| # taz.de -- Indieband Tops: Sie klingen sehr raffiniert, aber nie selbstzufried… | |
| > Sophisti-Pop vom Feinsten: „Bury the Key“, das neue Album der Indieband | |
| > Tops aus Montreal, glitzert und strahlt. | |
| Bild: Die Tops wollen nicht mehr als die netten Kanadier wahrgenommen werden | |
| Sophistication im Pop muss mit Argwohn rechnen; feinsinnige Raffinesse, wie | |
| sie einst unter anderem von Bands wie Steely Dan, Blow Monkeys und Prefab | |
| Sprout prototypisch ausformuliert wurde, steht seit jeher unter | |
| Eskapismusverdacht. Denn führt allzu viel Verfeinerung in puncto | |
| Songwriting und Inszenierung nicht in die gefällige Existenzform der | |
| connaisseurhaften schönen Seele, welche geflissentlich vor den Umständen in | |
| die Unterhaltung flieht? | |
| Berechtigten Verdachtsmomenten zum Trotz erfährt das eher unschön | |
| titulierte Genre Sophisti-Pop seit den Zehnerjahren eine Renaissance, junge | |
| Bands eignen sich den Sound neu an. Zu den originellsten Vertretern zählen | |
| seitdem die (von ihnen selbst in Großbuchstaben geschriebenen) Tops aus | |
| Montreal, die nun ihr fünftes Album namens „Bury the Key“ vorlegen. | |
| Wie die genannten Vorbilder versteht das Quartett aus Quebec Sophistication | |
| nicht als prahlerisch ausgestellte Kenner- und Könnerschaft, sondern als | |
| Habitus der Eleganz und Eloquenz. Während sie Wert auf Verfeinerung und | |
| historische Tiefe legen, klingen die Tops zugleich immer beeindruckend | |
| tight und präsent. Jeder Ton, jede Hi-Hat-Betonung, jede Silbe sitzt, alles | |
| wirkt dabei so mühelos, lässig und vor allem verdammt einladend. | |
| ## Nach fünf Jahren neues Album | |
| „Bury the Key“ ist das erste Album der Tops seit 2020, während der länger… | |
| Wartezeit konnten sich Fans mit Soloalben von Keyboarderin Marta Cikojevic | |
| (unter dem Namen Marci) und Sängerin Jane Penny trösten. Viele großartige | |
| Melodieführungen auf dem neuen Tops-Album erinnern an die Songs auf Marcis | |
| ebenfalls grandiosem Soloalbum von 2022. | |
| Pennys Gesang ist stark beeinflusst von Stevie Nicks von Fleetwood Mac – | |
| aber eine Tonlage höher – und verwandelt das Erwachsene und Reife, das dem | |
| Genre eigen ist, in ein juveniles Glitzern und Strahlen. Nicht mal das | |
| geschmeidigste Gitarrensolo klingt auf „Bury the Key“ selbstzufrieden und | |
| gut abgehangen, immer ist da dieses sehnsüchtige Drängen und Fordern (und | |
| auch Zweifeln). | |
| Die längere künstlerische Pause blieb nicht ohne Wirkung. Die neuen Songs | |
| schreiben die Tops-Geschichte nun auf andere Weise fort. Die Band hat | |
| während der Aufnahmen Veränderungen an sich selbst beobachtet. In den Songs | |
| ging es plötzlich um Themen wie Drogenmissbrauch, seelische Störungen und | |
| toxische Verhaltensweisen. Man wollte nicht mehr als die netten Kanadier | |
| wahrgenommen werden, erklärt Penny hierzu, es ging nunmehr darum, auch die | |
| krasseren Aspekte ihrer Lebenswelt zu verhandeln. | |
| Musikalisch bewahrheitet sich diese Triggerwarnung unter anderem in dem | |
| mitreißenden Song „Falling on my Sword“, in dem sich laut Gitarrist David | |
| Carriere das Interesse der Band an Hardcore Punk zeigt. De facto ist es ein | |
| abgründiger Indierock-Kracher, der mit dem bisherigen Signature Sound der | |
| Tops bricht und tatsächlich härtere Saiten aufzieht. | |
| ## Mondäner Disco-Groove | |
| Auch „Annihilation“ verleugnet – trotz eines mondänen Disco-Grooves – … | |
| Tops-typische Unbeschwertheit. Geschrieben wurde der Song kurz nachdem | |
| Sinead O’Connor und Ryuichi Sakamoto gestorben waren; die | |
| geschichtsbewussten Tops verstehen den Song als Hommage an eine langsam | |
| verschwindende musikalische Mythologie: „All the greatest men and women | |
| die, my friend“, singt Penny. | |
| In der Gesamtschau ist „Bury the Key“ aber keine ausweglose Reise ins | |
| Innere von Trauer und Finsternis. Nur ein Gegenbeispiel: Zugewandt und | |
| flirtend schwebt der betörende Indie-Disco-Song „ICU2“ durch die | |
| deprimierende Gegenwart, in Schwung gehalten von beiläufigen Breaks und | |
| Harmoniewechseln. Genauso wie die an anderen Stellen des Albums wie | |
| Sonnenstrahlen einfallenden Synthesizersounds sorgen diese für allerbeste | |
| „Hallo Wach!“-Effekte. Und ja: Die Tops sind neuerdings so richtig tanzbar. | |
| Zur stilistischen Wandlung passt, dass sie für ihr neues Album von ihrem | |
| alteingesessenen Montrealer Indie-Label Arbutus Records zum größeren | |
| US-Indie-Label Ghostly International wechselten. Der vitalen Musikszene | |
| Montreals bleiben sie natürlich trotzdem erhalten, mit Bands wie Born at | |
| Midnite oder Men I Trust haben sie dort langjährige Weggefährten und | |
| Wahlverwandte. | |
| Wie lässig und unprätentiös die Tops ihr Spektrum erweitern, ohne sich | |
| zwanghaft „neu erfinden“ zu wollen, lässt hoffen, dass wir noch viel Zeit | |
| mit dieser grundsympathischen kanadischen Band verbringen dürfen. Nach den | |
| mitunter düsteren Stimmungen auf „Bury the Key“ darf man auf die kommenden | |
| Gefühle gespannt sein. | |
| 2 Sep 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Aram Lintzel | |
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