| # taz.de -- Buch über Erfolg der Nazi-Ideologie: Die Lust am Hass bleibt | |
| > Der Philosoph Menno ter Braak hat in den 1930er Jahren die rechte | |
| > Ideologie seziert. Dass seine Analyse stimmt, zeigt auch die | |
| > AfD-Wählerschaft von heute. | |
| Bild: Menno ter Braak, 1935 | |
| Was wird sein, wenn die Grenzen dicht, Diversitäten verboten und Frauen | |
| wieder nur auf das Wohlwollen der Männer angewiesen sind? Werden jene | |
| Leute, die AfD wählen, sich dann zufrieden geben? Mitnichten, wie sich | |
| andeutet. Denn anstatt in Wahlumfragen zurückzufallen, überholt die AfD | |
| inzwischen mitunter die CDU. Die macht sich, wie die SPD auch, zur | |
| Handlangerin und [1][Erfüllungsgehilfin der Rechten]. | |
| Die Analyse, wie mit rechtem Gedankengut umgegangen werden kann, muss auf | |
| den Prüfstand. Denn klar ist: So kommen Leute, die eine tolerante | |
| Gesellschaft wollen, nicht weiter. Nachhilfe kann in diesem Zusammenhang | |
| ein kurzes Pamphlet des niederländischen Philosophen und Essayisten Menno | |
| ter Braak bieten, der von 1902 bis 1940 lebte. „Nationalsozialismus als | |
| Rankünelehre“ lautet der Titel, es wurde in der Edition Memoria neu | |
| aufgelegt. Ranküne – das Wort ist aus der Mode. Ersetzt wird es heute | |
| durch: Ressentiment, Missgunst und Hass. | |
| Woher kommen diese Ressentiments der Nazis? Sie kommen aus der Demokratie | |
| selbst, überlegt ter Braak. Denn die Demokratie postuliert, dass alle | |
| Menschen gleich sein sollen, die demokratischen Parteien indes können (und | |
| wollen) dies gar nicht umsetzen. „Das ist das große Paradoxon einer | |
| demokratischen Gesellschaft, in der Ranküne nicht nur existiert, sondern | |
| auch noch als Menschenrecht gefördert wird“, schreibt ter Braak. Man muss | |
| in einer Demokratie also ertragen, dass es Ungleichheit gibt, obwohl die | |
| Idee eine andere ist. Das schaffe von vorn herein genug Potenzial für | |
| Missgunst. Und zwar auf allen Seiten. Weiter beobachtet ter Braak, dass wir | |
| alle nicht frei sind von Ressentiments, es sei Teil unserer Kultur. Wie | |
| damit umgegangen wird, unterscheide sich allerdings. „Einer der | |
| unschätzbaren Vorteile der Demokratie ist ihr Mangel an falschem Beiwerk | |
| und romantisch-bengalischem Licht, dieser Scheinwelt des | |
| Nationalsozialismus.“ | |
| Anders als Demokrat*innen haben die Nationalsozialist*innen ihr | |
| ganzes System auf Blendung, Halbwahrheiten, Ressentiments und Missgunst | |
| aufgebaut, deshalb könne man so viel daran lernen. „Der | |
| [2][Nationalsozialismus] ist die vollständige Emanzipation des | |
| Ressentiments“, schreibt ter Braak. Dabei sei Armut kein Kriterium, um sich | |
| der Ideologie des Hasses anzudienen. Dass seine Analyse stimmt, zeigt sich | |
| nicht nur an den Nationalsozialisten damals, sondern auch an der | |
| AfD-Wählerschaft von heute. | |
| ## Das Spiel der AfD kann die CDU nur verlieren | |
| In Menno ter Braaks Fokus gerät zudem die Lust am Ressentiment. Sie gilt | |
| ihm als treibende Kraft. Deshalb bleibt der Hass, auch wenn die | |
| vermeintlichen Probleme gelöst sind. Daher kann die CDU heute, wenn sie das | |
| [3][Spiel der AfD] spielt, nur verlieren. Wenn die Flüchtlinge vertrieben, | |
| die LGBT-Community kaserniert, die Selbstbestimmung der Frau verboten ist, | |
| wird es neue Menschen und Themen geben, die von den Rechten gehasst werden. | |
| Denn die Lust am Hass bleibt. | |
| Ter Braaks dünnes Büchlein ist nicht einfach zu lesen, zumal es seine | |
| Vergleiche oft aus dem niederländischen Nationalsozialismus zieht. Am Ende | |
| steht auch kein Patentrezept, wie mit der Ideologie des Ressentiments | |
| umgegangen werden kann, außer dem, sich diese Zusammenhänge bewusst zu | |
| machen. „Erst muss das ‚reine‘ Ressentiment entthront werden“, schreibt… | |
| Unsere Aufgabe ist es, „die Verfälschungen zu entlarven und die | |
| Phrasendrescherei in ‚gewöhnliche‘ Worte zu übersetzen“. | |
| Dass wir auch scheitern können, zeigt sich am Leben von Menno ter Braak | |
| selbst. Er warnte früh vor den Nazis, beging aber nach dem Überfall der | |
| Deutschen auf Holland Suizid. | |
| 9 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Waltraud Schwab | |
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