| # taz.de -- Uni-Klinik ohne Stadtbahnanschluss: Trouble um die Tram | |
| > Die Medizinische Hochschule Hannover soll einen großen, teuren Neubau | |
| > kriegen. Doch beim Stadtbahnanschluss haben sich Land und Region | |
| > verzankt. | |
| Bild: Erstens hässlich, zweitens marode: Teile der alten Medizinischen Hochsch… | |
| Hannover taz | Es ist ja nicht so, dass man hier nicht groß denken würde: | |
| „Eine der modernsten Uni-Kliniken Europas“ soll entstehen, ein „Hannover | |
| Health Science Campus für die Medizin der Zukunft“ – so jedenfalls klingt | |
| das in der schnörkeligen Pressemitteilungsprosa, die [1][die Medizinische | |
| Hochschule Hannover (MHH)] und das niedersächsische | |
| Wissenschaftsministerium (MWK) verwenden, wenn mal wieder ein Meilenstein | |
| bei diesem Mammutprojekt erreicht ist. | |
| Die Medizinische Hochschule Hannover ist als Klinik und | |
| Forschungseinrichtung unbestreitbar eine der wichtigsten Einrichtungen des | |
| Landes. Sie beschäftigt (nach eigenen Angaben) rund 8.600 Menschen, hat | |
| 1.520 Betten und behandelt rund 54.000 Patienten im Jahr stationär und | |
| weitere 285.000 ambulant. | |
| Doch ihre Gebäude stammen zum großen Teil aus den 1960er-Jahren, was | |
| bedeutet, dass sie erstens hässlich und zweitens marode sind. Schon seit | |
| Jahren wird deshalb über einen Neubau diskutiert. 1,05 Milliarden Euro hat | |
| das Land [2][Niedersachsen dafür in einem Sondervermögen] bereitgestellt – | |
| mit der gleichen Summe wird die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) | |
| bedacht. | |
| 2019 gab man nach rund zehn Jahren Diskussion bekannt: Es soll einen Neubau | |
| auf einem 16 Hektar großen Baufeld nördlich des jetzt bestehenden | |
| Klinikgeländes geben. Pläne, das Klinikum auf dem alten Gelände Stück für | |
| Stück abzureißen und neu zu bauen, wurden damit ad acta gelegt. | |
| ## Löst ein Shuttlebus das Problem? | |
| Daraus, mahnte die Region Hannover schon damals, ergeben sich aber ein paar | |
| Probleme für den Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr. Die sind bis | |
| heute nicht wirklich gelöst. Stattdessen haben sich Fronten gebildet: MHH | |
| und Land auf der einen, Stadt und Region Hannover auf der anderen Seite. | |
| Beide Seiten versuchen nun mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln | |
| Fakten zu schaffen. | |
| Bisher führt die Stadtbahnlinie 4 direkt an das MHH-Gelände. Eine weitere | |
| Haltestelle – an der auch noch ein paar mehr Busse fahren – ist 220 Meter | |
| vom südlichen Zipfel des Geländes entfernt. Das Erweiterungsgelände | |
| befindet sich allerdings nord-westlich des aktuellen Geländes. Dort gab es | |
| bisher nur Brachflächen und Kleingärten. | |
| Um von der alten Haltestelle dahin zu transportieren, schlugen die | |
| MHH-Vorstände vor, könnte man doch Shuttlebusse einsetzen. [3][Vielleicht | |
| ja sogar autonom fahrende] wie an der Charité. | |
| Stadt und Region halten das für einigermaßen irre: In den Spitzenzeiten | |
| steigen an der Station bis zu 250 Menschen auf einmal aus – wie viele | |
| Kleinbusse will man denn einsetzen? Das Umsteigen stellt zudem für viele | |
| eine Barriere dar – zumal die geplante Haltestelle für den Shuttlebus auch | |
| noch 200 Meter von der Tramstation entfernt ist. | |
| Das, befürchten die kommunalen Verkehrsplaner, führt am Ende dann eben | |
| dazu, dass die Leute lieber ins Auto steigen. Parkhäuser sind in den | |
| Planungen der MHH ja an jeder Ecke vorgesehen. | |
| Es gibt allerdings noch einen Grund, warum die örtliche Politik und | |
| Verwaltung ziemlich scharf darauf ist, lieber eine neue Bahntrasse zu | |
| bauen. Das könnte nämlich der erste Baustein für eine Ringlinie sein. | |
| Hannovers Stadtbahnsystem ist bisher sternförmig angelegt, was den Nachteil | |
| hat, dass man eigentlich immer erst in die Innenstadt und dann wieder | |
| hinausfahren muss. Die Querverbindungen zwischen benachbarten Stadtteilen | |
| mit Bussen funktionieren eher schlecht als recht. | |
| Nun gäbe es hier die Gelegenheit, eine Querverbindung zwischen zwei | |
| hochfrequentierten Linien zu schaffen und gleich noch die MHH optimal | |
| anzubinden. So gute Werte bei der Wirtschaftlichkeit einer Strecke habe er | |
| noch nie gesehen, erklärt Ulf-Birger Franz, der seit 15 Jahren | |
| Verkehrsdezernent der Region ist. Um eine Förderung von Bund und Land zu | |
| erhalten, muss für neue Linien eine Kosten-Nutzen-Analyse vorgelegt werden, | |
| die beweist, dass diese volkswirtschaftlich sinnvoll sind. In diesem Fall | |
| rechnet die Region mit 1.600 Fahrgästen pro Werktag und Kosten von 118 | |
| Millionen Euro. | |
| ## Sorge um medizinische Geräte | |
| Zwei Varianten, die einen weiteren Bogen um das MHH-Gelände schlagen und | |
| damit den Campus nicht so sehr zerschneiden,wie es die MHH befürchtet, | |
| stehen zahlenmäßig etwas ungünstiger da, wären aber wirtschaftlich auch | |
| noch vertretbar. Der Widerstand von MHH und Land gegen die von der | |
| Kommunalpolitik favorisierte Streckenführung stützt sich aber nicht nur auf | |
| dieses Campus-Argument. | |
| Die MHH führt außerdem die Sorge ins Feld, dass ihre empfindlichen | |
| medizinischen Geräte durch die Erschütterungen und elektromagnetischen | |
| Schwingungen beeinträchtigt werden. Dazu gibt es auch ein entsprechendes | |
| Gutachten. Stadt und Region haben daraufhin ein eigenes Gutachten in | |
| Auftrag gegeben, das zu dem Schluss kommt, dass sich dieses Risiko mit | |
| einigen Abschirmungsmaßnahmen praktisch ausschließen lässt. | |
| Dieser Konflikt schwelt nun schon einige Zeit vor sich hin. Zuletzt hat er | |
| aber noch einmal Fahrt aufgenommen. Das, obwohl alle Beteiligten immer | |
| wieder betonen, man sei weiter im Gespräch und obwohl die politisch | |
| Verantwortlichen, Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) und | |
| Regionspräsident Steffen Krach (SPD), aus derselben Partei kommen. | |
| ## Nicht genug Platz für eine Stadtbahn | |
| Zuletzt registrierten Stadt und Region aufgeschreckt, dass bei den aktuell | |
| vorliegenden Entwürfen der beiden von der MHH beauftragten Architekturbüros | |
| gar nicht mehr genug Platz für eine Stadtbahn wäre. | |
| Der „Stadtfelddamm“, auf dem sie fahren sollte, ist nämlich für Zufahrten | |
| und Transportwege verplant worden. Abstände, von denen man bei Stadt und | |
| Region glaubte, dass sie fest vereinbart waren, wurden dabei unterlaufen. | |
| Bevor hier jetzt also Fakten geschaffen werden, wollen Stadt und Region | |
| lieber selbst welche schaffen. Die Stadt plant, den Bebauungsplan so zu | |
| ändern, dass neben dem Stadtfelddamm ein Korridor von zwölf Metern | |
| freizuhalten ist. Die Region bereitet derweil die Freigabe weiterer | |
| Planungsmittel vor, um die Detailplanung vorantreiben zu können. | |
| Für die MHH, beschwören beide, entstünden dadurch gar keine großen | |
| Probleme. Man könne die bisherige Planung einfach um zwölf Meter nach | |
| Westen versetzen, auf dem Baufeld sei genug Platz. | |
| ## Grollende Stellungnahmen | |
| Das liest sich in den ersten grollenden Stellungnahmen aus MHH und MWK | |
| allerdings ein wenig anders: „Aus Sicht des MWK hat eine möglichst schnelle | |
| Inbetriebnahme des Neubaus Priorität. Das ergibt sich schon aus dem | |
| baulichen Zustand der Bestandsgebäude. Eine Neuplanung würde die Eröffnung | |
| absehbar verzögern sowie erhebliche Mehrkosten bedeuten und wird daher | |
| abgelehnt.“ | |
| Dieser Zeitdruck ist möglicherweise der eigentliche Schmerzpunkt für die | |
| MHH. Ursprünglich hätte das Mammutprojekt ja längst im Bau sein sollen. Von | |
| einem Baubeginn 2021 war anfangs die Rede, mittlerweile heißt es, 2028 | |
| könnte es so weit sein. Und das auch nur für den ersten von drei | |
| Abschnitten, der 2032 in Betrieb gehen soll. | |
| Ärgerlicherweise – zumindest aus Sicht der Hannoveraner – liegt das | |
| praktisch zeitgleich gestartete zweite große Universitätsklinikprojekt in | |
| Göttingen erheblich besser im Zeitplan. | |
| 9 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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