| # taz.de -- Neonazis, Soldaten und Polizisten: Das radikale Netzwerk des Johann… | |
| > Bei Hannover treibt ein Neonazi mutmaßlich eine Vernetzung einer | |
| > paramilitärischen Gruppe voran. Die Behörden ließen den „Nordbund“ lan… | |
| > gewähren. Wie kann das sein? | |
| Bild: Spezialkräfte, Polizisten in zivil und ein Entschärfer: Durchsuchungen … | |
| Springe taz | Einen Tag [1][nach der großen Razzia] zeigt sich das | |
| Dorfleben in der 1.200-Seelen-Siedlung Altenhagen I, die zur Stadt Springe | |
| bei Hannover gehört, fast schon wieder unbeeindruckt. Ein Mann werkelt an | |
| seinem Wohnwagen, ein Pärchen spaziert über einen Feldweg an einer Anhöhe. | |
| Nur das Haus von Johannes K. trägt noch Spuren. Zwei Transporter einer | |
| regionalen Baufirma parken in der Einfahrt vor dem gelben, mit Mauern | |
| umzogenen Gebäudekomplex. Drei Handwerker sind dabei, die beschädigte | |
| Haustür zu reparieren. | |
| Auch Johannes K. lässt sich kurz blicken. Mit kurzen grauen Haaren steht er | |
| in Stoffhose und schwarzer Jacke vor der Garage, am Hals hat er | |
| Tätowierungen. Er hält zwei Hunde im Zaum, augenscheinlich Huskys, die an | |
| langen Leinen zerren. Das Kennzeichen des weißen SUV in der Einfahrt mit | |
| den Zahlen „8128“ gibt einen Hinweis darauf, mit wem man es hier zu tun | |
| hat: Die „81“ steht szeneintern als Code für die Rockerbande Hells Angels, | |
| die „28“ für die internationale Neonazi-Organisation Blood & Honour. | |
| Johannes K. ist nicht irgendwer, sondern wohl einer der gefährlichsten | |
| Neonazis des Landes. Einer mit langer politischer Vorgeschichte. | |
| Am Tag zuvor, Dienstag den 16. September, reihten sich hier vor dem | |
| Grundstück an der Landstraße zwischen Hannover und Hameln noch | |
| Mannschaftswagen der Polizei. Bilder zeigen vermummte Spezialkräfte und | |
| Polizisten in zivil, eine Hundeführerin, einen Uniformierten, auf dessen | |
| Jacke „Entschärfer“ steht. Auch zweihundert Meter die Straße herunter war… | |
| die Beamten bei einem Baumaschinenverleih von Alexander S. im Einsatz. | |
| Der großgewachsene Mann mit Glatze lebt inzwischen im | |
| nordrhein-westfälischen Hummersen bei Lügde. Auch dort erschienen | |
| Dienstagfrüh etwa 20 Beamte, um einen großen Hauskomplex zu durchsuchen, | |
| wie Anwohnende berichten. „Ganz freundlich“ sei der, erzählt einer, aber | |
| wegen seiner Statur und seinem kriminellen Ruf „auch furchteinflößend“. | |
| ## Rechtsradikale bewaffnete Gruppe unter Verdacht | |
| Johannes K., Alexander S. und sechs weiteren Beschuldigten im Alter von 32 | |
| bis 57 Jahren wird vorgeworfen, eine rechtsradikal ausgerichtete bewaffnete | |
| Gruppe gebildet zu haben. Die Hausdurchsuchungen vom 16. September fanden | |
| im Enzkreis in Baden-Württemberg und im Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen | |
| statt, sowie vor allem an zwölf Orten in und um Hannover – darunter auch in | |
| Johannes K.s Tattoo-Studio Last Resort in Hildesheim. | |
| Die Zentralstelle Terrorismusbekämpfung der Generalstaatsanwaltschaft Celle | |
| ermittelt mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen und sucht nach | |
| Kriegswaffen und vollautomatischen Schusswaffen. Waffen, die nach dem | |
| Kriegswaffenkontrollgesetz verboten wären, fanden die Ermittler am Dienstag | |
| nicht. Dafür stellten sie scharfe Kurz- und Langwaffen sicher, Munition | |
| unterschiedlichen Kalibers, Bargeld sowie, laut einer Mitteilung, | |
| „Gegenstände, die als Sprengmittel geeignet“ sind. Die | |
| Generalstaatsanwaltschaft Celle machte zu weiteren Hintergründen auf | |
| taz-Anfrage keine näheren Angaben. | |
| Die Gruppe, die die Terrorermittler hier im Visier haben, nennt sich selbst | |
| „Nordbund“. Als Erkennungszeichen haben sie ein Logo mit Thorshammer und | |
| Tiwazrune, ein germanisches Symbol für den Kriegsgott Tyr, das bereits die | |
| Nationalsozialisten verwendeten. Unter den aktuell Beschuldigten sind | |
| mindestens zwei aktive wie auch zwei ehemalige Soldaten und ein | |
| Bundespolizist. | |
| Nicht nur Johannes K., sondern auch weitere Männer aus dem Netzwerk haben | |
| Verbindungen zu der kriminellen Rockerbande Hells Angels und zur verbotenen | |
| Neonazi-Gruppe Blood & Honour. Und: Mehrere Namen von | |
| „Nordbund“-Mitgliedern und deren engem Umfeld tauchten bereits vor Jahren | |
| im Zusammenhang mit dem NSU-Terrornetzwerk als mögliche Unterstützer auf. | |
| Anklage wurde nicht erhoben. | |
| ## Antifa-Recherche bringt die Ermittlungen ins Rollen | |
| Allein die Aufzählung einer Verbindung aus Rockern, Neonazis, Militärs und | |
| Polizisten sollte aufhorchen lassen. Doch jahrelang blieb die Truppe | |
| weitgehend unbehelligt. Erst eine Antifabroschüre über das Netzwerk führte | |
| im März 2022 zur Befragung verdächtiger Soldaten in mehreren Kasernen durch | |
| den Militärgeheimdienst MAD und schob damit auch die aktuellen Ermittlungen | |
| an. Im Großraum Hannover scheint ein paramilitärisches Netzwerk krimineller | |
| Neonazis entstanden zu sein, das Verfassungsschutz und Polizei jahrelang | |
| ignorierten. | |
| Die taz hat sich vor Ort in Altenhagen I umgeschaut, mit Anwohner*innen | |
| gesprochen, Akten gelesen, Fotos verglichen und sich mit ortskundigen | |
| Kolleg*innen der [2][Hildesheimer Allgemeinen Zeitung] sowie der | |
| [3][Pforzheimer Zeitung] ausgetauscht. Und: Wir haben die | |
| Antifaschist*innen getroffen, die bereits vor Jahren vor dem | |
| „Nordbund“-Netzwerk warnten. | |
| Nach Informationen der taz handelt es sich bei dem aktuell beschuldigten | |
| Bundespolizisten um Oliver M. Er ist vor allem am Hauptbahnhof in | |
| Hildesheim sowie in Hannover im Einsatz. Zu seinen dienstlichen Aufgaben | |
| gehörte es unter anderem auch, Demonstrationen von anderen | |
| Rechtsextremisten abzusichern. Fotos zeigen ihn beispielsweise im März 2017 | |
| uniformiert – damals noch als sächsischer Landespolizist – am Rande eines | |
| Aufzugs des Magdeburger Pegida-Ablegers. | |
| Privat war der Polizist mit seinen „Nordbund“-Kameraden unterwegs, wie | |
| zahlreiche Fotos aus den sozialen Medien belegen, die der taz zugespielt | |
| wurden. Bei einem weiteren ehemaligen Soldaten soll es sich um Christian R. | |
| handeln, einen Personenschützer und Feldjäger aus Baden-Württemberg. Er | |
| soll mittlerweile suspendiert worden sein. | |
| ## Auf den Fotos ist auch der ehemalige Soldat Thomas W. | |
| Thomas W. wohnt ebenfalls in Altenhagen I. Sein Haus grenzt an das | |
| Firmengelände von Alexander S. Thomas W. ist ehemaliger Hauptfeldwebel der | |
| Bundeswehr und auf vielen Abbildungen in den sozialen Medien mit den | |
| Beschuldigten zu sehen. Womöglich waren die Polizisten am Dienstag auch bei | |
| ihm? Im Gespräch mit der taz macht er am Telefon dazu keine Angaben, | |
| verneint das auf mehrfache Nachfrage aber auch nicht. | |
| W. sagt, er habe seit etwa sechs Jahren keinen Kontakt mehr zu Johannes K. | |
| und seinem Nachbarn Alexander S. gehabt. Und früher? „Man geht zusammen | |
| wandern, trinkt Bier zusammen“, sagt der ehemalige Soldat. „Dann erzählt | |
| einem keiner: ‚Ich habe das und das in meinem Schrank versteckt.‘ Und wenn | |
| man solche Sachen mitbekommt, dann distanziert man sich oder halt nicht.“ | |
| Hört man sich weiter in Altenhagen I um, so haben die Razzien in der | |
| Siedlung zwar für Aufregung gesorgt, aber wirklich überrascht haben sie | |
| wohl niemanden. Die Clique der kräftigen Männer ist hier durchaus | |
| berüchtigt. Nicht für ihre rechtsextreme Ideologie, wohl aber im | |
| Zusammenhang mit Wohnwagenprostitution, von der bekannt ist, dass sie in | |
| dieser Region in der Hand der Hells Angels ist. Dass die Männer um K. | |
| kriminell seien, das wussten alle, so reden die Anwohner. | |
| Der mutmaßliche Kopf des „Nordbunds“ ist Johannes K., der tätowierte Mann | |
| mit den Hunden und dem Auto mit dem markanten Nummernschild in der | |
| Einfahrt. Dass es in der vergangenen Woche bei ihm erstmals eine größere | |
| Razzia im Rahmen struktureller Ermittlungen gab, ist umso bemerkenswerter, | |
| je mehr man sich mit ihm beschäftigt. | |
| ## Scharfschütze, Reservist und Neonazi | |
| K. genoss eine Scharfschützenausbildung bei der Bundeswehr, war | |
| Panzergrenadier, Söldner und Reservist. Im Rahmen der Combat & Survival | |
| School und Warrior Survival School mit Sitz in Hildesheim und Munster | |
| veranstaltete er bis vor ein paar Jahren Kampf- und Schießtrainings, | |
| paramilitärische Übungen im Gelände und Scharfschützenausbildungen für | |
| Soldaten, Reservisten und „Interessierte“. | |
| Auf Fotos dieser Wehrsportübungen sind zu sehen: organisierte Neonazis von | |
| nah und fern. Die Übungen fanden teilweise auf einem Truppenübungsplatz in | |
| der Lüneburger Heide bei Munster statt. Dort betrieb K. auch jahrelang das | |
| Ladengeschäft Dezentral, das militärische Ausrüstung „von Soldaten für | |
| Soldaten“ anbot und einen Rabatt für Behörden anbot. | |
| Der taz liegen Belege vor, dass Ermittler im Jahr 2011 davon ausgingen, | |
| dass K. Vollmitglied der Rockerbande Hells Angels ist. | |
| Vor allem war Johannes K. nach taz-Recherchen vermutlich über lange Jahre | |
| einer der wesentlichen Strippenzieher der seit dem Jahr 2000 verbotenen | |
| Neonazi-Vereinigung Blood & Honour in Deutschland. Diese Einschätzung geben | |
| mehrere Experten gegenüber der taz ab, die Johannes K. seit Jahren | |
| beobachten. International vertreibt die Organisation Blood & Honour bis | |
| heute Rechtsrockmusik, Merchandise und veranstaltet Neonazi-Konzerte, die | |
| zur Rekrutierung dienen. | |
| Die inzwischen in Deutschland verbotene Vereinigung Blood & Honour galt als | |
| zentrale Unterstützungsstruktur für die NSU-Terroristen. Sie war und ist | |
| ausgerichtet auf einen militanten Kampf für eine imaginierte „weiße Rasse�… | |
| In Schriften der international weiterhin tätigen Organisation wird unter | |
| anderem zu dezentralen Attentaten und Anschlägen aufgerufen. Unter anderem | |
| heißt es in einem Buch von Blood & Honour:,,Unsere revolutionäre Bewegung | |
| sollte sich darauf konzentrieren, politische Soldaten zu rekrutieren, die | |
| bereit sind, auch wirklich zu kämpfen.“ | |
| ## Hinweise auf Kriegswaffen schon vor Jahren | |
| Im Jahr 2008 wird K. zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er die in | |
| Deutschland verbotene Organisation Blood & Honour unter anderem Namen | |
| weiterführte. Der taz liegen Belege vor, dass die Ermittler*innen | |
| bereits damals Hinweise darauf hatten, dass K. über Kriegswaffen verfügen | |
| und in Waffengeschäfte verwickelt sein könnte. Auch pflegten K. und seine | |
| Truppe Anfang der 2000er Jahre anscheinend gute Kontakte zu | |
| Ermittlungsbehörden: Über einen Mittelsmann erhielt K. offenbar von einer | |
| Polizistin die Information, dass man ihn aus dem gegenüberliegenden Haus | |
| observierte. | |
| Im Zusammenhang mit Blood & Honour taucht der Name Johannes K. auch | |
| explizit im Zuge von NSU-Ermittlungen auf. Zur Beweiserhebung wurde unter | |
| anderem dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, der von 2012 | |
| bis 2013 tagte, vom Bundesverteidigungsministerium der komplette | |
| Aktenbestand zu dem Soldaten Johannes K. übermittelt – viele hundert Seiten | |
| an Dokumenten, von der Personalakte bis zu Disziplinarverfahren. | |
| Demnach wurde K. 2011 sein Dienstgrad aberkannt, nachdem das ZDF-Magazin | |
| „Frontal 21“ 2008 über die Verbindungen von Blood & Honour zu Soldaten und | |
| Reservisten berichtet hatte. Auch flog er danach aus dem | |
| Reservistenverband. Angeblich erhielt die Bundeswehr durch den | |
| Fernsehbericht erstmals Kenntnis von K.s rechtsextremer Gesinnung. | |
| K. ist dabei nicht der einzige aus der Clique mit mutmaßlichen Verbindungen | |
| zum NSU-Terrornetzwerk. Der Name eines Kameraden stand in der Kontaktliste | |
| des Telefons der Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Auch über den | |
| verurteilten NSU-Unterstützer Holger Gerlach sind Kontakte zu der Truppe um | |
| Johannes K. bekannt: Mindestens einmal besuchte Gerlach ein Treffen von | |
| Blood & Honour in Hildesheim und wurde als Ehrengast gefeiert. | |
| ## Ein Netzwerk aus Soldaten, Rockern, Neonazis und Polizisten | |
| Um K. und den „Nordbund“ herum spannt sich ein Netz aus Verbindungen zu | |
| Soldaten und Polizisten in die bundesweite und auch internationale | |
| Neonazi-Szene, zur verbotenen völkischen „Artgemeinschaft“, zum ehemaligen | |
| Anführer der 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei, | |
| Thorsten Heise, zur organisierten Kriminalität sowie ins Unternehmermilieu | |
| der Region. | |
| Zu diesem Milieu gehört auch der Anwalt Marcus Bartscht aus Hannover. Er | |
| hat bereits einige „Nordbund“-Mitglieder vertreten – ebenso wie einen | |
| Neonazi aus Hannover, der sich laut Antifarecherchen im Umfeld der Gruppe | |
| bewegt und sehr gut mit dem verurteilten NSU-Unterstützer Holger Gerlach | |
| befreundet sein soll. Eine Krankenkassenkarte der Ehefrau des | |
| Bartscht-Mandanten wurde von der Rechtsterroristin Beate Zschäpe benutzt. | |
| Doch Bartscht ist nicht einfach nur als Rechtsanwalt für die Clique tätig, | |
| sondern auch geschäftlich mit zwei Männern verbandelt gewesen, die sich in | |
| den sozialen Medien auf vielen Fotos als Teil der Truppe um Johannes K. | |
| zeigten. 2022 gründete er mit ihnen und einem weiteren Mann eine | |
| haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft für Künstlervermarktung und | |
| Mediendienstleistungen, die bereits wenige Monate später wieder aufgelöst | |
| wurde. | |
| Gegenüber dem [4][Nachrichtenportal t-online erklärte er auf Anfrage], der | |
| „Nordbund“ sei nie nach außen tätig gewesen oder in Erscheinung getreten | |
| und seit mehreren Jahren aufgelöst. Zu den Durchsuchungen mutmaßt er: „Es | |
| wird vermutet, dass persönliche Motive im Spiel sind, die zu falschen | |
| Verdächtigungen geführt haben könnten.“ Genaues lasse sich erst nach | |
| gewährter Akteneinsicht sagen. | |
| Gegenüber der taz erklärte Bartscht: „Nach meinen Recherchen handelte es | |
| sich beim,Nordbund' nicht um eine politische Organisation.“ Gleichsam | |
| vertrete er weder Johannes K. noch Christian R. in dieser Angelegenheit. Er | |
| selbst habe mit der Gruppe nichts zu tun. „Dass es den Nordbund einmal | |
| gegeben hat, habe ich erst ganz erheblich nach dessen Auflösung | |
| mitbekommen.“ Seine Kenntnisse dazu hätten sich aus seiner anwaltlichen | |
| Tätigkeit ergeben, involviert sei er nicht gewesen. | |
| ## Treffen mit Antifa-Rechercheuren an geheimem Ort | |
| Das meiste, was heute zu Johannes K., der Gruppe „Nordbund“ und seinem | |
| Umfeld bekannt ist und bislang in den Medien veröffentlicht wurde, basiert | |
| auf einer Broschüre, die im November 2021 von einer antifaschistischen | |
| Recherchegruppe veröffentlicht wurde. Sie hat die Ermittlungen erst | |
| ausgelöst. Auf 64 Seiten reihen sich Namen, biografische Fakten, | |
| Jahreszahlen und Beweisfotos. Die Broschüre gehört wohl zu den | |
| akribischsten Recherchen, die bisher ehrenamtlich aus der Zivilgesellschaft | |
| entstanden ist. | |
| Will man die Autor*innen kennenlernen, fordern sie Sicherheitsmaßnahmen | |
| ein. Die Kommunikation kann nur verschlüsselt über E-Mail und Messenger | |
| laufen. Niemand soll erfahren, wer sie sind, wie viele zum Team gehören, wo | |
| sie herkommen. Leute wie Johannes K., mit denen sie sich bei ihrer | |
| Recherche beschäftigen, seien unberechenbar, erklären sie. Und: Die | |
| Broschüre zog nicht nur Ermittlungen gegen die Rechtsextremisten nach sich, | |
| sondern auch in Richtung der Autor*innen: Sie haben alle Schlüsselpersonen | |
| in ihrer Broschüre mit vollem Namen benannt. | |
| Wir treffen die Autor*innen in der vergangenen Woche in einer | |
| mittelgroßen Stadt an einem geheimen Ort. Es gibt Leitungswasser und viel | |
| Filterkaffee. Sie brennen für die Recherche zu Johannes K. und dem | |
| „Nordbund“. Seit fast einem Jahrzehnt säßen sie nun an diesem Thema, | |
| berichten sie. | |
| ## Gruppenfotos vor Hakenkreuz | |
| K. und seine Bande waren über viele Jahre hinweg nicht gerade vorsichtig. | |
| Sie posteten über ihre Treffen in den sozialen Medien, stellten | |
| Gruppenbilder ins Netz, auf denen sie in „Nordbund“-T-Shirts posieren, und | |
| von Wanderungen, in denen bärtige Männer vor historischen Steinhaufen | |
| stehen, die mit Hakenkreuzen verziert sind. Auch ein olivgrüner | |
| Geländewagen mit Forstabzeichen und „Nordbund“-Logo auf der Tür wird | |
| präsentiert. K. versteckte weder sich noch seine Aktivitäten. | |
| „Das ist für uns eine der großen Fragen, die wir bis heute haben“, sagt | |
| eine*r der Antifa-Rechercheure*innen: „Warum Johannes K. so lange | |
| unbehelligt blieb.“ | |
| Noch im Oktober 2022 erklärte [5][die Niedersächsische Landesregierung auf | |
| Anfrage der Grünen]: „Der Polizei Niedersachsen liegen keine eigenen | |
| Erkenntnisse zu einer Neonazi-Gruppe ‚Nordbund‘ vor.“ Dass es sich beim | |
| „Nordbund“ um eine rechtsextremistische Vereinigung handeln könnte, dazu | |
| lägen auch dem Verfassungsschutz keine Anhaltspunkte vor. Und ermittelt | |
| wurde zu jenem Zeitpunkt offenbar ebenfalls noch nicht. Selbst eine | |
| eigenständige Gruppe Blood & Honour Niedersachsen war laut Landesregierung | |
| angeblich 2022 „bislang nicht bekannt“ – obwohl diese Jahre zuvor in den | |
| eigenen Verfassungsschutzberichten auftauchte. | |
| ## Was machte Johannes K. in Südafrika? | |
| Tatsächlich hätte der Name von Johannes K. den Sicherheitsbehörden, dem MAD | |
| oder dem BND seit Jahrzehnten bekannt sein müssen. Schon 1993, nach seiner | |
| Zeit als Bundeswehrsoldat, reiste K. nach Südafrika. Zu jener Zeit kämpften | |
| weiße rassistische Farmer dort für die „weiße Vorherrschaft“ und wurden | |
| dabei auch von deutschen Neonazis unterstützt. Die rassistische Afrikaner | |
| Weerstandsbeweging verübte Mord- und Bombenanschläge. | |
| Was K. in dieser Zeit in Südafrika trieb, ist nicht bekannt. Belegt sind | |
| Kontakte zu mindestens einem gut vernetzten und bewaffneten Neonazi in | |
| Pretoria. Der taz liegt ein Vernehmungsprotokoll aus einem deutschen | |
| Ermittlungsverfahren vor, in dem ein Beschuldigter auch über K.s Zeit in | |
| Südafrika spricht. Laut seiner Aussagen sei bekannt gewesen, dass K. in | |
| Südafrika mit Waffen herumgelaufen sei und in Haft saß, weil er für die | |
| Apartheid gekämpft hatte. | |
| Das ist Jahrzehnte her. Johannes K. machte seitdem in Deutschland weiter, | |
| veranstaltete paramilitärische Trainings, organisierte rechte Treffpunkte | |
| und Rechtsrock-Konzerte, war mutmaßlich in Waffengeschäfte verwickelt, und | |
| er radikalisierte Mitstreiter. Ohne dass die Behörden ihn aufhielten. | |
| ## Militärgeheimdienst ermittelt gegen Feldjäger | |
| Ernsthafte, strukturierte Ermittlungen gegen K. und sein Umfeld jedenfalls | |
| begannen erst [6][im März 2022, rund vier Monate nach Veröffentlichung der | |
| umfangreichen Antifarecherche]. Der Militärgeheimdienst MAD hatte | |
| anscheinend auf den Fotos in der Broschüre zehn Soldaten erkannt, darunter | |
| mehrere Personenschützer der Feldjäger, die unter anderem im | |
| Verteidigungsministerium für den Schutz von Staatssekretären und Generälen | |
| eingesetzt wurden. | |
| Befragungen fanden dann vor allem im Raum Hannover statt, wobei der | |
| Militärgeheimdienst dazu wiederum Feldjäger zur Absicherung mitnahm, da die | |
| Mitglieder des Netzwerks aktive Kampfsportler seien und „ein hohes | |
| Aggressionspotenzial“ hätten. Ein Mann, den der MAD auf dem Fliegerhorst | |
| Wunstorf wegen seiner „Nordbund“-Aktivitäten befragte, soll der Präsident | |
| eines Rockerclubs sein, der als Vorfeldorganisation der Hells Angels | |
| fungiert. Drei Ermittlungsverfahren wurden nach den MAD-Befragungen | |
| eingeleitet. | |
| [7][Erst Monate später wurden die MAD-Ermittlungen überhaupt öffentlich | |
| bekannt]: Denn einer der Feldjäger, der die Befragungen seiner Kameraden | |
| hatte absichern müssen, zeigte an, eventuell illegal im Inland eingesetzt | |
| worden zu sein. [8][Alles war rechtmäßig, wie die Staatsanwaltschaft später | |
| klarstellte]. | |
| Politiker von CDU und AfD witterten jedoch einen Skandal. Wohlgemerkt: | |
| Wegen des Einsatzes des Feldjägers, und nicht etwa wegen möglicher | |
| neonazistischer Netzwerke in der Bundeswehr und der Polizei. | |
| Sie haben Hinweise zu rechten Netzwerken oder anderen Missständen? Schicken | |
| Sie uns Ihre Hinweise! Direkte Kontaktdaten des Investigativteams der taz | |
| finden Sie unter [9][taz.de/investigativ] | |
| 25 Sep 2025 | |
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| [2] https://www.hildesheimer-allgemeine.de/ | |
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| [4] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100916816/r… | |
| [5] https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_12500/11501… | |
| [6] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/id_10… | |
| [7] /Razzia-gegen-rechtsextreme-Soldaten/!5877862 | |
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