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# taz.de -- Neonazis, Soldaten und Polizisten: Das radikale Netzwerk des Johann…
> Bei Hannover treibt ein Neonazi mutmaßlich eine Vernetzung einer
> paramilitärischen Gruppe voran. Die Behörden ließen den „Nordbund“ lan…
> gewähren. Wie kann das sein?
Bild: Spezialkräfte, Polizisten in zivil und ein Entschärfer: Durchsuchungen …
Springe taz | Einen Tag [1][nach der großen Razzia] zeigt sich das
Dorfleben in der 1.200-Seelen-Siedlung Altenhagen I, die zur Stadt Springe
bei Hannover gehört, fast schon wieder unbeeindruckt. Ein Mann werkelt an
seinem Wohnwagen, ein Pärchen spaziert über einen Feldweg an einer Anhöhe.
Nur das Haus von Johannes K. trägt noch Spuren. Zwei Transporter einer
regionalen Baufirma parken in der Einfahrt vor dem gelben, mit Mauern
umzogenen Gebäudekomplex. Drei Handwerker sind dabei, die beschädigte
Haustür zu reparieren.
Auch Johannes K. lässt sich kurz blicken. Mit kurzen grauen Haaren steht er
in Stoffhose und schwarzer Jacke vor der Garage, am Hals hat er
Tätowierungen. Er hält zwei Hunde im Zaum, augenscheinlich Huskys, die an
langen Leinen zerren. Das Kennzeichen des weißen SUV in der Einfahrt mit
den Zahlen „8128“ gibt einen Hinweis darauf, mit wem man es hier zu tun
hat: Die „81“ steht szeneintern als Code für die Rockerbande Hells Angels,
die „28“ für die internationale Neonazi-Organisation Blood & Honour.
Johannes K. ist nicht irgendwer, sondern wohl einer der gefährlichsten
Neonazis des Landes. Einer mit langer politischer Vorgeschichte.
Am Tag zuvor, Dienstag den 16. September, reihten sich hier vor dem
Grundstück an der Landstraße zwischen Hannover und Hameln noch
Mannschaftswagen der Polizei. Bilder zeigen vermummte Spezialkräfte und
Polizisten in zivil, eine Hundeführerin, einen Uniformierten, auf dessen
Jacke „Entschärfer“ steht. Auch zweihundert Meter die Straße herunter war…
die Beamten bei einem Baumaschinenverleih von Alexander S. im Einsatz.
Der großgewachsene Mann mit Glatze lebt inzwischen im
nordrhein-westfälischen Hummersen bei Lügde. Auch dort erschienen
Dienstagfrüh etwa 20 Beamte, um einen großen Hauskomplex zu durchsuchen,
wie Anwohnende berichten. „Ganz freundlich“ sei der, erzählt einer, aber
wegen seiner Statur und seinem kriminellen Ruf „auch furchteinflößend“.
## Rechtsradikale bewaffnete Gruppe unter Verdacht
Johannes K., Alexander S. und sechs weiteren Beschuldigten im Alter von 32
bis 57 Jahren wird vorgeworfen, eine rechtsradikal ausgerichtete bewaffnete
Gruppe gebildet zu haben. Die Hausdurchsuchungen vom 16. September fanden
im Enzkreis in Baden-Württemberg und im Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen
statt, sowie vor allem an zwölf Orten in und um Hannover – darunter auch in
Johannes K.s Tattoo-Studio Last Resort in Hildesheim.
Die Zentralstelle Terrorismusbekämpfung der Generalstaatsanwaltschaft Celle
ermittelt mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen und sucht nach
Kriegswaffen und vollautomatischen Schusswaffen. Waffen, die nach dem
Kriegswaffenkontrollgesetz verboten wären, fanden die Ermittler am Dienstag
nicht. Dafür stellten sie scharfe Kurz- und Langwaffen sicher, Munition
unterschiedlichen Kalibers, Bargeld sowie, laut einer Mitteilung,
„Gegenstände, die als Sprengmittel geeignet“ sind. Die
Generalstaatsanwaltschaft Celle machte zu weiteren Hintergründen auf
taz-Anfrage keine näheren Angaben.
Die Gruppe, die die Terrorermittler hier im Visier haben, nennt sich selbst
„Nordbund“. Als Erkennungszeichen haben sie ein Logo mit Thorshammer und
Tiwazrune, ein germanisches Symbol für den Kriegsgott Tyr, das bereits die
Nationalsozialisten verwendeten. Unter den aktuell Beschuldigten sind
mindestens zwei aktive wie auch zwei ehemalige Soldaten und ein
Bundespolizist.
Nicht nur Johannes K., sondern auch weitere Männer aus dem Netzwerk haben
Verbindungen zu der kriminellen Rockerbande Hells Angels und zur verbotenen
Neonazi-Gruppe Blood & Honour. Und: Mehrere Namen von
„Nordbund“-Mitgliedern und deren engem Umfeld tauchten bereits vor Jahren
im Zusammenhang mit dem NSU-Terrornetzwerk als mögliche Unterstützer auf.
Anklage wurde nicht erhoben.
## Antifa-Recherche bringt die Ermittlungen ins Rollen
Allein die Aufzählung einer Verbindung aus Rockern, Neonazis, Militärs und
Polizisten sollte aufhorchen lassen. Doch jahrelang blieb die Truppe
weitgehend unbehelligt. Erst eine Antifabroschüre über das Netzwerk führte
im März 2022 zur Befragung verdächtiger Soldaten in mehreren Kasernen durch
den Militärgeheimdienst MAD und schob damit auch die aktuellen Ermittlungen
an. Im Großraum Hannover scheint ein paramilitärisches Netzwerk krimineller
Neonazis entstanden zu sein, das Verfassungsschutz und Polizei jahrelang
ignorierten.
Die taz hat sich vor Ort in Altenhagen I umgeschaut, mit Anwohner*innen
gesprochen, Akten gelesen, Fotos verglichen und sich mit ortskundigen
Kolleg*innen der [2][Hildesheimer Allgemeinen Zeitung] sowie der
[3][Pforzheimer Zeitung] ausgetauscht. Und: Wir haben die
Antifaschist*innen getroffen, die bereits vor Jahren vor dem
„Nordbund“-Netzwerk warnten.
Nach Informationen der taz handelt es sich bei dem aktuell beschuldigten
Bundespolizisten um Oliver M. Er ist vor allem am Hauptbahnhof in
Hildesheim sowie in Hannover im Einsatz. Zu seinen dienstlichen Aufgaben
gehörte es unter anderem auch, Demonstrationen von anderen
Rechtsextremisten abzusichern. Fotos zeigen ihn beispielsweise im März 2017
uniformiert – damals noch als sächsischer Landespolizist – am Rande eines
Aufzugs des Magdeburger Pegida-Ablegers.
Privat war der Polizist mit seinen „Nordbund“-Kameraden unterwegs, wie
zahlreiche Fotos aus den sozialen Medien belegen, die der taz zugespielt
wurden. Bei einem weiteren ehemaligen Soldaten soll es sich um Christian R.
handeln, einen Personenschützer und Feldjäger aus Baden-Württemberg. Er
soll mittlerweile suspendiert worden sein.
## Auf den Fotos ist auch der ehemalige Soldat Thomas W.
Thomas W. wohnt ebenfalls in Altenhagen I. Sein Haus grenzt an das
Firmengelände von Alexander S. Thomas W. ist ehemaliger Hauptfeldwebel der
Bundeswehr und auf vielen Abbildungen in den sozialen Medien mit den
Beschuldigten zu sehen. Womöglich waren die Polizisten am Dienstag auch bei
ihm? Im Gespräch mit der taz macht er am Telefon dazu keine Angaben,
verneint das auf mehrfache Nachfrage aber auch nicht.
W. sagt, er habe seit etwa sechs Jahren keinen Kontakt mehr zu Johannes K.
und seinem Nachbarn Alexander S. gehabt. Und früher? „Man geht zusammen
wandern, trinkt Bier zusammen“, sagt der ehemalige Soldat. „Dann erzählt
einem keiner: ‚Ich habe das und das in meinem Schrank versteckt.‘ Und wenn
man solche Sachen mitbekommt, dann distanziert man sich oder halt nicht.“
Hört man sich weiter in Altenhagen I um, so haben die Razzien in der
Siedlung zwar für Aufregung gesorgt, aber wirklich überrascht haben sie
wohl niemanden. Die Clique der kräftigen Männer ist hier durchaus
berüchtigt. Nicht für ihre rechtsextreme Ideologie, wohl aber im
Zusammenhang mit Wohnwagenprostitution, von der bekannt ist, dass sie in
dieser Region in der Hand der Hells Angels ist. Dass die Männer um K.
kriminell seien, das wussten alle, so reden die Anwohner.
Der mutmaßliche Kopf des „Nordbunds“ ist Johannes K., der tätowierte Mann
mit den Hunden und dem Auto mit dem markanten Nummernschild in der
Einfahrt. Dass es in der vergangenen Woche bei ihm erstmals eine größere
Razzia im Rahmen struktureller Ermittlungen gab, ist umso bemerkenswerter,
je mehr man sich mit ihm beschäftigt.
## Scharfschütze, Reservist und Neonazi
K. genoss eine Scharfschützenausbildung bei der Bundeswehr, war
Panzergrenadier, Söldner und Reservist. Im Rahmen der Combat & Survival
School und Warrior Survival School mit Sitz in Hildesheim und Munster
veranstaltete er bis vor ein paar Jahren Kampf- und Schießtrainings,
paramilitärische Übungen im Gelände und Scharfschützenausbildungen für
Soldaten, Reservisten und „Interessierte“.
Auf Fotos dieser Wehrsportübungen sind zu sehen: organisierte Neonazis von
nah und fern. Die Übungen fanden teilweise auf einem Truppenübungsplatz in
der Lüneburger Heide bei Munster statt. Dort betrieb K. auch jahrelang das
Ladengeschäft Dezentral, das militärische Ausrüstung „von Soldaten für
Soldaten“ anbot und einen Rabatt für Behörden anbot.
Der taz liegen Belege vor, dass Ermittler im Jahr 2011 davon ausgingen,
dass K. Vollmitglied der Rockerbande Hells Angels ist.
Vor allem war Johannes K. nach taz-Recherchen vermutlich über lange Jahre
einer der wesentlichen Strippenzieher der seit dem Jahr 2000 verbotenen
Neonazi-Vereinigung Blood & Honour in Deutschland. Diese Einschätzung geben
mehrere Experten gegenüber der taz ab, die Johannes K. seit Jahren
beobachten. International vertreibt die Organisation Blood & Honour bis
heute Rechtsrockmusik, Merchandise und veranstaltet Neonazi-Konzerte, die
zur Rekrutierung dienen.
Die inzwischen in Deutschland verbotene Vereinigung Blood & Honour galt als
zentrale Unterstützungsstruktur für die NSU-Terroristen. Sie war und ist
ausgerichtet auf einen militanten Kampf für eine imaginierte „weiße Rasse�…
In Schriften der international weiterhin tätigen Organisation wird unter
anderem zu dezentralen Attentaten und Anschlägen aufgerufen. Unter anderem
heißt es in einem Buch von Blood & Honour:,,Unsere revolutionäre Bewegung
sollte sich darauf konzentrieren, politische Soldaten zu rekrutieren, die
bereit sind, auch wirklich zu kämpfen.“
## Hinweise auf Kriegswaffen schon vor Jahren
Im Jahr 2008 wird K. zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er die in
Deutschland verbotene Organisation Blood & Honour unter anderem Namen
weiterführte. Der taz liegen Belege vor, dass die Ermittler*innen
bereits damals Hinweise darauf hatten, dass K. über Kriegswaffen verfügen
und in Waffengeschäfte verwickelt sein könnte. Auch pflegten K. und seine
Truppe Anfang der 2000er Jahre anscheinend gute Kontakte zu
Ermittlungsbehörden: Über einen Mittelsmann erhielt K. offenbar von einer
Polizistin die Information, dass man ihn aus dem gegenüberliegenden Haus
observierte.
Im Zusammenhang mit Blood & Honour taucht der Name Johannes K. auch
explizit im Zuge von NSU-Ermittlungen auf. Zur Beweiserhebung wurde unter
anderem dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, der von 2012
bis 2013 tagte, vom Bundesverteidigungsministerium der komplette
Aktenbestand zu dem Soldaten Johannes K. übermittelt – viele hundert Seiten
an Dokumenten, von der Personalakte bis zu Disziplinarverfahren.
Demnach wurde K. 2011 sein Dienstgrad aberkannt, nachdem das ZDF-Magazin
„Frontal 21“ 2008 über die Verbindungen von Blood & Honour zu Soldaten und
Reservisten berichtet hatte. Auch flog er danach aus dem
Reservistenverband. Angeblich erhielt die Bundeswehr durch den
Fernsehbericht erstmals Kenntnis von K.s rechtsextremer Gesinnung.
K. ist dabei nicht der einzige aus der Clique mit mutmaßlichen Verbindungen
zum NSU-Terrornetzwerk. Der Name eines Kameraden stand in der Kontaktliste
des Telefons der Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Auch über den
verurteilten NSU-Unterstützer Holger Gerlach sind Kontakte zu der Truppe um
Johannes K. bekannt: Mindestens einmal besuchte Gerlach ein Treffen von
Blood & Honour in Hildesheim und wurde als Ehrengast gefeiert.
## Ein Netzwerk aus Soldaten, Rockern, Neonazis und Polizisten
Um K. und den „Nordbund“ herum spannt sich ein Netz aus Verbindungen zu
Soldaten und Polizisten in die bundesweite und auch internationale
Neonazi-Szene, zur verbotenen völkischen „Artgemeinschaft“, zum ehemaligen
Anführer der 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei,
Thorsten Heise, zur organisierten Kriminalität sowie ins Unternehmermilieu
der Region.
Zu diesem Milieu gehört auch der Anwalt Marcus Bartscht aus Hannover. Er
hat bereits einige „Nordbund“-Mitglieder vertreten – ebenso wie einen
Neonazi aus Hannover, der sich laut Antifarecherchen im Umfeld der Gruppe
bewegt und sehr gut mit dem verurteilten NSU-Unterstützer Holger Gerlach
befreundet sein soll. Eine Krankenkassenkarte der Ehefrau des
Bartscht-Mandanten wurde von der Rechtsterroristin Beate Zschäpe benutzt.
Doch Bartscht ist nicht einfach nur als Rechtsanwalt für die Clique tätig,
sondern auch geschäftlich mit zwei Männern verbandelt gewesen, die sich in
den sozialen Medien auf vielen Fotos als Teil der Truppe um Johannes K.
zeigten. 2022 gründete er mit ihnen und einem weiteren Mann eine
haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft für Künstlervermarktung und
Mediendienstleistungen, die bereits wenige Monate später wieder aufgelöst
wurde.
Gegenüber dem [4][Nachrichtenportal t-online erklärte er auf Anfrage], der
„Nordbund“ sei nie nach außen tätig gewesen oder in Erscheinung getreten
und seit mehreren Jahren aufgelöst. Zu den Durchsuchungen mutmaßt er: „Es
wird vermutet, dass persönliche Motive im Spiel sind, die zu falschen
Verdächtigungen geführt haben könnten.“ Genaues lasse sich erst nach
gewährter Akteneinsicht sagen.
Gegenüber der taz erklärte Bartscht: „Nach meinen Recherchen handelte es
sich beim,Nordbund' nicht um eine politische Organisation.“ Gleichsam
vertrete er weder Johannes K. noch Christian R. in dieser Angelegenheit. Er
selbst habe mit der Gruppe nichts zu tun. „Dass es den Nordbund einmal
gegeben hat, habe ich erst ganz erheblich nach dessen Auflösung
mitbekommen.“ Seine Kenntnisse dazu hätten sich aus seiner anwaltlichen
Tätigkeit ergeben, involviert sei er nicht gewesen.
## Treffen mit Antifa-Rechercheuren an geheimem Ort
Das meiste, was heute zu Johannes K., der Gruppe „Nordbund“ und seinem
Umfeld bekannt ist und bislang in den Medien veröffentlicht wurde, basiert
auf einer Broschüre, die im November 2021 von einer antifaschistischen
Recherchegruppe veröffentlicht wurde. Sie hat die Ermittlungen erst
ausgelöst. Auf 64 Seiten reihen sich Namen, biografische Fakten,
Jahreszahlen und Beweisfotos. Die Broschüre gehört wohl zu den
akribischsten Recherchen, die bisher ehrenamtlich aus der Zivilgesellschaft
entstanden ist.
Will man die Autor*innen kennenlernen, fordern sie Sicherheitsmaßnahmen
ein. Die Kommunikation kann nur verschlüsselt über E-Mail und Messenger
laufen. Niemand soll erfahren, wer sie sind, wie viele zum Team gehören, wo
sie herkommen. Leute wie Johannes K., mit denen sie sich bei ihrer
Recherche beschäftigen, seien unberechenbar, erklären sie. Und: Die
Broschüre zog nicht nur Ermittlungen gegen die Rechtsextremisten nach sich,
sondern auch in Richtung der Autor*innen: Sie haben alle Schlüsselpersonen
in ihrer Broschüre mit vollem Namen benannt.
Wir treffen die Autor*innen in der vergangenen Woche in einer
mittelgroßen Stadt an einem geheimen Ort. Es gibt Leitungswasser und viel
Filterkaffee. Sie brennen für die Recherche zu Johannes K. und dem
„Nordbund“. Seit fast einem Jahrzehnt säßen sie nun an diesem Thema,
berichten sie.
## Gruppenfotos vor Hakenkreuz
K. und seine Bande waren über viele Jahre hinweg nicht gerade vorsichtig.
Sie posteten über ihre Treffen in den sozialen Medien, stellten
Gruppenbilder ins Netz, auf denen sie in „Nordbund“-T-Shirts posieren, und
von Wanderungen, in denen bärtige Männer vor historischen Steinhaufen
stehen, die mit Hakenkreuzen verziert sind. Auch ein olivgrüner
Geländewagen mit Forstabzeichen und „Nordbund“-Logo auf der Tür wird
präsentiert. K. versteckte weder sich noch seine Aktivitäten.
„Das ist für uns eine der großen Fragen, die wir bis heute haben“, sagt
eine*r der Antifa-Rechercheure*innen: „Warum Johannes K. so lange
unbehelligt blieb.“
Noch im Oktober 2022 erklärte [5][die Niedersächsische Landesregierung auf
Anfrage der Grünen]: „Der Polizei Niedersachsen liegen keine eigenen
Erkenntnisse zu einer Neonazi-Gruppe ‚Nordbund‘ vor.“ Dass es sich beim
„Nordbund“ um eine rechtsextremistische Vereinigung handeln könnte, dazu
lägen auch dem Verfassungsschutz keine Anhaltspunkte vor. Und ermittelt
wurde zu jenem Zeitpunkt offenbar ebenfalls noch nicht. Selbst eine
eigenständige Gruppe Blood & Honour Niedersachsen war laut Landesregierung
angeblich 2022 „bislang nicht bekannt“ – obwohl diese Jahre zuvor in den
eigenen Verfassungsschutzberichten auftauchte.
## Was machte Johannes K. in Südafrika?
Tatsächlich hätte der Name von Johannes K. den Sicherheitsbehörden, dem MAD
oder dem BND seit Jahrzehnten bekannt sein müssen. Schon 1993, nach seiner
Zeit als Bundeswehrsoldat, reiste K. nach Südafrika. Zu jener Zeit kämpften
weiße rassistische Farmer dort für die „weiße Vorherrschaft“ und wurden
dabei auch von deutschen Neonazis unterstützt. Die rassistische Afrikaner
Weerstandsbeweging verübte Mord- und Bombenanschläge.
Was K. in dieser Zeit in Südafrika trieb, ist nicht bekannt. Belegt sind
Kontakte zu mindestens einem gut vernetzten und bewaffneten Neonazi in
Pretoria. Der taz liegt ein Vernehmungsprotokoll aus einem deutschen
Ermittlungsverfahren vor, in dem ein Beschuldigter auch über K.s Zeit in
Südafrika spricht. Laut seiner Aussagen sei bekannt gewesen, dass K. in
Südafrika mit Waffen herumgelaufen sei und in Haft saß, weil er für die
Apartheid gekämpft hatte.
Das ist Jahrzehnte her. Johannes K. machte seitdem in Deutschland weiter,
veranstaltete paramilitärische Trainings, organisierte rechte Treffpunkte
und Rechtsrock-Konzerte, war mutmaßlich in Waffengeschäfte verwickelt, und
er radikalisierte Mitstreiter. Ohne dass die Behörden ihn aufhielten.
## Militärgeheimdienst ermittelt gegen Feldjäger
Ernsthafte, strukturierte Ermittlungen gegen K. und sein Umfeld jedenfalls
begannen erst [6][im März 2022, rund vier Monate nach Veröffentlichung der
umfangreichen Antifarecherche]. Der Militärgeheimdienst MAD hatte
anscheinend auf den Fotos in der Broschüre zehn Soldaten erkannt, darunter
mehrere Personenschützer der Feldjäger, die unter anderem im
Verteidigungsministerium für den Schutz von Staatssekretären und Generälen
eingesetzt wurden.
Befragungen fanden dann vor allem im Raum Hannover statt, wobei der
Militärgeheimdienst dazu wiederum Feldjäger zur Absicherung mitnahm, da die
Mitglieder des Netzwerks aktive Kampfsportler seien und „ein hohes
Aggressionspotenzial“ hätten. Ein Mann, den der MAD auf dem Fliegerhorst
Wunstorf wegen seiner „Nordbund“-Aktivitäten befragte, soll der Präsident
eines Rockerclubs sein, der als Vorfeldorganisation der Hells Angels
fungiert. Drei Ermittlungsverfahren wurden nach den MAD-Befragungen
eingeleitet.
[7][Erst Monate später wurden die MAD-Ermittlungen überhaupt öffentlich
bekannt]: Denn einer der Feldjäger, der die Befragungen seiner Kameraden
hatte absichern müssen, zeigte an, eventuell illegal im Inland eingesetzt
worden zu sein. [8][Alles war rechtmäßig, wie die Staatsanwaltschaft später
klarstellte].
Politiker von CDU und AfD witterten jedoch einen Skandal. Wohlgemerkt:
Wegen des Einsatzes des Feldjägers, und nicht etwa wegen möglicher
neonazistischer Netzwerke in der Bundeswehr und der Polizei.
Sie haben Hinweise zu rechten Netzwerken oder anderen Missständen? Schicken
Sie uns Ihre Hinweise! Direkte Kontaktdaten des Investigativteams der taz
finden Sie unter [9][taz.de/investigativ]
25 Sep 2025
## LINKS
[1] /Razzia-bei-Neonazis/!6114033
[2] https://www.hildesheimer-allgemeine.de/
[3] https://www.pz-news.de/
[4] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100916816/r…
[5] https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_12500/11501…
[6] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/id_10…
[7] /Razzia-gegen-rechtsextreme-Soldaten/!5877862
[8] /Feldjaeger-duerfen-gegen-rechts-helfen/!5889376/
[9] /investigativ/
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
Nils Lenthe
Andrea Röpke
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