle]. Ich | |
| hatte nach einer Lesung vor dem leeren Fahrradbügel gestanden und mich wie | |
| ein verwirrter Teilnehmer bei „Vorsicht Kamera“ umgeschaut. Wenn mir ein | |
| Rad gestohlen wird – vorm Restaurant, vorm Haus oder aus dem Keller –, bin | |
| ich immer aufs Neue überrascht. Motto: Das ist mein Fahrrad, ich brauche | |
| das jeden Tag. Warum nimmt mir das jemand weg? | |
| Nach dem letzten Diebstahl kaufte ich mir dasselbe Modell erneut. Und war | |
| damit letzten Samstag an der Spree auf einer Rasenfläche direkt am | |
| videoüberwachten Bauzaun des Bundeskanzleramts. Ich legte meine Decke neben | |
| das Rad und machte für zehn Minuten die Augen zu. Als ich sie wieder | |
| aufmachte, waren die Ausflugsschiffe noch da, die Spaziergänger an der | |
| Promenade, die Mittagssonne – nur mein Rad war weg. Hundert Meter entfernt | |
| sah ich es langsam davonfahren. | |
| Ich griff nach meinen Sachen und spurtete los. Mein Rad stoppte, der Sitz | |
| wurde heruntergestellt. 80 Meter, 50, 20. Ich rannte. Das Rad fuhr weiter, | |
| bog Richtung Hauptstraße ab. „Das holst du nicht ein“, dachte ich keuchend. | |
| „Aber du bleibst dran.“ Ich wechselte von Rennen auf Joggen. Sah, wie mein | |
| Rad einen Halbkreis beschrieb, plötzlich in meine Richtung kam, einen | |
| weiteren Schlenker machte, und fünf Meter an mir vorbeikam. | |
| Sollte ich spurten, springen und schubsen? Also einen Typ in Drogentrance | |
| angreifen? Ich schleuderte stattdessen mit Kraft meine Trinkflasche ins | |
| Hinterrad und brüllte „Das ist mein Fahrrad!“ Flaneure erschraken. Mein Rad | |
| zuckte kurz unter der Flasche. Der Dieb fuhr unberührt weiter. | |
| „Halten Sie ihn an!“, brüllte ich noch einmal, diesmal in Richtung von drei | |
| Fußgängern, in deren Richtung mein Rad nun gesteuert wurde. „Der hat mein | |
| Rad geklaut!“ Alle drehten sich um. Einer verschwand sofort hinter einer | |
| Hausecke. Die anderen beiden blieben auf dem Weg stehen. Der Dieb steuerte | |
| auf sie zu. Bremste. Stieg ab. Legte das Rad auf den Boden. Und ging | |
| weiter. Ich lief zu Rad und jungem Paar, bedankte mich. Mein Rad hatte | |
| nicht einmal verbogene Speichen. Aufgeregt waren wir alle. „Wir wussten | |
| nicht, ob der uns einfach überfährt“, meinte die Frau. Ich sah dem Dieb | |
| nach. Sollte ich ihm folgen? | |
| Ich erinnerte mich an meine letzte Anzeige: Zwei junge Männer waren mit | |
| einem E-Roller über Rot und in meinen radfahrenden Sohn gefahren. „Ein | |
| Klassiker“, hatte der Polizist gesagt. „Das passiert an der Ecke oft.“ | |
| Obwohl ich ein Foto vom Fahrer hatte, wurde niemand ermittelt, die Kreuzung | |
| wurde sowieso nicht verändert. Solche Unfälle passieren da halt oft. Und | |
| für einen Drogenabhängigen, der mir das Rad aus Armeslänge stahl, würde | |
| sich in Berlin auch niemand interessieren. Immerhin hatte ich es zurück. | |
| Toll fühlte sich dieses Erlebnis unter Bundeskanzler-Videobewachung | |
| trotzdem nicht an. Also versuche ich es jetzt mal mit einem Reframing: | |
| Menschen haben mir einfach so geholfen, mein Fahrrad zurück zu erkämpfen. | |
| Und zwar Fußgänger. Aus der Gen Z. Und das mitten in Berlin. Danke. | |
| 20 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kerstin Finkelstein | |
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