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# taz.de -- Das Ende von „Sex and The City“: Das feministische Vermächtnis…
> Eine Ära geht zu Ende: Die letzte Folge „And Just Like That“ läuft. Dam…
> findet das „Sex And The City“-Imperium sein Ende. Eine Verneigung
Bild: Die Schauspielerinnen Kristin Davis, Sarah Jessica Parker, Cynthia Nixon …
Es gibt wahrscheinlich keine Protagonistin, die so bekannt und umstritten
ist wie Carrie Bradshaw. Die meisten Menschen dürften sich selbst und ihre
Fehler in ihr gespiegelt sehen und davon peinlich berührt sein.
Keine andere Serienheldin steht so sehr für das
„Auf-der-Suche-sein-und-nicht-wissen-wann-ob-und-wie-man-ankommen-wird“-Gef
ühl wie Carrie Bradshaw. Als Zuschauende sind wir es oft gewohnt,
Held:innen zu sehen, die genau wissen, was sie wollen, und dabei eben
heroisch sind. Carrie bricht mit diesem Muster und handelt oft
widersprüchlich. Sie trifft Entscheidungen, die im ersten Moment nicht
immer nachvollziehbar sind.
Oft genug entpuppen sich diese Entscheidungen auch als Fehler. Damit wird
sie so lebendig und man kann als Zuschauerin kaum glauben, dass sie keine
echte Person ist. Mit diesen Entscheidungen muss sie dann klarkommen und
aus ihnen lernen. Dieser sehr chaotische, anstrengende, in Teilen nervige
und cringe Aspekt des Lebens wird in anderen Serien oft glattgebügelt oder
gar nicht dargestellt.
Michael Patrick King, der ab 1999 als Regisseur den Ton der Serie
maßgeblich bestimmte, antwortete auf die Frage, wieso er Carrie so liebt,
mit den Worten: „Sie folgt immer ihrem Herzen auch, wenn es nicht
konventionell ist, denn egal, was die Gesellschaft denkt, was wichtig für
eine Frau wäre, hört sie lieber auf ihr Bauchgefühl.“
## Hadern mit der Hochzeit
So löst sie ihre Verlobung mit Aiden auf, weil sie ihn nicht heiraten will,
wenn sie nicht bereit für die Ehe ist. In ihrer Kolumne fragt sie sich in
der Folge, wieso unsere Gesellschaft so progressiv tut und dann dennoch
Druck auf Frauen ausübt, zu heiraten, Kinder zu kriegen und ein Haus zu
besitzen. Auf diese Frage sind wir als Gesellschaft Carrie bis heute eine
Antwort schuldig.
Ein weiteres Beispiel: „A Woman’s Right to Shoes“. Der Titel dieser Folge
ist eine Anspielung auf den Beschluss des Supreme Court im historischen
Fall Roe v. Wade, der 1973 beschloss, dass Frauen das Recht haben, selbst
zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austragen möchten oder nicht.
In der Folge klaut jemand Carries teure Schuhe auf der Party ihrer Freundin
Kyra. Diese weigert sich, für die Schuhe aufzukommen, mit der Begründung,
im Gegensatz zu Carrie habe sie ein echtes Leben und daher Verantwortung.
Carrie, sichtlich bedrückt, spricht allen Single-Frauen aus der Seele, als
sie leise antwortet: „Ich habe ein echtes Leben.“
Was sich an den teuren Schuhen entzündet, ist die Frage, warum der
Lebensentwurf von Kyra – 38 und verheiratet, drei Kinder und ein Ferienhaus
– viel mehr Validierung und Wert bekommt als der von Carrie, die ebenfalls
38 ist, in einer kleinen Mietwohnung lebt, eine Kolumne über Sex schreibt,
noch nie verheiratet war, kinderlos ist und ihr Geld für teure Schuhe
ausgibt, was auch ihr gutes Recht ist.
Oft wird Carrie falsch verstanden als die Protagonistin einer Serie, in der
vier Frauen nur über Männer reden und zu viel Geld für Sinnloses wie Mode
und Schuhe ausgeben. Nur wenn man die Serie durch eine patriarchale Linse
betrachtet, kann man zu diesem Trugschluss kommen. Der Grund, warum die
meisten Menschen die Serie schauen, ist, weil sie eine der wenigen ist, die
weibliche Gespräche ins Zentrum rückt. Dabei bleiben sie realistisch und
sind auch manchmal zynisch – die perfekte Anti-Romcom für Frauen.
Und wer wäre passender für eine in Teilen zynische Anti-Romcom für Frauen
als eine Protagonistin, die in ihrer Küche nicht kocht, sondern darin
Kleidung aufbewahrt. Die, statt wie Cinderella darauf zu warten, dass ein
Prinz ihr einen Schuh schenkt, sich selbst Hunderte Paare Schuhe kauft. Die
sich nicht für den männlichen Blick, sondern für ihre Hingabe zu Mode
anzieht, auch wenn es vielleicht zu exzentrisch wirkt. Kurz gesagt: Carrie
als Anti-Prinzessin und Anti-Hausfrau ist der perfekte Bruch mit
patriarchaler Weiblichkeit, die wir sonst oft in Medien sehen.
Die vier Hauptcharaktere in „Sex and The City“ haben komplett
gegensätzliche Lebensentwürfe und keiner ist besser oder schlechter als der
andere. Wenn die Serie eines schafft, dann ist es zu zeigen, dass jedes
Frauenleben einen Wert hat und es verdient, gefeiert zu werden. Carrie und
die Serie sind der Beweis dafür, dass all dieser Lebensentwürfe
nebeneinander existieren können. Und dass diese unterschiedlichen Frauen
sogar zu engsten Freundinnen werden können.
Danke dir dafür, liebste Carrie!
15 Aug 2025
## AUTOREN
Raweel Nasir
## TAGS
TV-Serien
Feminismus
GNS
wochentaz
Schwerpunkt Leipziger Buchmesse 2025
Theater
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