# taz.de -- Pfannenklassiker Paella: Spiel mit dem Feuer | |
> In Valencia wurde die Paella erfunden – und auch der dazugehörige Reis | |
> wird hier angebaut. Wie die komplexe Zubereitung gelingt. | |
Bild: Der Albufera, zehn Kilometer südlich von Valencia, ist einer der größt… | |
Reis ist in Valencia kein Lebensmittel, sondern eine Lebenseinstellung. Er | |
ist der Star in der Pfanne und auf dem Teller. Die Köche hören ihm zu, denn | |
der Reis spricht mit ihnen. Sie küren bei Wettbewerben ihre Paella-Könige. | |
Dabei gibt es klare Regeln für die Zubereitung der Paella – bis hin zum | |
Zeitpunkt, wann man sie essen darf. | |
Doch zunächst geht es dorthin, wo der Reis wächst. Zehn Kilometer von | |
Valencia entfernt liegt der Albufera. Einst eine Lagune, vor einigen | |
Jahrhunderten vom Meer getrennt, handelt es sich heute um einen der größten | |
Süßwasserseen Spaniens. Im Oktober 2024 wurde er von einem [1][Unwetter mit | |
starken Überschwemmungen] heimgesucht. Die gesamte Region Valencia wurde | |
heftig getroffen, mehr als 200 Menschen starben damals im spanischen Osten. | |
Heute schnappen die Valenciakärpflinge im Albuferasee nach Mücken. | |
Entenfamilien umkurven Schilfhalme, Seeschwalben kreisen über unserem Boot, | |
Schwarzkopfmöwen ziehen Richtung Meer, das nur wenige hundert Meter | |
entfernt ist. Der Naturpark Albufera ist ein Vogelparadies, Touristen aus | |
ganz Europa kommen hierhin für ornithologische Führungen. Sie hören, wie | |
der Drosselrohrsänger sein prasselndes „Krikri“ anstimmt, beobachten, wie | |
Silberreiher sich einen Kampf um die leckersten Fische liefern oder den | |
jungen Flamingo, der noch ein graues Kleid trägt und unbeholfen durch das | |
Wasser stakst. | |
Wir aber sind für den Reis gekommen. Der wächst dort, wo der See endet. | |
Genau genommen wurde die Albufera-Lagune im 18. und 19. Jahrhundert von den | |
Rändern her trockengelegt, um Platz zu gewinnen. Auf rund 140 | |
Quadratkilometern gedeiht heute Reis. Im April wird er gesät, ab Juni | |
recken die jungen Pflänzchen ihre Hälse in den Himmel und überziehen die | |
ganze Region mit einem grünen Teppich. Die Ernte im Herbst bringt | |
alljährlich rund 120 Tonnen Reis, der – ähnlich wie Wein – sogar eine | |
eigene Ursprungsbezeichnung trägt: Arroz de Valencia DO. | |
## Leckeres Resteessen | |
Die erste Paella köchelte vermutlich schon im 8. Jahrhundert in einer | |
valencianischen Pfanne. Damals beherrschten die maurischen Könige große | |
Teile Spaniens. Sie hatten den Reis mitgebracht und hinterließen bei ihren | |
Mahlzeiten Reste von Hähnchen oder Gemüse. Die Diener packten alles ein und | |
schmissen es zusammen mit Reis in eine Pfanne. Der Begriff „Paella“ könnte | |
also vom arabischen Wort „baqiyah“ abstammen, das Rest bedeutet. | |
Die moderne Paella hat ihren Ursprung im 19. Jahrhundert. Die Arbeiter auf | |
den Reisfeldern der Albufera sammelten alles, was sie finden konnten. Auch | |
Schnecken landeten im Topf. Sie gehören noch immer zur traditionellen | |
Paella, schrecken aber so manchen Touristen ab. | |
Heute wachsen rund um Valencia vier unterschiedliche Reissorten: Bomba, | |
Senia, Dacsa und Albufera. Sie alle eignen sich bestens für die Paella. | |
Aber wie beim Reis gilt auch in diesem Punkt: Paella ist nicht gleich | |
Paella. Je nachdem, ob sie secco (trocken) oder meloso (cremig) werden | |
soll, ist eine andere Reissorte nötig. So ist Senia gut für die cremige | |
Paella, Bomba eignet sich besser, um eine braune Kruste zu erhalten. | |
Und damit sind wir schon mitten in den Geheimnissen der richtigen | |
Zubereitung, über die David Zorilla noch viel mehr erzählen kann. Er | |
betreibt in Cullera das Restaurant Casa Salvador. Viele Valencianer nehmen | |
eine knappe Stunde Fahrt in Kauf, nur um seine Paella zu essen. In der | |
gusseisernen Pfanne (Paellera), die zwei Leute tragen müssen, brutzeln | |
bereits die rojos, rote Riesengarnelen. „Paella ist das schwierigste | |
spanische Gericht“, sagt Zorilla, während er die rojos aus der Pfanne | |
schöpft und dafür Stückchen vom Seeteufel und vom Tintenfisch hineingibt. | |
Es folgen Zwiebeln, Paprika, Tomaten, Safran, dann dürfen die rojos zurück, | |
und nun hat auch der Senia-Reis seinen Auftritt. Zorilla brät ihn kurz an, | |
dann kommt Gemüsebrühe hinzu. | |
## Immer mit der Ruhe | |
Das war der einfache Part. Jetzt geht es darum, das Feuer im Zaum zu | |
halten. Die Pfanne steht auf einem schneckenförmigen Gestell, aus dem | |
Dutzende kleine Flammen züngeln. Immer wieder dreht der Koch am Gashahn. | |
„Die Paella braucht stets das richtige Feuer, das muss man im Gefühl | |
haben.“ Nach exakt 18 Minuten Kochzeit legt Zorilla den Zeigefinger auf den | |
Mund. „Psst, jetzt müssen wir zuhören. Der Reis spricht mit uns.“ Die | |
Pfanne blubbert noch kurz, dann ist die Flüssigkeit raus und der Reis | |
meldet mit einem tiefen Summen, dass er nun genug hat. Aber Achtung: Auf | |
den Teller kommt die Paella noch nicht. Sie muss ruhen, bis man sie | |
aufgabeln darf. 12 Minuten sind bei Zorilla Gesetz! | |
Paella ist ein Gericht für Familie und Freunde. Valencianische Mütter | |
besitzen Pfannen in verschiedenen Größen, je nachdem wie viele Gäste | |
kommen. Die Einladung wird aber stets zum Mittagessen sein. Abends liegt | |
der Reis nach Meinung der Spanier zu schwer im Magen – was angesichts der | |
spanischen Esskultur doch ein wenig verwundert, schließlich kommt in vielen | |
Restaurants der Hauptgang nicht vor 22 Uhr auf den Tisch. | |
Logisch, dass auch der „Concurs Internacional de Paella Valenciana“ zur | |
Mittagszeit stattfindet. Im Örtchen Sueca, zwischen Valencia und der | |
Albufera gelegen, versammeln sich alljährlich 40 der besten Paellaköche der | |
Welt, die sich in Vorausscheidungen qualifizieren müssen. Zehn Plätze sind | |
für Nichtspanier reserviert, einer der letzten Sieger kam aus Mexiko. | |
Die Teilnehmer kochen den Klassiker, die Paella Valenciana, die nur aus | |
Hühnchen, Kaninchen, Schnecken, Bohnen, Olivenöl, Salz, Safran, Tomate, | |
Paprika, Rosmarin, Knoblauch, Wasser und Reis bestehen darf. „Jeder erhält | |
dieselben Zutaten“, erklärt Tony Landete, der Chef der Veranstaltung: „Es | |
kommt wirklich nur darauf an, wer Paella am besten kann.“ Am 14. September | |
kommen sie wieder zusammen. Dann wird der Reis seine Stimme erheben. | |
Transparenzhinweis: Die Reise wurde unterstützt vom spanischen | |
Fremdenverkehrsamt. | |
3 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Christian Schreiber | |
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