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# taz.de -- Debütalbum von Audrey Hobert: Das Peinliche umarmen
> Das Album „Who’s the Clown?“ ist das erste Solo-Projekt von Audrey
> Hobert. Verspielten Pop unterlegt sie darauf mit erfrischend
> selbstironischen Texten.
Bild: Audrey Hobert studierte zunächst in New York Film, wendete sich dann der…
Mit Kopfhörer im Zug sitzen, bedeutungsschwanger in die Ferne schweifen,
melodramatisch zur Musik die letzte Trennung beweinen. Das fühlt sich ein
bisschen an, wie als Protagonistin in einem Videoclip zu sein. Bis zur
peinlich berührten Feststellung, dass in der Regionalbahn zwischen
Wuppertal-Barmen und Erkelenz keine Kamera auf einen gerichtet ist und der
Betrauerte eher eine pragmatische Entscheidung zu Schulzeiten war.
In ihrem kürzlich erschienenen Debütalbum „Who’s the Clown?“ veredelt
Audrey Hobert solche Alltagsbegebenheiten zu kunstvollem Pop. Die Songs der
26-jährigen US-Amerikanerin, die zuvor vor allem als beste Freundin und
Co-Autorin der Songs von Popstar Gracie Abrams bekannt war, sind komponiert
wie Romcom-Filme, die zugleich klassische Hollywood-Vorstellungen von
Jungsein, Freundschaft oder Herzschmerz demaskieren.
„I go to the bar / That’s monumental, and if he’s hot and seems into it /
It’s accidental“, singt Hobert etwa in „Sex and the City.“ Allein in ei…
Bar, um da ganz zufällig jemanden kennenzulernen. Es ist Hoberts gut
klingender Versuch, sich in ein filmreifes Happening zu manövrieren, dabei
aber zu merken, dass es vielleicht doch etwas erzwungen performativ ist.
In Hoberts Songs geht es oft um das Ringen nach Selbstbewusstsein, den
Wunsch nach Bestätigung und darum, sich selbst dabei irgendwie peinlich zu
finden. Die Hookline ihrer ersten Single lautet: „Sue me, I wanna be
wanted“. Verklag mich doch dafür, dass ich begehrt werden will. Eine
selbstironische Trotzhaltung, die sich durch das gesamte Album zieht.
Texte wie Sprachnachrichten einer Freundin
Die Musik dazu klingt verspielt und ein bisschen wird eine
Wohnzimmerproduktion suggeriert mit MIDI-Sounds, dominanten
Gitarrenmelodien, wie bei „Phoebe“ und „Thirst Trap“, und
Drum-Machine-Beats und simplen Bassfiguren, etwa in „Drive“. Dazu bringt
Hobert wortreiche Texte, sie wirken wie Sprachnachrichten einer Freundin
auf doppelter Geschwindigkeit – aber man kann dazu tanzen.
Auch in ihren selbstgedrehten Musikvideos inszeniert sich Hobert, die in
New York Film studiert hat, überzeichnet. Sie tanzt bewusst
unprofessionell, die Mimik zumeist fratzenhaft. Im Video des Songs „Wet
Hair“ etwa, zusammengeschnitten aus vermeintlich amateurhaft aufgenommenen
Homevidos, ist sie beim Duschen, Putzen und Kochen zu sehen. In einem
Kommentar darunter heißt es sinngemäß: „Audrey, bitte hol dir nie einen
Medienberater und falls doch, ignorier ihn.“
Hoberts Nahbarkeit kommt an. Schon nach den Erfolgen mit Gracie Abrams nahm
Universal Music sie als Inhouse-Songwriterin unter Vertrag, wodurch sie
auch ihren Produzenten Ricky Gourmet kennenlernte. „Who’s the Clown?“, ihr
erstes großes Solo-Projekt, hat bereits mehrere Millionen Streams.
Abgekultete Popmusikerinnen
Was Hoberts Erfolg zugutekommen dürfte, ihr Debütalbum fällt in eine Zeit,
in der Mainstream-Jugendkultur offenbar entschieden hat, dass man sich
nicht mehr dafür schämen muss, bei Pop von Künstlerinnen abzukulten – siehe
[1][Sabrina Carpenter], [2][Chappell Roan] und Charlie XCXs „Brat Girl
Summer“.
Wie Breitwand-Pop das eben tut, kreist Hobert in ihren Songs um sich
selbst. Es geht ihr darum, die eigene Gefühlswelt zu dramatisieren, weil
sie sich nun mal dramatisch anfühlt. Hobert zeigt, wie man dieses Melodrama
witzig, klug und mit Verve erzählen kann.
Besonders erfrischend: Sie rechnet dabei implizit auch mit den vielfach als
feministisch geadelten Bad-Girl-Fantasien ab, die Frauen mit stereotyp
männlichen Attributen zeichnen und sie völlig abgeklärt, unbesiegbar und
desinteressiert auf dem Absatz kehrt machen lassen, sobald ein Typ sich
dämlich verhält. Dabei ist der patriarchale Endgegner ja nicht, als Frau
uncool oder zu wenig mysteriös zu sein.
Hobert sagt einem Gefühl den Kampf an, das tatsächlich unterdrückerisch
ist, weil es isoliert und still macht: Scham. Ihre Songs entwerfen ein Bild
von Weiblichkeit, das Unsicherheiten und das eigene Genervtsein von der
ständigen Suche nach männlicher Anerkennung thematisiert, ohne sich selbst
Tiefgründigkeit, Stärke und Ästhetik abzusprechen.
In „Who’s the Clown?“ schreit es aus jedem Detail: „Embrace the cringe.…
Umarme das Peinliche an dir. Und so schlimm kann das, wenn man Hoberts Witz
und ihrer Lässigkeit zusieht, tatsächlich nicht sein.
7 Sep 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Johanna Sethe
## TAGS
Musik
Popmusik
Album
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