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# taz.de -- Vibraphon-Festival in Wilhelmshaven: Ein wunderbarer Wimmerkasten
> Wilhelmshaven unterwirft sich dem Zauber des Vibraphons: Das kleine
> Festival „Wilhelmshaven Vibe“ überzeugt dank klarem Profil.
Bild: Blick von oben auf ein Vibraphon: Das Innenleben macht es so besonders
So cool! In Wilhelmshaven findet jetzt das bereits fünfte Vibrafon-Festival
statt. Es ist, in der Coronazeit entstanden, [1][mit diesmal drei großen
Abendkonzerten] und am Sonntag an diverse Gottesdienste angeflanschten
Matineen ein kleines Festival. Sein Ausgangspunkt ist, dank Pastor Frank
Morgenstern, die Christus- und Garnisonkirche: Dort hat Hauke Renken aus
Zetel früher im Gottesdienst Orgel gespielt, bevor er zum Jazz-Musikstudium
nach Bremen, Hamburg und als Profi-Vibrafonist in die weite Welt gezogen
ist.
Aber Wilhelmshaven Vibe ist ein Festival mit wunderbarer Alliteration und
eben in der Konzentration aufs Vibrafon mit einem klaren Profil. Ein
Vibrafon ist kein Sex-Toy, sondern ein im frühen 20. Jahrhundert
entwickeltes Instrument aus der Familie der Stabspiele. Bei denen wird der
Klang erzeugt, indem über einem Resonanzkörper angebrachte Stäbe
angeschlagen werden, hier mit Holzschlegeln, deren Kopf aus Wolle oder
manchmal auch Gummi besteht. Es ist kein Xylo- (von griechisch „xylos“,
Holz), sondern ein Metallofon: Die Klangstäbe sind hier gestimmte Platten,
die heutzutage aus einer Aluminium-Legierung gefertigt werden, weil ein
weicherer Klang das Ziel ist: Das Vibrafon ist, anders als das
Glockenspiel, kein Militärkapellenzubehör.
Der Entwicklung neuer Musikinstrumente [2][liegt fast immer eine
Migrationsgeschichte] zugrunde, so auch hier. Es war wohl 1880, als eine
gewisse Familie Winterhoff weg wollte aus Witten. Das achte
Winterhoff-Kind, Benjamin Franklin Winterhoff, ist 1882, wie der Name ahnen
lässt, bereits in Elkhart, USA, geboren. Sein sechs Jahre älterer Bruder
Hermann Emil Winterhoff aber war noch Westfale und hat die große Überfahrt
– nein, sicher nicht von Wilhelms-, aber wahrscheinlich Bremerhaven – nach
Amerika mitgemacht.
Als jungen Mann nimmt Ulisses G. Leedy ihn und Charles Wanamaker als
Kompagnons auf, als er in Indianapolis seine neue Schlagzeugfabrik gründet.
Winterhoff, fürs melodieführende Schlagwerk verantwortlich, suchte für sie
spätestens ab 1915 nach Möglichkeiten, den Klang der Stahl-Marimba der
menschlichen Stimme anzunähern. Denn diese Weiterentwicklung der
lateinamerikanischen Weiterentwicklung des westafrikanischen Balafons war
wahnsinnig beliebt im Vaudeville, dem Vorläufer des Musicals.
„Im Jahr 1922 gelang ihm dies“, schreibt Musikwissenschaftler Brian S.
Graiser [3][über Winterhoffs Pionierleistung]. Er ermöglichte, die Tondauer
zu variieren, und brachte einen Motor am Instrument an, der Metallscheiben
[4][in den Resonanzröhren in Bewegung versetzt]. Das lässt den Ton so
richtig schön eiern, als wäre es ein wimmeriges Vibrato. Phasenverschiebung
heißt das auf Physikalisch, und im Grunde ist das schon das neue
Instrument, auch wenn es damals noch als Leedy Vibratone verkauft wurde.
[5][Schon Anfang der 1920er hat der damalige Xylofon-Star] Lou Friscoe
Chiha „Aloah He“, sein Paradestück „O Sole Mio“ und andere Hits auf
Winterhoffs Instrument eingespielt. Der Sound begeistert auch klassische
Komponisten von Darius Milhaud bis Karlheinz Stockhausen, und Milt Jackson
hat diese irisierende Klangfarbe nach dem Zweiten Weltkrieg im Bebop
unverzichtbar gemacht. Im Film ist es für unheimliche Sequenzen ebenso
wertvoll wie für träumerisches Wegdämmern: Es kann einfach viel, und
besonders gut kann es altbekannter Musik neue Facetten abgewinnen.
„Ich bin heute mehr Arrangeur als Instrumentalist“, sagt denn auch Hauke
Renken. Wobei er aber in seinen vielen Bandprojekten auch unverzichtbarer
Interpret seiner Arrangements ist: Zwei, nämlich das Hamburg Art Ensemble,
mit dem er sich durch ein Billie-Eilish-Program klöppelt, und Beaula, das
aus ihm und drei Sängerinnen besteht, treten diesmal in Wilhelmshaven auf.
4 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.haukerenken.com/whv-vibe-festival25/
[2] /Suedsee-Sehnsuchtssound-aus-Hannover/!5473623&s=steelguitar+hannover&a…
[3] https://mediatheque.philharmoniedeparis.fr/mediatheque/doc/ALOES/1125986/th…
[4] https://sova.si.edu/record/nmah.ac.0188
[5] https://digital.library.manoa.hawaii.edu/files/snips/Signor%20Lou%20Chira_A…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Wilhelmshaven
Musikgeschichte
Festival
Migration
wochentaz
Klavier
Archäologie
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