# taz.de -- Bonner OB über Kinder in Gaza: „Genau das finde ich zynisch“ | |
> Die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner will Kinder aus Gaza | |
> aufnehmen. Die Grüne ärgert der Vorwurf, damit Wahlkampf zu machen. | |
taz: Frau Dörner, UNO-Expert:innen konstatieren, im nördlichen Gazastreifen | |
und damit auch in Gaza-Stadt bedrohe heute [1][eine Hungersnot | |
Hunderttausende Menschen]. Kennzeichen davon seien „Verhungern, Elend und | |
Tod“. Sie wollen helfen. Wie? | |
Katja Dörner: Die Lage in Gaza ist seit Langem dramatisch. Auf Initiative | |
des Oberbürgermeisters von Hannover, Belit Onay, habe ich mich zusammen mit | |
Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller und mit meinen Amtskollegen | |
aus Leipzig und Kiel gefragt: Was können wir als Städte tun? | |
Wir haben deshalb schon Anfang August angeboten, verletzten, | |
traumatisierten und hungernden Kindern aus Gaza – und selbstverständlich | |
auch aus Israel – in unseren Städten einen sicheren Aufenthalt und Hilfe zu | |
bieten. Diese humanitäre Hilfe ändert selbstverständlich nichts an der | |
grundlegenden Forderung an die Hamas, alle israelischen Geiseln unmittelbar | |
freizulassen und so die Grundlage für eine dauerhafte Lösung im Nahen Osten | |
zu ermöglichen. | |
taz: Mit welcher Reaktion? | |
Dörner: Wir haben dem Auswärtigen Amt unser Angebot unterbreitet. Bisher | |
haben wir aber noch keine Antwort auf unser Schreiben. Allerdings gab es | |
zunächst eine sehr abwehrende Reaktion vonseiten einer Staatsministerin, | |
die das rundweg abgelehnt hat – aus meiner Sicht mit recht zynischen | |
Argumenten. | |
taz: Sie spielen auf die [2][Staatsministerin Serap Güler von der CDU] an. | |
Sie lehnte Ihre Initiative ab und kommentierte mit dem Hinweis auf die | |
anstehenden Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen: Die Idee sei lediglich | |
„nett für den Wahlkampf oder um damit punkten zu wollen“ … | |
Dörner: Genau das finde ich zynisch – schließlich findet in Hannover, | |
Leipzig und Kiel überhaupt kein Wahlkampf statt. Als Städte haben wir uns | |
angesichts der schrecklichen Situation in Gaza gefragt: Wie können wir | |
helfen? So wie wir es etwa auch für Menschen aus anderen Krisenregionen, | |
wie etwa der Ukraine, machen. | |
taz: Wie soll Ihre Hilfe denn konkret aussehen? | |
Dörner: Wir bereiten uns auf unterschiedliche Szenarien vor – etwa auf | |
schwer verletzte Kinder, die medizinische Versorgung brauchen. Das können | |
Kinder sein, die allein nach Deutschland kommen. Aber natürlich sollten wir | |
uns auch darauf vorbereiten, dass sie von Angehörigen begleitet werden. | |
taz: Und wie sollen die Kinder aus Gaza nach Deutschland kommen? | |
Dörner: Dazu gibt es eingespielte Verfahren, mit denen mehrere Städte auch | |
schon Kinder aus anderen Krisenregionen aufgenommen haben. Wenn die | |
Bundesregierung bereit ist, unsere Initiative mitzutragen, wird sie konkret | |
entscheiden, wer wann in die Bundesrepublik einreisen darf. Das können wir | |
als Städte nicht festlegen. | |
taz: Wie reagieren die Bürger:innen in Bonn auf Ihren Vorschlag? | |
Dörner: Die Zustimmung ist sehr groß. Es gibt eine große Bereitschaft, | |
gerade Kindern, die in einer kriegerischen Auseinandersetzung immer die | |
schwächsten Opfer sind, zu helfen. Es wird aber nachvollziehbar gefragt, | |
wie viele Kinder eine Stadt aufnehmen kann. In Bonn gehen wir von zunächst | |
zehn Kindern aus – das überfordert unsere Strukturen sicherlich nicht, wie | |
es durchaus einige Bürger befürchten. Es gibt aber sogar Bonner Familien, | |
die anbieten, Kinder privat aufzunehmen. Dieser Zuspruch ist sehr | |
ermutigend und sicherlich auch ein wichtiges Zeichen an die Menschen in | |
Bonn, die um ihre Angehörigen in Gaza bangen. | |
taz: Zehn Kinder – das klingt angesichts des Leids in Gaza nach sehr wenig. | |
Hat CDU-Staatsministerin Güler nicht doch recht, wenn sie Ihnen, aber auch | |
dem christdemokratischen Rathauschef von Düsseldorf vorwirft, lediglich auf | |
Stimmen im NRW-Kommunalwahlkampf zu schielen? | |
Dörner: Hätte ich die Initiative von Belit Onay, der in Hannover 20 Kinder | |
aufnehmen will, nicht unterstützen sollen, weil in NRW Wahlkampf ist? Diese | |
Frage habe ich mir nicht gestellt. Stattdessen habe ich mich gefragt: Finde | |
ich Hilfe für Kinder aus diesem Kriegsgebiet richtig und wichtig? Für mich | |
war es deshalb selbstverständlich, ebenfalls ein Hilfsangebot zu machen. | |
Ich habe auch umgehend die Vorsitzenden der Bonner Ratsfraktionen | |
informiert, und auch mein Gegenkandidat von der CDU hat das Angebot an die | |
Bundesregierung sofort öffentlich unterstützt. | |
taz: Aber noch mal: Ist die Hilfe, die Sie anbieten, nicht viel zu klein? | |
Dörner: Zehn Kinder: Das ist eine Zahl, die wir nach Rücksprache mit der | |
Kinder- und Jugendhilfe, aber auch mit Blick auf die medizinische | |
Versorgung direkt aufnehmen können. Natürlich sage ich nicht, das ist das | |
Maximum – aber die Zahl zehn steht für einen ersten Schritt, den wir hier | |
in Bonn unmittelbar umsetzen können. | |
taz: Gibt es weitere Städte, die helfen wollen? | |
Dörner: Öffentlich noch nicht. Ich weiß aber, dass in Städten mit politisch | |
ganz unterschiedlicher Stadtspitze überlegt wird, sich unserer Initiative | |
anzuschließen. Wir diskutieren, wie wir die Hilfe auf noch breitere Füße | |
stellen können. | |
taz: Trotzdem bleibt der Eindruck, dass das kategorische Nein von | |
Staatsministerin Güler Wirkung zeigt. [3][Düsseldorfs CDU-Oberbürgermeister | |
Stephan Keller] etwa will sich aktuell gar nicht mehr zu der | |
Hilfsinitiative äußern. | |
Dörner: Ich habe derzeit keinen Einblick, wie das Thema in der | |
Bundesregierung beraten wird. | |
taz: Das heißt? | |
Dörner: Wir Städte warten noch auf eine Antwort auf unser Schreiben von | |
Anfang August. Ich deute das positiv: Das ist noch in der Diskussion. Klar | |
ist aber, dass es angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Lage in | |
Gaza einen großen Wunsch der Bürger:innen gibt, zu helfen. | |
taz: Aktuell gibt es aber keine konkreten Gespräche mit der schwarz-roten | |
Bundesregierung? Da kommt wirklich gar nichts? | |
Dörner: Aktuell gibt es keine Antwort – auch nicht an Belit Onay in | |
Hannover, der die Initiative gestartet hat. Ich freue mich aber, dass auch | |
Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Olaf Lies sich mit einem eigenen | |
Schreiben an die Bundesregierung gewandt hat, in dem er die Hilfsinitiative | |
unserer Städte ausdrücklich unterstützt. | |
taz: Was fordern Sie jetzt von der Bundesregierung? | |
Dörner: Mein Wunsch ist, dass der Bund schnell Kontingente festlegt, | |
Einreisemöglichkeiten schafft – und uns Städten damit die Chance gibt, | |
unserer Hilfsangebot umzusetzen. | |
24 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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