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# taz.de -- Boxen im Stream: Punktsieg für Netflix
> Netflix will groß ins Sportgeschäft einsteigen. Auftakt dafür war der
> spektakuläre Boxkampf zwischen Saúl „Canelo“ Álvarez und Terence „Bu…
> Crawford.
Bild: Wer auch immer hier verliert, Netflix gewinnt
Am Wochenende hieß es „Es kann nur einen geben“. Das hat nichts mit dem
80er Jahre Kultfilm „Highlander“ zu tun, sondern mit dem Boxkampf des
Jahres. Der Mexikaner Saúl „Canelo“ Álvarez [1][stieg gegen den
US-Amerikaner Terence „Bud“ Crawford in den Ring.]
Ein Kampf, der in der Boxwelt bis vor kurzem noch als Wunschdenken galt.
Denn: Crawford, in all seinen 41 Kämpfen ungeschlagen, musste gleich zwei
Gewichtsklassen nach oben gehen, um gegen den zwei Jahre jüngeren Mexikaner
anzutreten.
Beide nun rund 75 Kilogramm schwer, boxten sie über die volle Distanz von
zwölf Runden. Der einstimmige Sieger: Terence Crawford. Doch es war nicht
nur ein Sieg für den nun legendären Boxer, auch der US-Streaming-Dienst
Netflix zeigte, wie groß sein Einfluss ist.
Netflix fühlte bereits im November letzten Jahres vor, wie groß das
Interesse an Boxkämpfen auf der Plattform ist. [2][Damals trat der
Influencer Jake Paul gegen die gealterte Boxlegende Mike Tyson an,] was
weniger mit einer seriösen Sportveranstaltung zu tun hatte und mehr mit
einer modernen Art des Promiboxens.
## Technische Probleme
Doch die Bilanz fiel positiv für Netflix aus: Rund 60 Millionen Haushalte
haben den Kampf live verfolgt – illegale Streams nicht mit eingerechnet.
Dazu überträgt Netflix seit Beginn des Jahres die weltweit größte
[3][Wrestlingorganisation WWE] exklusiv und live bei sich, auch wenn es
regionale Ausnahmen gibt, wie Deutschland, die Schweiz, Frankreich und
Japan.
Für den großen Boxkampf gab es jedoch keinerlei regionale Beschränkungen
und jede Abonnent:in konnte, ganz gleich welches Abo-Modell sie haben,
das Duell der beiden verfolgen. Doch ähnlich wie bei Jake Paul vs. Mike
Tyson gab es auch bei dieser Live-Übertragung erhebliche technische
Probleme. Netflix scheint seine neue Rolle im Sport- und Live-Geschäft noch
nicht vollends auszufüllen, denn viele Zuschauende beklagten sich über
schlechten Tonp und das zuweilen langsame Laden des Streams.
Immerhin ist der Boxkampf direkt nach seiner Übertragung abrufbar und kann
auch jetzt noch verfolgt werden. Besonders nützlich ist das für die
Interessierten außerhalb der USA, die sich wegen dem Kampf nicht die Nacht
um die Ohren schlagen möchten.
Auch wenn Netflix seine Live-Technik noch nicht ausreichend
professionalisiert hat, war das Event vor Ort im Allegiant Stadium des
US-amerikanischen Bundesstaats Nevada [4][ein voller Erfolg.] Mit über
70.000 Gästen war es eine der bisher größten Boxveranstaltungen und auch
der Kampf selbst wusste zu überzeugen.
## Wichtiger Strippenzieher
Die Trailer versprachen einen Mega-Kampf und dass zwei Boxer „aus
unterschiedlichen Ecken der Welt“ aufeinandertreffen – obwohl Mexiko und
USA direkte Nachbarn sind. Álvarez versuchte seine bewährte Taktik und ging
mit wuchtigen Haken und Kombinationen zum Kopf und Körper. Doch Crawford
blieb der bekannte Stratege und zirkelte um den Mexikaner herum, um mit
gezielten Treffern zu kontern. Die technische Meisterleistung brachte ihm
den Sieg, doch mit einem geschätzten Preisgeld von 200 Millionen US-Dollar
– 150 für Álvarez, 50 für Crawford – gibt es keine Verlierer. Nach dem
Urteil der Punktrichter fiel Crawford auch einem der wichtigsten
Strippenzieher im Ring um den Hals: [5][Turki al-Sheikh.]
Der saudi-arabische Sportfunktionär ist mittlerweile zum größten Namen
außerhalb des Rings avanciert und hat mit seinen nahezu unbegrenzten
finanziellen Mitteln die größten Kämpfe nach Saudi-Arabien geholt und in
den USA mitveranstaltet. Die Kooperation mit Netflix erweitert seine
Einflussnahme nur noch weiter. Damit treibt er auch das Sportswashing
weiter voran und verschleiert die Menschenrechtsverletzungen der absoluten
Monarchie Saudi-Arabiens. Dass Netflix damit autokratischen Kräften eine
Bühne gibt und deren Ziele aktiv fördert, scheint den Anbieter herzlich
wenig zu interessieren.
Al-Sheikh ist einer der größten Profiteure dieser neuen Expansion, die
fester Bestandteil von Netflix langfristiger Planung ist. Der Dienst
sicherte sich auch die nordamerikanischen Übertragungsrechte der nächsten
beiden Fußballweltmeisterschaften der Frauen und ausgewählte Spiele der
NFL, der weltweit größten American Football Liga. Bei letzterer setzt
Netflix jedoch nur auf ausgewählte Spiele um Weihnachten herum, da die
Übertragungsrechte mehrere Milliarden US-Dollar kosten, stark umkämpft sind
und mit hohen technischen Anforderungen einhergehen.
Der Streaming-Gigant plant ohnehin nicht, ganze Ligen einzukaufen oder
Sportarten zu dominieren, sondern will sich auf ausgewählte,
reichweitenstarke Events fokussieren und damit expandieren. Durch die
Reichweite von Netflix ergibt sich ein Wechselspiel mit der investierenden
Seite: Sportorganisationen und Promoter wissen um die Bedeutung, die
Netflix für das Marketing hat. Daher lagern sie Events gerne auf die
Plattform aus, um von dem überlebensgroßen Markennamen Netflix und dessen
Reichweite zu profitieren, bauen parallel dazu die Werbung massiv aus und
erschließen bestenfalls noch ein neues Publikum.
Durch die von Netflix vorangetriebene Expansion wird dem klassischen
PPV-Modell, das es in den USA seit den 1950er-Jahren gibt, der Kampf
angesagt. Die einmalige Zahlung für ein Sportevent, das man anschließend
live verfolgen kann, galt lange Zeit als alternativlos. Durch das Angebot
des Abonnements verschiedener Dienste wird es nun aufgeweicht. Der
Sport-Streaming-Dienst DAZN hatte diese Entwicklung bereits im Mainstream
für den Fußball angestoßen. Doch Netflix ist ein deutlich größerer Player
und kann in Verbindung mit seinem primären Unterhaltungsangebot auch ein
nicht sportaffines Publikum erreichen.
Allerdings muss sich Netflix für kommende Events technisch besser
aufstellen. Da viele Abonnements nur für ein spezifisches Sportevent
abgeschlossen werden, muss das Produkt einwandfrei sein. Noch ist die
Expansion in den Sport kein Knockout für Netflix, aber ein solider Sieg
nach Punkten.
15 Sep 2025
## LINKS
[1] /Boxen-ganz-oben/!6110177&s/
[2] /Showboxen-in-Texas/!6046976
[3] /WWE-Doku-Mr-McMahon-auf-Netflix/!6034935
[4] https://www.spiegel.de/sport/boxen/boxen-terence-crawford-besiegt-saul-cane…
[5] /Box-Comeback-von-Wladimir-Klitschko/!6052814
## AUTOREN
Martin Seng
## TAGS
Netflix
Sport
Boxen
Kampfsport
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne Frühsport
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