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# taz.de -- Stadtautobahn-Ausbau in Hannover: Neues Schnellwegdrama, erster Akt
> Beim Ausbau des Westschnellwegs will man schlauer sein als beim
> Südschnellweg-Drama und hat Bürger:innen beteiligt. Die wollen lieber
> Verkehrswende.
Bild: Soll diesmal nicht passieren: Polizisten räumen das Protestcamp „Tümp…
Jetzt liegen sie also auf dem Tisch, die Empfehlungen des Bürgerrates zum
Westschnellweg. Nach dem endlosen Drama um den [1][katastrophalen Ausbau
des Südschnellweges] will man dieses Mal schlauer sein.
35 Bürger und Bürgerinnen, per Los bestimmt, sollten für eine kluge,
sachorientierte Auseinandersetzung sorgen und Lösungsvorschläge entwickeln,
die am Ende nicht [2][zu Dauerprotesten und Baumbesetzungen führen]. Und zu
einer gigantischen Stadtautobahn, die eigentlich keiner will.
Und siehe da: Offenbar finden solche Bürger Klimaschutz tatsächlich wichtig
und das Abholzen von Naherholungsgebieten nicht so gut. Sie wollen nicht,
dass hier zehn Jahre an einer doppelt so breiten Straße gearbeitet wird,
die am Ende nicht einmal einen Fahrstreifen mehr hat, sondern bloß einen
Standstreifen. Sie möchten, dass auch der öffentliche Nahverkehr und der
Rad- und Fußverkehr Berücksichtigung finden. Verrückt, wie grün die
klingen, diese Bürger.
Jetzt warten wir mal, wer als Erstes anfängt, den Auswahlprozess zu
bekritteln. Denn normalerweise ist es ja so: „Der Bürger“ oder „die Leut…
(in Redaktionskonferenzen früher gern auch „unsere Leser“) ist eigentlich
mehr so eine wabernde Figur im Kopf des Sprechers, die herangezogen wird,
um die eigene Position zu stärken und Ansprüche abzuwehren. Diese Figur
setzt sich zusammen aus irgendwelchen Leuten, mit denen man in der
vergangenen Zeit gesprochen hat. Oder von denen man Social-Media-Kommentare
gelesen hat.
Daraus formt sich dann ein Eindruck von „die Bürger wollen das so“, „das
verstehen die Leute nicht“ oder „das interessiert unsere Leser nicht“.
Wobei Zeitungen natürlich mittlerweile Klickzahlen auswerten können, was
aber auch noch nichts besser gemacht hat. Wenn jedenfalls diese ominösen
Bürger/Leute/Leser plötzlich keine amorphe Masse mehr sind, in die man
alles mögliche hineininterpretieren kann, wird das meistens schwierig. Das
kratzt auch oft sehr unangenehm an eigenen Gewissheiten.
Das Charmante an Bürgerräten ist, dass sie zumindest ansatzweise die Bubble
durchstechen und die üblichen Verdächtigen außen vor lassen. Hier sitzen
eben nicht die, die sich schon seit x Jahren mit dem Thema befassen und
eine klare Agenda haben.
## Die Wirtschaft fühlt sich nicht repräsentiert
Eine Schlagseite haben sie aber natürlich trotzdem: 2.000 zufällig gezogene
Personen aus den betroffenen Stadtteilen und der Umgebung wurden
angeschrieben. 95 bekundeten Interesse. Aus denen wurden wiederum 35
ausgelost. Man versucht dabei, eine Ausgewogenheit und Repräsentativität
nach Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Wohnort und Migrationshintergrund
herzustellen. Aber natürlich ist das oft nicht so leicht, weil manche
Gruppen dazu tendieren, sich lieber nicht zu Wort zu melden.
Nicht repräsentiert fühlte sich übrigens die Wirtschaft. Kaum lagen die
Empfehlungen auf dem Tisch, äußerte die IHK Kritik über die lokale Presse
und forderte einen eigenen Wirtschaftsrat. Und der ADAC hat
Sicherheitsbedenken: So eine Standspur erhöhe eben auch die Sicherheit für
Einsatzkräfte am Unfallort, heißt es.
Die Debatte ist also noch lange nicht am Ende. Und auch die zuständige
Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr übt sich im Erwartungsmanagement.
Man werde die Empfehlungen sorgsam prüfen und umsetzen, soweit es möglich
ist. Das könnte am Ende auch heißen: Man schreibt sehr ausführliche
Begründungen, warum das so leider alles nicht geht. Das ist ja neben der
wabernden Bürgerfigur die zweite Lieblingsfigur im politischen Diskurs: Wir
würden ja gern, aber wir können ja nicht. Vielleicht muss der Bürgerrat
dann doch noch auf den Baum.
11 Jul 2025
## LINKS
[1] /Teurer-Polizeieinsatz-in-Hannover/!6031746
[2] /Raeumung-des-Protestcamps-bei-Hannover/!5986403
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Autos
Verkehrspolitik
Hannover
Kolumne Provinzhauptstadt
Repression
Schwerpunkt Klimaproteste
Schwerpunkt Klimawandel
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