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# taz.de -- Braunbären in Spanien: Er ist wieder da
> Der Braunbär war auf der iberischen Halbinsel vom Aussterben bedroht.
> Heute leben dort wieder gut 480 Tiere, Kontakte zu Menschen nehmen zu.
> Nicht alle sind begeistert.
Bild: Findet in den Wäldern und Felsen von Asturien Unterschlupf: ein Bär im …
Mari Asun Riesgo erinnert sich noch gut an jene Nacht vor fünf Jahren. „Es
war Ende Juni. Es wurde gerade hell, als wir das Geräusch brechender Äste
hörten“, erzählt die 69-Jährige. „Als ich auf die Obstwiese hinter dem H…
ging, sah ich die Bescherung: Ein Bär hatte den Kirschbaum abgeerntet“,
erinnert sie sich. Um auch an die letzten leckeren Früchte zu kommen, hatte
er einfach die Äste abgeknickt. „Zwei Tage später kam er noch einmal, fand
aber nichts mehr, da wir mittlerweile selbst die Kirschen an den anderen
Bäumen abgeerntet hatten.“
Riesgo lebt in einem der letzten Häuser im nordspanischen Riellu, einem Ort
mit gerade einmal 27 Einwohnern. Hinter dem Dorf, im Herzen der Region
Asturien, führt ein steiniger, steiler Weg in den dichten Wald mit
schroffen Felsen auf beiden Seiten des Tales. „Hier waren früher überall
Wiesen“, erzählt Riesgo. „Doch immer mehr Menschen sind in die Städte
abgewandert. Der Wald hat sich das Land zurückgeholt.“ Sie stammt aus
Riellu, lebte aber mit ihrem Mann bis zu dessen Rente ebenfalls in der
nahegelegenen Stadt Oviedo.
Diese Landflucht der vergangenen Jahrzehnte ist eine Chance für Wildtiere.
Mit der Ausbreitung der Wälder vergrößerte sich deren Lebensraum.
Wildschweine, Hirsche, Rehe, aber auch Braunbären nähern sich immer wieder
den Häusern. Angst hat Riesgo dennoch nicht. „Die Bären sind scheu. Viele
glauben, dass sie dem Tier begegnen und dann Gefahr laufen, angegriffen zu
werden, aber das stimmt nicht“, weiß Riesgo.
## 1980 waren es nur noch 40 bis 60 Bären in Spanien
Die Gegend um Riellu und weiter oben in den Bergen rund um den Ort Somiedo
ist [1][in ganz Spanien als Habitat für den Braunbären] bekannt. Hier starb
er nie ganz aus und hier begannen sich die Bestände wieder zu erholen. 1980
gab es in der Region gerade noch 40 bis 60 Tiere in abgelegenen Tälern und
Gipfeln. „Jetzt sind es rund 400 Braunbären und sie leben wieder im
gesamten Kantabrischen Gebirge entlang der nordspanischen Atlantikküste“,
erklärt Arturo de Miguel von der Stiftung Braunbär Asturien. Frequentierten
die Braunbären einst nur noch rund 7.000 Quadratkilometer im Kantabrischen
Gebirge, sind es jetzt 25.000 Quadratkilometer. Hinzu kommen weitere rund
80 Tiere in den Pyrenäen, dem Gebirgszug zwischen Spanien und Frankreich.
Der Bestand in Spanien ist damit sind fünfmal so groß wie in Frankreich,
zweieinhalbmal der von Italien – aber weit unter den [2][900 Bären im
kleinen Slowenien], von den 7.500 Tieren in Rumänien ist ganz zu schweigen.
Der 60-jährige de Miguel patrouilliert täglich mit seinem kleinen
Geländewagen die unwegsamen Täler. Er hält auf einer Anhöhe. „Dort lebt
eine Bärin mit zwei Jungen und dort drüben eine mit drei“, erklärt er und
zeigt auf Felsen, die den Bären Unterschlupf bieten. Es sind diese
Beobachtungen, die einen Zensus ermöglichen.
„Dass sich der Bestand erholt hat, ist ein Erfolg von über 30 Jahren
Arbeit“, sagt de Miguel zufrieden. Alles begann mit dem Jagdverbot im Jahr
1973. In den 1990er Jahren kam der Braunbär dennoch auf die Rote Liste der
vom Aussterben bedrohten Tierarten. Das Jagdverbot wurde daraufhin
verstärkt überwacht. „Die Stiftung und andere Einrichtungen begannen mit
einer groß angelegten Kampagne, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu
erhöhen“, erklärt de Miguel. Dort, wo es auch dann noch Bären gab, als der
Bestand auf ein Minimum zurückgegangen war, sei dies leicht gewesen. Nicht
so in anderen Gegenden, in denen der Bär in den vergangenen Jahren
zurückgekommen ist. „Doch heute gibt es einen Konsens, dass wir den Bär
schützen müssen“, ist sich de Miguel sicher.
„Trotz der positiven Entwicklung befindet sich der Braunbär in Spanien nach
wie vor auf der Liste der bedrohten Tierarten“, mahnt Vicenzo Penteriani.
Der 61-jährige Biologe gehört Spaniens Obersten Rat für wissenschaftliche
Forschung (CSIC) an und ist der Spezialist für Braunbären schlechthin. Er
wertet unter anderem das aus, was Beobachter wie de Miguel an Daten
liefern.
Die Bärenbevölkerung im Kantabrischen Gebirge und die in den Pyrenäen seien
voreinander getrennt. Das sei ein Problem, sagt Penteriani. „Beide sind
durch ihre Isolierung sehr anfällig für jedwede Bedrohung wie etwa
ansteckende Krankheiten.“ Der aus Italien stammende Wissenschaftler
untersucht das Verhalten der Bären und hat deshalb seine Stadtwohnung in
Madrid mit einem Haus in einem Dorf mit nur noch drei Einwohnern in den
Bergen Asturiens getauscht.
Auch Penteriani sieht einen weitgehenden Konsens, die Bären zu schützen,
weiß aber auch, dass dieser sehr fragil ist. Mehr Bären in einer Region
bedeute, dass der Kontakt zu Menschen zwangsläufig zunehme. „Die Art kehrt
auch dorthin zurück, wo die Menschen nicht mehr an das Zusammenleben mit
großen Wildtieren gewohnt sind“, sagt Penteriani. „Deshalb ist wichtig,
dass die Menschen die Präsenz des Bären nicht als Gefahr, sondern als
Chance wahrnehmen.“
## Ein Bärentourismus entsteht
Und da kommt der Tourismus ins Spiel. [3][Immer mehr Urlauber besuchen die
Gegend rund um Somiedo, um den Braunbären zu sehen]. Die Stiftung Braunbär
Asturien bietet Ausflüge für Tausende Schüler pro Jahr und Wanderungen in
den Sommermonaten an, auf denen der Bär und sein Habitat das Thema sind.
Die einfachste Art, ein Exemplar zu beobachten, ist das Gehege der
Stiftung. Hier lebt die 13-jährige Bärin Molina. „Wir haben sie als
Jungtier gerettet“, erklärt de Miguel. Ihre Mutter stritt sich mit einem
ausgewachsenen Männchen. Die Kleine fiel dabei schwer verletzt in ein Loch
zwischen Felsen, aus dem sie nicht mehr herauskam. Die Stiftung rettete das
Tier und heilte es. „Anschließend scheiterten alle Versuche, die Bärin
wieder auszuwildern“, berichtet de Miguel. Molina suchte immer wieder
Kontakt zu Menschen und näherte sich den Häusern im Tal und wurde so zur
Gefahr. Sie blieb deshalb im Gehege – vier Hektar Wald – das direkt an den
18 Kilometer langen Bärenpfad, einen Rad- und Wanderweg mit
Aussichtspunkten, grenzt.
Doch weitaus beliebter als Molina im Gehege zu sehen, wenn auch nicht ganz
billig, sind die geführten Beobachtungstouren, die unter anderem in Somiedo
stattfinden. Fünf lokale Unternehmen und rund ein Dutzend von außerhalb
ziehen in den Sommermonaten Tausende Besucher aus dem In- und Ausland an.
Diese nächtigen in den Hotels, auf den beiden Campingplätzen und in den
Pensionen vor Ort, lassen Geld in der Gastronomie und im Einzelhandel,
bevor sie mit Ferngläsern bewaffnet losziehen.
Sie hoffen alle, auf den geführten Wanderungen Bären zu sehen. „Das ist
hier relativ leicht“, sagt Sofía González, die zusammen mit ihren beiden
Schwestern das älteste Unternehmen dieser Art – Somiedo Experience –
unterhält. Die 43-Jährige war, wie ihre Eltern und Großeltern, Hirtin,
bevor sie 2015 begann, Touristen auf Anhöhen zu führen. Von dort aus sind
mit einem guten Feldstecher die Bären und ihre Jungen auf den felsigen
Berghängen rundherum zu beobachten.
„Wir versuchen, die Menschen für den Artenschutz zu sensibilisieren“, sagt
González. Etwas, das nicht so einfach sei. „Denn würde ich unseren Kunden
Beobachtungen ohne die erklärenden Wanderungen anbieten, würden die meisten
die reine Beobachtung ohne Drumherum vorziehen“, sagt sie etwas frustriert.
Sie befürchtet, dass Somiedo zu so etwas wie einem Themenpark werden
könnte, wenn immer mehr Unternehmen kommen, die nur auf das schnelle Geld
aus sind. Die für die Naturparks zuständige Regionalregierung reagiert
darauf bisher nicht.
## Feuer gelegt, damit keine Touristen mehr kommen
Obwohl in Somiedo und Umland immer mehr Menschen vom Bärentourismus
profitieren, ist der Konsens, den Artenschützer de Miguel und
Wissenschaftler Penteriani beschwören, ein brüchiger. Denn immer mehr
Menschen ziehen auf eigene Faust los, um die Bären zu sehen. In einem
kleinen Ort wurde den Bewohnern der massive Andrang von Menschen, die
einfach auf der Landstraße anhalten, um Bären zu beobachten und dabei alles
blockieren, zu viel. „Jemand legte kurzerhand Feuer und brannte einen
ganzen Bergrücken ab. Jetzt kommen keine Bären und somit auch keine
Beobachter mehr“, sagt González.
Und dort, wo es immer Bären gab, gibt es durch die Erholung der Art mehr
Kontakte mit den Menschen und natürlich auch mehr Zwischenfälle, wie auf
der Obstwiese von Mari Asun Riesgo. In seltenen Fällen wurde auch ein
gerissenes Schaf oder sonstiges Weidevieh gemeldet. Der Bär ernährt sich zu
90 Prozent vegetarisch und verursacht somit nur wenig Schäden beim Vieh.
Jährlich werden im gesamten Kantabrischen Gebirge rund 580 Schadensfälle in
einem Gesamtwert von 250.000 Euro gemeldet. 60,2 Prozent sind laut
regionalen Behörden aufgebrochene Bienenstöcke, 22,7 Prozent betreffen
Schäden an Obstbäumen und nur 12,9 Prozent der gemeldeten Fälle sind
Schäden an Nutztieren. Die Viehzüchter bekommen, wie bei Wolfsübergriffen
auch, Entschädigung. Je nach Region belaufen sie sich zum Beispiel bei
einem Lamm auf rund 90 Euro.
„Dennoch schüren manche Lokal- und Regionalpolitiker sowie die Viehzüchter
die Angst vor dem Bären und fordern den Abschuss. Das bringt Stimmen“, sagt
Roberto Harta. Der 72-Jährige macht nach seiner Rente mit dem weiter, womit
er bereits sein ganzes Arbeitsleben verbracht hat: der Suche nach Wegen,
das Zusammenleben von Bär und Mensch zu erleichtern.
## Bienenstöcke müssen geschützt werden
Harta gehört dem Fonds zum Schutz der Wildtiere (Fapas) an. Die unabhängige
Umweltschutzorganisation lebt von den Beiträgen ihrer 7.000 Mitglieder und
von Unterstützung aus dem Ausland, darunter von der deutschen EuroNatur
Stiftung. Eines der Projekte von Fapas ist der Schutz von Bienenstöcken,
denn der Bär ist ein Leckermaul. Wann immer er kann, bricht er Bienenstöcke
auf und frisst den Honig. „Wir haben einen speziellen Elektrozaun
entwickelt“, erklärt Harta und zeigt auf einer abgelegenen Waldlichtung,
wie das aussieht.
Es sind mehrere Drähte, wie sie aus der Tierhaltung bekannt sind, in
kleinem Abstand dahinter befindet sich ein Drahtnetz. „Wenn der Bär den
Kopf durch die Leitungen steckt, bekommt er den Strom in den Nacken. Das
spürt er kaum“, erklärt Harta. „Doch das Drahtnetz auf der anderen Seite
ist geerdet. Berührt er es, entladen sich die Schläge an seiner Schnauze.
Er lässt ab.“ Mehrere Dutzend Standorte mit Tausenden von Bienenstöcken
schützt Fapas mittlerweile. Es sind die Schäden an Bienenstöcken, die es
überhaupt erst ermöglichten, das Gebiet, auf dem das scheue Tier lebt,
einzuschätzen. 288 Kilometer trennen die am weitesten voneinander
entfernten Bienenstöcke, die dieses Jahr von Fapas geschützt werden.
Ein weiteres Projekt betreut Harta im Tal, das dort beginnt, wo Mari Asun
Riesgo wohnt. Über einen steinigen Weg geht es im Geländewagen mehrere
Kilometer hinauf zu einem alten Bauernhaus. Fapas hat es renoviert und
Harta lebt hier weit ab von der Zivilisation das ganze Jahr über. „Seit
zehn Jahren experimentieren wir mit Obstbäumen“, erklärt der Tierschützer.
Vor allem Äpfel und Kirschen – alles alteingesessene Sorten – pflanzt er
hier auf über 800 Metern Höhe an. Die Bäume werden, bis sie eine
ordentliche Größe erreicht haben, mit einem Plastikrohr und einem
Drahtgeflecht mit Stacheln geschützt. Nicht nur wegen der Bären, sondern
auch gegen Rehe, Hirsche und Wildschweine.
„Das Projekt heißt ‚Gourmetbäume für den Bär‘ “, sagt Harta. Zuerst…
Fapas ganze Plantagen an, ungeschützt. Nur jeder zehnte Baum überlebte.
Jetzt sind es vereinzelte Bäume, geschützt. Fast alle überleben. Die Idee
hinter den Forschungen: „Wenn überall in der Gegend vereinzelt Obstbäume
stehen, suchen die Bären Obst hier oben und nicht mehr unten im Dorf wie
etwa auf der Wiese von Mari Asun“, sagt Harta. „All das tun wir
letztendlich, um die Akzeptanz gegenüber dem Bären zu erhöhen.“
Manchmal ist Harta pessimistisch, was den immer wieder beschworenen
Konsens, den Bär zu schützen, angeht. Heute ist so ein Tag. Als er am
Morgen in einer Kneipe unten im Ort frühstückte, traf er einen Waldhüter
und erfuhr, dass ein toter erwachsener Bär gefunden wurde. „Mitten auf
einem Fahrweg, in den Bergen unweit von Somiedo“, berichtet Harta. Auch
wenn die offizielle Version von einem natürlichen Tod ausgeht, zweifelt
Harta daran. „Kranke Bären ziehen sich zum Sterben in ihre Bärenhöhle
zurück. Ohne das Tier zu untersuchen, wissen wir nicht, ob es nicht
vergiftet wurde“, sagt er.
## Wilderer mit Sturmhaube und Tarnkleidung unterwegs
Laut Angaben der Waldhüter in den Naturparks wurden alleine in den
vergangenen zwei Jahren in Asturien zehn Bären getötet. Sie fielen eigens
aufgestellten Fallen zum Opfer, fraßen Gift oder wurden gezielt
abgeschossen. „Wir haben Aufnahmen von Wilderern mit Sturmhaube,
Tarnkleidung und einem Gewehr mit Schalldämpfer“, sagt Harta. Sie wurden
von den Wildkameras aufgenommen, die Fapas überall aufhängt, um die
Bärenpopulation zu studieren. Fapas erstattet regelmäßig Anzeige. Doch
Harta wirft den örtlichen und regionalen Behörden vor, zu lasch mit der
Wilderei umzugehen. „Hier in den Dörfern kennt jeder jeden. Damit ist oft
auch klar, wer wildert. Doch sie werden gedeckt“, ist sich Harta sicher.
Mari Asun Riego unten im Dorf kann dies bestätigen. „Nachts fahren hier
immer wieder Geländewagen vorbei, hinauf in den Wald“, berichtet sie. Da
dort oben außer Roberto Harta von Fapas niemand wohne, sei klar, was die im
Wald wollten. „Den Bären töten sie wohl, um zu beweisen, was für tolle
Kerle sie sind; Wildschweine und Hirsche, um das Fleisch zu verkaufen“, ist
sich Riesgo sicher. Wer, wo und an wen? Riesgo denkt kurz nach und sagt
dann: „Jeder weiß es, aber ich bin da lieber vorsichtig.“
9 Aug 2025
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Reiner Wandler
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