# taz.de -- Ökolandbau oder Schweinemast?: Kampf ums Ackerland | |
> Ein Biobauernpaar droht seine wichtigste Fläche zu verlieren. Die | |
> Landwirtschaftskammer NRW will nicht, dass eine Genossenschaft sie kauft. | |
Bild: David Büchler und Sarah Hoffmanns auf ihrer Ackerfläche am Stadtrand vo… | |
Münster taz | Satt gelb leuchten die Sonnenblumen, die David Büchler und | |
Sarah Hoffmanns auf ihrem Bioacker gesät haben, am Stadtrand von Münster. | |
Dahinter lugen unter großen Blättern orange Kürbisse hervor. Auf dem Acker | |
auf der anderen Seite einer Eichenallee haben die beiden vor Kurzem Weizen | |
geerntet, das Mehl verbackt eine Bäckerei in der Nähe. Wegen der Allee | |
nennen die beiden ihren Hof Biolee. | |
Hoffmanns und Büchler sind 32 und 35 Jahre alt. Die studierten Ökolandwirte | |
gehören zu den wenigen jungen Leuten, die in Deutschland noch einen | |
Bauernhof gründen. Sie wollen, dass die 5,7 Hektar, die sie bisher von | |
einer Erbengemeinschaft pachten und die jetzt zum Verkauf stehen, künftig | |
der Genossenschaft Kulturland gehören. Die will die rund acht Fußballfelder | |
große Fläche dauerhaft an die beiden verpachten. Genossen können den | |
Landkauf mitfinanzieren. | |
Manchen gilt das junge Paar als ein Lichtblick im [1][eher düsteren | |
Szenario], das sich in der deutschen Landwirtschaft abspielt: Immer mehr | |
Betriebe schließen. Die verbleibenden werden noch größer, obwohl viele | |
kleine Höfe oft mehr Artenvielfalt und Arbeitsplätze bieten als wenige | |
große. Die meisten Verbraucher haben keine Beziehung zu den Erzeugern ihrer | |
Lebensmittel. | |
Doch nun drohen die Jungbauern genau die Äcker zu verlieren, die sie wegen | |
ihrer Nähe zu den Kunden als wichtigste ihres Hofes bezeichnen und seit | |
2022 bewirtschaften. Denn gemäß Grundstückverkehrsgesetz dürfen die | |
Behörden den Verkauf von Agrarland untersagen, wenn er „eine [2][ungesunde | |
Verteilung] des Grund und Bodens bedeutet“. In diesem Fall ist die Behörde | |
die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen – und die hat ihr Veto | |
eingelegt. Ihr zufolge ist die ungesunde Verteilung schon deshalb gegeben, | |
weil die Genossenschaft keine Landwirtin sei. | |
## Auf dem Spiel steht eine Agrar-Alternative | |
Die Biolee-Leute haben geklagt, der Fall geht in die zweite Instanz. | |
Deshalb hat er bundesweite Signalwirkung: Je nachdem, wie das | |
Oberlandesgericht Hamm nach der Verhandlung am 9. September entscheidet, | |
könnten am Gemeinwohl orientierte Bodenfonds es leichter oder schwerer | |
haben, Flächen für Biobetriebe zu erwerben. Auf dem Spiel steht eine | |
Alternative zum klassischen Agrareigentum. | |
Für die Landwirtschaftskammer, die offizielle Selbstverwaltung der Bauern | |
in NRW, steigt Margarete Kreyenkötter in den Ring. Die Justitiarin arbeitet | |
in der Zentrale der Kammer, einem Ziegelbau in Münster mit einer | |
großzügigen Lobby, in der überlebensgroße Fotos von Tieren und Pflanzen | |
hängen. Kreyenkötter wirkt mit Jeans und Strickjacke leger, ist in der | |
Sache aber knallhart. Nein, zum konkreten Fall wolle sie sich nicht äußern, | |
sagt sie. Allgemein findet sie: „Der Gesetzgeber gibt ganz klar vor: | |
Grundsätzlich sollen landwirtschaftliche Flächen von Landwirten im Sinne | |
des Grundstücksverkehrsgesetzes erworben werden.“ Da habe die Kammer keinen | |
Ermessensspielraum. „Wir können nur das tun, was das Gesetz vorgibt“, sagt | |
Kreyenkötter. | |
Der erste Prozess über den Fall fand vor dem Amtsgericht Münster statt. Die | |
Tochtergesellschaft der Genossenschaft, die die Äcker für Biolee kaufen | |
will, verwalte nur Vermögen, argumentierte damals die | |
Landwirtschaftskammer. Es gebe aber einen Bauern aus der Region, der die | |
Flächen ebenfalls erwerben möchte. Der habe bereits 1.800 Schweine, | |
bewirtschafte 88 Hektar, die Hälfte davon sei sein Eigentum, der Rest | |
gepachtet. Kulturland zufolge handelt es sich um einen konventionellen | |
[3][Schweinemäster]. | |
In einem Gewächshaus neben einem der umstrittenen Felder sitzen Büchler und | |
Hoffmanns auf Holzbänken. Am Ende des Folientunnels wachsen Tomaten, ein | |
paar liegen in einer Schale auf dem Tisch. Anders als Kreyenkötter sagt | |
Büchler: „Das Gesetz lässt der Kammer einen großen | |
Interpretationsspielraum.“ Eigentumsmodelle wie die von Biolee und | |
Kulturland seien genau das Richtige für eine „gesunde Verteilung“ des | |
Agrarlandes und eine „Verbesserung der Agrarstruktur“, wie sie das Gesetz | |
fordert. Büchler zufolge leisten sie einen Beitrag gegen den | |
Nachwuchsmangel in der Branche und für eine umweltfreundliche, bäuerliche | |
Landwirtschaft. | |
## Hürde für jene, die keine Höfe erben | |
Nur mit Hilfe der Genossenschaft könnten Büchler und Hoffmanns dort ihren | |
Hof weiterführen. Schließlich müsse die Erbengemeinschaft das Land | |
verkaufen, die Jungbauern könnten die mehr als 600.000 Euro aber nicht auf | |
den Tisch legen. Die hohen Bodenpreise sind eine Hürde für viele | |
Existenzgründer in der Landwirtschaft, für jene, die keine Höfe erben. | |
Zwar stimme es, dass die Tochterfirma der Kulturland-Genossenschaft nicht | |
selbst Geld mit Landwirtschaft verdient, räumt Büchler ein. „Aber ich bin | |
ja nun eindeutig Landwirt“, sagt er. „Und ich bin Komplementär der | |
Tochtergesellschaft. Das heißt, ich habe ein Vetorecht bei allen | |
Entscheidungen darüber, was der Eigentümer mit der Fläche machen will. Das | |
ist mehr als nur eine normale Pacht.“ Der Pachtvertrag werde auf 30 Jahre | |
geschlossen, schon jetzt kündigt die Gesellschaft eine Option auf weitere | |
30 Jahre Pacht an. Üblich seien sonst nur 5 Jahre. „Das kommt einem | |
Eigentumsverhältnis sehr nahe.“ | |
Im Gesellschaftsvertrag der Tochterfirma steht auch, dass sie den Zweck | |
hat, die Flächen für den Ökolandbau „des Komplementärs“ zu sichern. Bü… | |
sagt: „Die Idee des Grundstücksverkehrsgesetzes ist, landwirtschaftlichen | |
Boden für bäuerliche Produktion vorzuhalten und zu sichern. Genau das | |
passiert hier.“ Die Kulturland-Genossenschaft sichere die Flächen sogar | |
viel stärker. Ein Bauer, der die Fläche kauft, könne sie später | |
weiterverkaufen – zum Beispiel, wenn dort ein Industriegebiet entstehen | |
soll. Kulturland mache sie zu einem „Gemeingut“, das an die Landwirtschaft | |
gebunden sei. | |
Dass die Biolee-Leute mit dieser Argumentation nicht allein sind, zeigt das | |
Urteil des Amtsgerichts Münster zu ihrem Fall. Das entschied im August 2024 | |
zugunsten der Hof-Inhaber, dass die Kulturland-Tochterfirma eine Landwirtin | |
sei und dass der Verkauf an sie „gerade nicht“ der „Verbesserung der | |
Agrarstruktur“ schade. Doch die Landwirtschaftskammer legte Beschwerde | |
gegen das Urteil ein, sodass sich nun die zweite Instanz mit der Sache | |
befassen muss. | |
Der Rechtsstreit sei anstrengend, erzählt Hoffmanns. Ständig plagt sie die | |
Angst, das Herzstück ihres Hofs zu verlieren. Aber sie könne der Sache | |
mittlerweile auch etwas Positives abgewinnen. „Ich habe die Hoffnung, damit | |
auch so ein bisschen einen Weg zu ebnen für andere, die genau vor der | |
gleichen Situation stehen“, sagt auch Büchler. Wenn die beiden vor dem | |
Oberlandesgericht Recht bekommen sollten, würde das auch anderen Bauern | |
helfen, über Genossenschaften an Land zu kommen. | |
6 Sep 2025 | |
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Jost Maurin | |
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