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# taz.de -- Razzia im autonomen Hausprojekt: Rigaer 94 – das letzte Kapitel
> Das Hausprojekt steht vor vielen Räumungsklagen – die Chancen stehen
> schlecht. Zur Vorbereitung holte sich die Polizei Personalien der
> Bewohner.
Bild: Polizei nimmt Rigaer 94 in Beschlag
Berlin taz | Fast wäre sie schon in Vergessenheit geraten, die [1][Rigaer
Straße 94], dieses Symbolprojekt der linksradikalen Szene, um das es
inzwischen seit mehr als 30 Jahren juristische und auch militante
Auseinandersetzungen gibt. In jüngster Vergangenheit jedoch war
vordergründig Ruhe eingekehrt. Die letzten großen
[2][Gerichtsverhandlungen] und [3][Polizeieinsätze] im Haus liegen mehrere
Jahre zurück. Gleichwohl war seit mindestens einem Jahr klar: Die Zukunft
des teilbesetzten Hausprojektes hängt am seidenen Faden.
Seit diesem Donnerstag ist der Konflikt mit voller Wucht zurück, und viel
spricht dafür, dass damit auch das letzte Kapitel für das 1990 besetzte
Haus aufgeschlagen ist. Morgens um 6 Uhr rückten Hundertschaften der
Polizei an und [4][verschafften sich Zugang zum Haus].
Laut Polizeisprecher Florian Nath wurden „Durchsuchungsbeschlüsse gegen 13
Wohnungen sowie 33 personenbezogene Beschlüsse“ vollstreckt. Hintergrund
sind Räumungsklagen des Eigentümers beim Landgericht, das genauere
Informationen darüber forderte, gegen wen sich die Klagen richten. Auf
Antrag der Polizei hatte das Amtsgericht Tiergarten die
Durchsuchungsbeschlüsse in der vergangenen Woche erlassen.
Beteiligt an dem Einsatz waren 700 Beamt:innen, 200 davon direkt am Haus,
weitere in der Umgebung sowie zum Schutz anderer sensibler Gebäude, etwa
dem Landgericht oder Büros der Eigentümer. Um sich Zugang durch zwei
verschlossene Tore zu verschaffen, seien Flexgeräte und Hydraulikspreizer
eingesetzt worden. Auf dem Dach befanden sich Beamte des
Höhenrettungsteams, so Nath. Es sei eben kein Haus, in das man „einfach
zwei Streifenwagen schicken könnte“, um Personalien aufzunehmen, sagte der
Polizeisprecher.
## Überraschung bei den Bewohner:innen
Bis zum Vormittag hatte die Polizei alle Wohnungen betreten. Angetroffen
wurden dabei 15 Personen, deren Personalien festgestellt wurden und die
danach im Haus verbleiben konnten. Widerstand habe es laut Nath keinen
gegeben: „Die waren völlig perplex.“
Der [5][Tagesspiegel ] hatte gemutmaßt, die Bewohner:innen hätten mit
dem Einsatz gerechnet. Dafür spreche, dass Anfang der Woche „das Büro eines
Berliners verwüstet“ worden sei, „dem die britische Eigentümergesellschaft
des Hauses mehrheitlich gehört“. Gemeint ist [6][Leonid Medved, über dessen
Eigentümerschaft an der Briefkastenfirma Lafone Ivestments Limited] seit
Langem spekuliert worden war. Seit April dieses Jahres ist das
Versteckspiel beendet und Medved wird im Unternehmensregister Companies
House als jene Person genannt, die eine „signifikante Kontrolle“ über die
Firma ausübe.
## Nur noch fünf Mietverträge
Die Rigaer 94 selbst hatte auf ihrem Blog bereits Mitte Juli über die
zunehmend prekäre Lage informiert. Demnach seien „die meisten der
verbleibenden Mietverträge im vergangenen Sommer aufgelöst“ worden. Nur
noch für fünf der Wohnungen des Projektes, das sich vor allem über den
Seitenflügel und das Hinterhaus erstreckt, gebe es noch Mietverträge. „Es
scheint so, als würden unsere Feind*innen gerade versuchen, die
Mietverträge Stück für Stück aufzulösen, um eine rechtliche Grundlage für
eine vollständige Räumung des Hauses zu schaffen“, hieß es in dem Beitrag.
Im August des vergangenen Jahres hatte [7][die taz darüber berichtet], dass
ehemalige Bewohner:innen, die nicht mehr in dem Haus lebten, aber noch im
Besitz von Mietverträgen waren, keinen weiteren juristischen Widerstand
gegen Räumungsklagen leisten wollten. Hintergrund seien persönliche,
juristische und damit finanzielle Risiken, aber auch politische Differenzen
mit der aktuellen Bewohnerschaft gewesen.
Laut Rigaer 94 kommt es im September zu einer Reihe von Gerichtsverfahren,
wie auch die Pressestelle der Berliner Zivilgerichte bestätigte. Diese
beträfen die schon länger besetzten Wohnungen und jene, für die noch die
1992 abgeschlossenen Mietverträge galten.
Terminiert für den 17. September seien Räumungsklagen gegen die
Vereinsräumlichkeiten Kadterschmiede und Keimzelle, zu denen auch die
aktuelle Geschäftsführerin der Lafone, die Britin Lisa Close geladen sei.
Darüber hinaus wollen die Eigentümer:innen auch die Bewohner:innen
mit gültigen Mieterträgen im Vorderhaus loswerden. Am selben Tag soll es
demnach zu Berufungsverhandlungen gegen mehrere dieser Mieter:innen
kommen. In erster Instanz waren diese abgewiesen worden.
Die Briefkastenfirma Lafone war jahrelang mit ihren Klagen gescheitert.
[8][Infrage stand, ob sie überhaupt prozessfähig] und imstande sei, ihre
Anwälte ordnungsgemäß zu beauftragen. Doch im Juli 2024 hatte das
Kammergericht in einem Beschluss die Unternehmenstätigkeit der britischen
Firma und ihrer Geschäftsführung aufgrund neuer Glaubhaftmachung erstmals
nicht mehr angezweifelt. Infolgedessen wurde eine beklagte Bewohnerin dazu
verurteilt, den Besitz einer Räumlichkeit im Hinterhaus herauszugeben.
Für die Eigentümer ist damit die größte Hürde für ihre Prozesse aus dem W…
geräumt; für die Bewohner:innen dürfte es dagegen ungleich schwieriger
werden, sich weiterhin erfolgreich auf juristischem Wege zu verteidigen.
Infrage steht zudem, inwieweit mobilisierungsfähig die linskradikale
Trutzburg noch ist. Das Verschwinden einer autonomen Szene ist spürbar,
zuletzt gab es zudem Kritik am Haus aufgrund von Positionierungen zum
Nahostkonflikt.
Für einen Demoaufruf am Donnerstag hat es dennoch gereicht – aufgerufen
wird zu einer Versammlung an der Rigaer Straße um 19 Uhr. Darin heißt es:
„Unsere Solidarität gilt der Rigaer 94 und allen, die sich gegen diese
dreckige Stadt der Profite wehren.“
28 Aug 2025
## LINKS
[1] /Rigaer94/!t5320642
[2] /Rechtsstreit-um-Rigaer-Strasse-94/!5901970
[3] /Hausdurchsuchung-Rigaer-Strasse-94/!5801684
[4] /Grosser-Polizeieinsatz-in-Berlin/!6109790
[5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/hotspot-der-linksextremen-szene-berliner…
[6] /Rigaer-Strasse-94/!5856809
[7] /Autonomes-Hausprojekt-in-Berlin/!6025537
[8] /Hausprojekt-Rigaer94-in-Berlin/!5902156
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
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Reden wir darüber
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Wochenkommentar
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