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# taz.de -- Weltklimakonferenz in Brasilien: Wenn der Regen schweigt
> Unsere Autorin lebt in der Amazonasmetropole Belém, in der im November
> die Weltklimakonferenz COP30 stattfindet. Die Klimakrise verändert ihre
> Stadt.
Bild: Früher hatte der Regen in Belem eine feste Uhrzeit
BELÉM taz | Es ist drei Uhr nachmittags. Die Straße ist verstopft, alles
voller Autos. Die Hitze – 38 Grad – in meiner Heimatstadt macht das Atmen
schwer. Und es macht die Menschen gereizt.
Endlich bewegen sich die Autos, ein wenig zumindest. Ich erreiche die
Ursache der Verzögerung: den Bau eines „Linearen Parks“, der in der Praxis
nicht einmal ein Park ist. Es handelt sich um Konstruktionen, die über
einen offenen Abwasserkanal gebaut werden. Es ist das Viertel mit dem
höchsten Quadratmeterpreis in Belém. Hier befindet sich eines der vielen
fragwürdigen Projekte, die für die Klimakonferenz COP30 umgesetzt werden.
Und diese Baustelle liegt auf meinem Heimweg. Was sie hinterlässt: Chaos,
Schlaglöcher und ein Gefühl der Frustration.
Während die Klimaanlage verzweifelt gegen die Hitze ankämpft und den
letzten Rest meines überteuerten Benzins verbraucht, erinnere ich mich
zurück. Vor einigen Jahren brachten uns die Nachmittage noch Erleichterung.
Der blaue Himmel füllte sich früher zum Ende des Tages mit schweren
Regenwolken. Ein Naturphänomen, so normal für uns, dass es Teil unserer
kollektiven Vorstellung wurde. Im Norden Brasiliens, im brasilianischen
Amazonasgebiet, haben wir nur zwei Jahreszeiten – Winter und Sommer. In der
einen regnet es den ganzen Tag, in der anderen regnet es jeden Tag.
Zumindest war das früher so.
## Das Wetter ist unvorhersehbar geworden
In meiner Kindheit hatte der Regen in Belém eine feste Uhrzeit. Um vier Uhr
nachmittags hörte ich die Leute auf der Straße rufen: „Da kommt er!“ Wir
rannten dann nach Hause, um die Wäsche rechtzeitig von der Leine zu holen.
Nun bin ich erwachsen. Und das Wetter ist so unvorhersehbar wie eine
Notaufnahme im Krankenhaus.
Ich fahre am Linearen Park vorbei. Dort sehe ich zweifelhafte
Metallstrukturen, die Bäume imitieren. Entlang einer Allee, die fast keine
echten Bäume hat. Die Regierung fand offenbar, es sei eine gute und
praktische Idee, solche Gebilde aufzustellen, statt echte Setzlinge aus dem
Regenwald zu pflanzen.
Man nannte sie „künstliche Bäume“. Das war ein großer Skandal in Brasili…
natürlich. „Wie kann ausgerechnet der Austragungsort der COP künstliche
statt echte Bäume wählen?“, fragten wir uns. Um die Debatte zu entschärfen,
benannte man sie in „hängende Gärten“ um. Man rechtfertigte es damit, dass
sie Schatten spenden würden und aus Bauschuttmaterial gebaut seien.
Obendrauf sollten Zierpflanzen zur Verschönerung. In der Praxis sieht es
aus, als hätten Kinder kleine Stöckchen gesammelt, um Miniaturen der
berühmten Supertrees aus Singapur nachzubauen.
## Regenschirme als Sonnenschutz
Ich gucke auf das Thermometer meines Autos. Es ist fast beängstigend, sich
vorzustellen, wie heiß es draußen ist. Auf dem glühenden Asphalt tropft der
Schweiß von den Stirnen, die Haut brennt unter der intensiven
Sonneneinstrahlung. Die Menschen benutzen Regenschirme als Sonnenschutz.
Selbst drinnen ist es kaum auszuhalten.
Ich stelle die Klimaanlage höher. Das Auto vibriert. Es kann auch nicht
mehr. Ich biege um die Ecke. Als ich die reichen Stadtviertel mit den
großspurigen COP-Bauprojekten hinter mir lasse, bin ich wieder umgeben von
dem Belém, das ich kenne. Eine Stadt, die vibriert, pulsiert, nicht
stillsteht. Die vielen Bars und Restaurants sind offen. Der Geruch der
typischen Küche – entstanden aus der Mischung indigener, afrikanischer und
portugiesischer Traditionen – liegt in der Luft.
Alle paar Minuten höre ich Musikrichtungen, die es nur hier gibt. Sie sind
intensiv und tanzbar. Sie spiegeln die Kreativität der Menschen des
Amazonas wider. Sie lassen mich daran denken, dass wir tiefe Wurzeln haben.
Wie die Bäume. Wir sind stolz auf unsere Traditionen und verteidigen sie.
Wir leben mitten in der größten tropischen Regenwaldregion der Welt. Wir
widerstehen, wie sie. Wir passen uns dem Wandel an. Wir überleben. Einen
Tag nach dem anderen.
Endlich komme ich zu Hause an. Ich parke, atme erleichtert durch. Ich
blicke in den Himmel. Und stelle fest: Er ist immer noch blau. Es ist vier
Uhr nachmittags, genau die Zeit, zu der der Regen da sein müsste. Aber ich
weiß, er kommt nicht mehr.
16 Sep 2025
## AUTOREN
Fábia Sepêda
## TAGS
Amazonien im Fokus
Brasilien
Amazonas
Regenwald
GNS
Schwerpunkt Klimawandel
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