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# taz.de -- Fußball-WM-Qualifikation: Nur normale Nägelkauerei
> Mit 3:1 gewinnt Julian Nagelmanns DFB-Team über Nordirland. Der Abstand
> der deutschen Kicker zur Weltspitze ist eher größer geworden.
Bild: Gerade mal so: Julian Nagelsmann und sein Team nach dem Abpfiff in Köln
Es war schon auffällig, wie rasch sich am Sonntagabend eine
Stimmungshochburg des deutschen Fußballs leerte. Klar, es gab genug
Anhänger, die noch eine Deutschlandfahne schwenkten oder Beifall
klatschten, aber die Mehrheit begab sich unter den Peter-Schilling-Klängen
mit [1][„Major Tom“] lieber auf den Heimweg aus Köln-Müngersdorf. „Völ…
losgelöst“ ist bei der deutschen Nationalmannschaft nur noch wenig, die
beim Heimsieg gegen [2][Nordirland] (3:1) bloß die Pflicht erfüllte, um
einen kolossalen Fehlstart in die WM-Qualifikation abzuwenden. Das
Länderspiel bot nicht bessere Unterhaltung als am Sonntagabend so mancher
„Tatort“, der zu verkopft rüberkommt.
Das gellende Pfeifkonzert zur Pause war die naheliegende Quittung, doch mit
dem Unmut hatte [3][Julian Nagelsmann] sein Problem. Die Zuschauer hätten
viel Geld gezahlt und würden mit einer gewissen Erwartungshaltung ins
Stadion kommen, sagte der Bundestrainer später. „Ich habe auf der einen
Seite Verständnis und auf der anderen Seite einen Wunsch für etwas
anderes.“
Der 38-Jährige glaubt, darin eine gesellschaftliche Unsitte zu erkennen. Er
würde nicht pfeifen: „Weil ich glaube, dass es den Menschen da unten nichts
bringt. Wenn wir alle wie Hyänen im Busch sitzen und warten, bis man
endlich wieder beißen und sagen kann, wie schlecht jemand ist und dass er
alles beschissen macht – ich glaube nicht, dass man sich dann so super
entwickelt als Land.“
Wie schon nach dem Viertelfinal-Aus bei der [4][EM 2024] mit der [5][Hilfe
beim Heckeschneiden] spannte Nagelsmann einen großen Bogen. Was damals
wegen der Strahlkraft des Events durchaus passend schien, wirkte nun
windschief. Denn in seinem Fachgebiet liegen grundlegende Defizite vor.
Es mag ja sein, dass seine Elf seit März 2024 mit einer Dreierkette
aufbaut. Entweder nominell wie gegen Nordirland mit den Innenverteidigern
[6][Antonio Rüdiger], Waldemar Anton und Robin Koch oder aber mit einem
abkippenden Sechser. Das Problem: Es dauert viel zu lange, bis der Ball
nach vorne kommt.
## Lagerfeuer und Projektionsfläche
Die Außenrist-Pässe des stilvoll von der DFB-Elf verabschiedeten
Weltmeisters [7][Mats Hummels] würden der Nationalelf nie so guttun wie
jetzt. Und auch Nagelsmann wird wissen: Wenn wie bei der Blamage in
Bratislava gegen die Slowakei (0:2) die Haltung nicht stimmt, kann der
gemeine Fan richtig böse werden.
Noch immer gelten seine Kicker als Projektionsfläche für den Zustand
Deutschlands. Im Grunde muss die Mannschaft die Schelte bei schlechten
Spielen aushalten, denn in guten Zeiten möchte sie das Lagerfeuer sein, um
das sich eine Nation schart.
In der heiklen Phase rund um den Ausgleich von Nordirlands Isaac Price
(34.) kaute Nagelsmann an seinen Fingernägeln. Das habe er schon in der
F-Jugend gemacht, erklärte er später schmallippig, daraus sollte niemand
eine Anspannung ableiten. Aber natürlich fiel auch von ihm eine Last ab.
Später bemühte sich der erleichterte Bayer um Bodenhaftung: „Ich finde es
ein bisschen vermessen, nach Donnerstag, wo alles in Schutt und Asche lag,
jetzt auf himmelhochjauchzend zu machen.“ Der Lehrgang sei von den
Ergebnissen her nur „zu 50 Prozent zufriedenstellend“ gewesen. Im Oktober
soll in Sinsheim gegen Luxemburg (10. Oktober) und in Belfast gegen
Nordirland (13. Oktober) eine 100-Prozent-Ausbeute folgen – also sechs
Punkte. Der Bundestrainer räumte nach gerade mal 30 überzeugenden Minuten
ein: „Wir haben viele Schritte noch zu gehen.“
Gefühlt ist der Abstand zur Weltspitze weiter gewachsen. Nagelsmann
konterte die Kritik, mit zu vielen Experimenten das Gift der Verunsicherung
zu streuen. Er könne sich unmöglich auf eine Stammelf festlegen, wozu der
Fußballlehrer mal flugs in den Motorsport wechselte: „Die Formel 1 fährt
auch nicht immer mit denselben Reifen, weil es einfach keinen Sinn macht,
mit Slicks zu fahren, wenn es regnet.“
Die düsteren Wolken über Köln hat er übrigens selbst vertrieben: Der in der
Nations League gegen Italien (3:3) und Portugal (1:2) für seine
unglücklichen Einwechslungen gerügte Bundestrainer besaß in seinem 25.
Länderspiel ein glückliches Händchen. Maximilian Beier und Nadiem Amiri
sorgten von der Bank für die Belebung. So entstand das 2:1, als der
nordirische Torwart Bailey Peacock-Farrell vom englischen Drittligisten FC
Blackpool eine Halbfeldflanke falsch einschätzte (69.). Kurz darauf
zauberte der Neu-Liverpooler Florian Wirtz mit famoser Schusstechnik die
Kugel zum 3:1 in die Maschen (72.).
Eine Energieleistung und ein Kunstschuss verhinderten die Massenflucht aus
einem Stadion, in dem der 1. FC Köln viel mehr Frohsinn zu verbreiten
pflegt.
8 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=KQRaj1vcnrs
[2] /Konfessionskrieg-im-nordirischen-Fussball/!5979356
[3] /Julian-Nagelsmann/!t5277729
[4] /Fussball-EM-2024/!t5629788
[5] /Praesidiale-Rede-von-Julian-Nagelsmann/!6019231
[6] /Ruediger/!t5573608
[7] /Mats-Hummels/!t5021427
## AUTOREN
Frank Hellmann
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