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# taz.de -- Architekturbiennale in Venedig: Leben in der Bauutopie
> Vom Wohnpark bis zum ICC Berlin: Zara Pfeifer fotografiert
> architektonische Großstrukturen in den Metropolen. Ihre Bilder zeigen
> warme Nischen im Gigantischen.
Bild: Was sich hinter der mächtigen Terrassenfassade verbirgt: Gemeinschaftsra…
Wer in den letzten Wochen den österreichischen Pavillon der
Architekturbiennale in Venedig besucht hat, der wurde mit einer
grundlegenden Frage konfrontiert: Wie wollen wir leben? Die
Kurator:innen Sabine Pollak, Michael Obrist und Lorenzo Romito
untersuchen unter dem Titel „Agency for a Better Living“ Modelle sozial
ausgewogenen, leistbaren Wohnens.
Wien mit seiner langen Geschichte von über 100 Jahren Bauprojekten,
Experimenten und Utopien spielt die zentrale Rolle, denn: Was woanders als
Großsiedlung verschrien ist und in vielen Städten dieser Welt zu sozialen
Brennpunkten geführt hat, findet im 23. Bezirk der österreichischen
Metropole ihren Gegenentwurf. Der Wohnpark Alterlaa ist nicht nur die
größte Wohnanlage Österreichs, er ist eine Besonderheit: eine gelungene,
sozial etablierte und Sozialität etablierende Satellitenstadt, die
lebenswerten Wohnraum für 9.000 Personen zu niedrigen Preisen bereitstellt.
Wer im Park zwischen den Blöcken steht, schaut links und rechts an einer
mächtigen Terrassenfassade entlang bis zu 90 Meter hoch auf grün bewachsene
Balkone. Gebaut wurde dieses Vorzeigeprojekt [1][des sozialen Wohnungsbaus,
das noch immer in Besitz der Stadt Wien ist], zwischen 1973 und 1985,
geplant hatte es der Architekt und Bühnenbildner Harry Glück gemeinsam mit
Kurt Hlaweniczka und dem Büro von Requat & Reinthaller.
Die fotografischen Einblicke in das Leben und Wohnen von Alterlaa, die nun
in Venedig zu sehen sind, stammen von der Deutsch-Österreicherin Zara
Pfeifer. Pfeifer, in Köln groß geworden, zog nach dem Abitur nach Wien und
studierte dort Architektur an der Akademie der bildenden Künste. Die
Fotografie als Primärmedium für die Dokumentation von Bauvorhaben und
Bauten faszinierte sie derart, dass sie noch an der Schule Friedl Kubelka
ein Studium in künstlerischer Fotografie absolvierte.
„Du, meine konkrete Utopie“, so der Titel ihrer Abschlussarbeit und des
veröffentlichten Fotobuchs, beschäftigt sich mit dem Wohnpark Alterlaa.
Dafür begleitete sie zwischen 2013 und 2017 mehrere Bewohner*innen
durch die Wohnblöcke, besuchte nicht nur die schon vielfach fotografierten
Pools, die auf den Dächern der Hochhäuser Abkühlung versprechen, sondern
auch die Hobbyräume.
## Soziale Komponente der Wohnblöcke
Die Architektur der Wohnblöcke birgt eine Besonderheit: Die Blöcke sind an
ihrer Basis breiter als oben, weswegen sich im Inneren der unteren Etagen
Räume ergeben haben, die von den Bewohner*innen als Keramikstudio,
Verein für Selbstverteidigung und zur allgemeinen sportlichen Betätigung
genutzt werden. Diese soziale Komponente, die anderen Großsiedlungsbauten
abgeht, fängt Pfeifer in präzisen und empathischen Analogaufnahmen ein. Und
so werden [2][sie auch auf der Architekturbiennale in Venedig] gezeigt.
Mit ebenfalls genauen, ruhigen, bisweilen detaillierten Blicken verewigte
sie 2021 eine weitere, aber gänzlich anders ausstaffierte Bauutopie aus den
späten 1970ern: das Berliner ICC von den Architekt:innen Ursulina
Schüler-Witte und Ralf Schüler. Deren futuristischer, bis ins Detail
durchdachter Architektur widmet sie sich in einem Buch – ein seltener
Einblick hinter [3][die heute meist gesperrten Tore] dieser „demokratischen
Antwort“ auf den Ostberliner Palast der Republik.
Die besonderen Seiten des sozialen Wohnungsbaus fängt Pfeifer weiterhin
ein. Jüngst dokumentierte sie die Architektur des US-Amerikaners Herman
Jessor. Der hat im 20. Jahrhundert wie kaum ein anderer das Bild der
Weltstadt New York geprägt.
Über dessen riesige genossenschaftliche Wohnkomplexe wie Co-op City in der
Bronx für 40.000 Bewohner*innen und Rochdale in Queens für 25.000
Bewohner*innen wird aber angesichts der Manhattaner Wolkenkratzer und
Repräsentationsbauten allzu selten gesprochen. Heuer arbeitet sie von ihrer
Wohnung aus an weiteren architekturfotografischen Projekten. Wo sich die
Wohnung befindet? In Alterlaa.
28 Aug 2025
## LINKS
[1] /Stadtplanerin-ueber-Wohnen-in-der-Zukunft/!5867447
[2] /Architekturbiennale-in-Venedig/!6084168
[3] /Eine-spannende-Idee-der-Berliner-CDU/!5945968
## AUTOREN
Lars Fleischmann
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Architektur
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