# taz.de -- Der zweite Zoo Berlins: Tierisch viel Platz hier | |
> Der Tierpark ist der zweite Zoo Berlins. Die DDR gönnte sich und den | |
> Tieren hier ein so weitläufiges Gelände, dass er heute vielen als die | |
> Nummer eins gilt. | |
Bild: Park mit prima Perspektiven | |
Berlin taz | Es müssen keine großen Tiere sein, die Begeisterungstürme | |
auslösen. Beim Nacktmull sind vor allem kleine Kinder, von denen es im | |
Tierpark Berlin an diesem Mittwoch nur so wimmelt, aus dem Häuschen. „Die | |
sind ja nackt!“, ruft ein Junge entzückt einem Mädchen zu. Die beiden | |
schauen gebannt aufs Treiben vor ihrer Nase: Das Leben der Nacktmullkolonie | |
lässt sich auf Augenhöhe verfolgen, 30 Tiere sollen es sein. Da ist viel | |
los, die nur 5 bis 15 Zentimeter großen Nagetiere sind sehr aktiv. Sie | |
leben eigentlich in unterirdischen Bauten in den Halbwüsten Ostafrikas – | |
oder eben hier in ihrem „Gehege“ in Berlin. Hinter einer Scheibe liegt ein | |
Querschnitt durch ihr erdiges Reich, es gibt Gänge und Höhlen, in denen | |
sich die Nacktmulle tummeln, die übrigens gar nicht nackt sind. Nur ist | |
ihre geringe und sehr feine Behaarung mit Ausnahme von einigen gut | |
sichtbaren Sinneshaaren kaum wahrnehmbar. | |
Ein paar Schritte weiter sind gerade Riesen dabei, zu fressen. Sie recken | |
ihre Hälse zum Korb hinauf, es gibt Heu. Das einer Savanne nachempfundene | |
Gehege für 11 Rothschildgiraffen ist mit rund 7.700 Quadratmeter so | |
weitläufig, dass sich, je nachdem wo man steht, immer neue Blickachsen | |
auftun. Ständig lassen sich neue Tiere entdecken. Der 2023 fertiggestellte | |
Giraffensteg, 120 Meter lang, ermöglicht einen erhöhten Blick auf die | |
Tiere. | |
Dieser romantische Eindruck wird von einem Metallzaun und Baufahrzeugen | |
unterbrochen: In unmittelbarer Nachbarschaft liegt das Dickhäuterhaus, das | |
seit 2022 umgebaut wird. Elefanten gibt es also gerade keine zu sehen, die | |
sind in Zoos von Halle (Saale) und Augsburg umgezogen. Hier „entsteht die | |
modernste Elefanten-Anlage Europas“, versprechen riesige Banner an den | |
Bauzäunen – zugleich wird zu Spenden aufgerufen. Läuft alles nach Plan, | |
sollen 2026 die ersten Tiere einziehen. | |
## Auf dem Weg zum Geozoo | |
„Zukünftig werden die Afrikanischen Elefanten mehr als zehnmal so viel | |
Fläche bei uns bekommen“, sagt [1][Direktor Andreas Knieriem]. 21 Elefanten | |
sollen dann durch die große Savannenlandschaft streifen – und auch Zebras, | |
Antilopen und eben die Giraffen. Denn der Tierpark wird allmählich [2][zu | |
einem Geozoo umgestaltet]: Tiere werden nicht nach systematischen, sondern | |
nach geografischen Gesichtspunkten gehalten. 2035, zum 80. Geburtstag, will | |
man damit fertig sein. | |
Der Tierpark Berlin ist ein Kind der DDR und feiert in diesem Jahr seinen | |
70. Geburtstag. Er wurde im Juli 1955 im Ostberliner Stadtteil | |
Friedrichsfelde eröffnet. Die Hauptstadt der DDR sollte nach der | |
deutsch-deutschen Teilung endlich ein Pendant zum 1844 eröffneten Zoo im | |
Westen der Stadt in Charlottenburg bekommen. Dort sind auf einer Fläche von | |
33 Hektar rund 20.000 Tiere aus etwa 1.000 Arten zu sehen – er ist der | |
[3][artenreichste Zoo der Welt]. | |
Doch der Tierpark in Friedrichsfelde ist anders. Von Anfang an als | |
weitläufiger Landschaftstierpark angelegt, sind hier rund 10.000 Tiere | |
Zuhause. Also nur halb so viele wie im Westzoo. Dafür ist viel mehr Platz | |
vorhanden: Das Gelände erstreckt sich auf 160 Hektar – das entspricht gut | |
225 Fußballfelder! In dem Tierpark lässt sich locker ein Tag verbringen. | |
Es gibt großzügig angelegte Gehege wie das der Waldbisons, bei denen der | |
Eindruck entsteht, als ob man die bis zu 1.000 Kilogramm schweren Tiere in | |
freier Wildbahn beobachten würde. Kein Zaun, keine Gitterstäbe stören den | |
Blick. Die riesige Wiese ist in großen Teilen allein durch einen | |
Wassergraben begrenzt. Auch die Dromedare oder Lamas und viele andere | |
Großtiere leben hier so. Ein Hauch von Freiheit. Eingesperrt sind die Tiere | |
dennoch. | |
Überall findet sich Altes und Neues. Da sind die aus frühen DDR-Tagen | |
stammenden Kunstwerke aus Bronze. Viele Skulpturen wie der brüllende | |
Riesenhirsch oder zwei kleine Fohlen haben blanke Stellen vom vielen | |
Anfassen oder Draufsitzen für Fotoposen. Daneben sind überall lebensgroße | |
Dinosaurierplastiken zu sehen. Der Tierpark hat sich eben auf sein junges, | |
dinoaffines Publikum eingestellt. Bildung steht hier hoch im Kurs. | |
Altmodisch über die Informationstafeln vor den Gehegen, modern mit | |
multimedialem Infotainment zu Arten- oder Klimaschutz. | |
## Alte Gitter und Drahtgeflecht | |
Da sind zum einen die Gehege alter Prägung, eher klein und nach vorne, zu | |
den Besucher:innen hin, meist aus Gitter und Drahtgeflecht bestehend. | |
Viele von ihnen sind so vom Grün im Inneren überwuchert, dass man die Tiere | |
länger suchen muss. So wie das Manul, eine Kleinkatze, die dämmerungs- und | |
nachtaktiv in Asien beheimatet ist. Aha, die Anlage wurde 1960/61 gebaut, | |
wie man auf einer gusseisernen Plakette lesen kann. | |
Da sind zum andern die neugestalteten Anlagen des wachsenden Geozoos. Das | |
2022 eröffnete „Himalaya-Gebirge“ zum Beispiel. Innerhalb eines Jahres | |
wurde ein 60 Meter hoher Trümmerberg mit 3.000 Tonnen Natursteinen und mehr | |
als 5.000 Bambuspflanzen in eine künstliche asiatische Gebirgslandschaft | |
verwandelt. Rund 100 Tiere aus 22 verschiedenen – großteils in der Natur | |
bedrohten – Arten haben ein neues Zuhause gefunden. Die Projektkosten | |
betrugen insgesamt 5,3 Millionen Euro. Oben angekommen, lässt sich von | |
verschiedenen Aussichtspunkten der Tierpark überblicken. Gen Osten grüßt | |
der Fernsehturm (noch so eine DDR-Ikone). | |
Der Tierpark Berlin mit seiner wechselvollen Geschichte muss sich nicht | |
verstecken, ganz im Gegenteil. Minderwertigkeitsgefühle wegen weniger | |
Tieren sind fehl am Platze. Der zweite Berliner Zoo ist der Schönere der | |
beiden Einrichtungen und daher für viele die Nummer eins. | |
1 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Berliner-Zoochef-ueber-Fische-und-Plaene/!5201703 | |
[2] /Umbau-des-Tierparks-Berlin/!5464411 | |
[3] /Klimawandel-und-Biodiversitaet/!5626458 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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