# taz.de -- Jan van Aken: „Keine Solidarität mit Hungermördern“ | |
> Deutschland muss mehr Druck auf Israel ausüben, sagt Linken-Chef Jan van | |
> Aken. Eine geplante Demonstration wegen Gaza soll jetzt Mitte September | |
> stattfinden. | |
Bild: Fordert eine Sondersitzung des Bundestags: Jan van Aken beim Parteitag de… | |
Herr van Aken, Ihre Partei fordert eine Sondersitzung des Bundestags zur | |
Lage in Gaza. Warum? | |
Weil die Menschen in Gaza nicht länger warten können. Die Todeszahlen | |
steigen jeden Tag, [1][der Hunger wächst]. Und es ist sehr deutlich | |
geworden, dass die rechtsradikale israelische Regierung ihren Kurs | |
fortsetzen wird, wenn sie keinen starken Druck von außen bekommt. Wir | |
dürfen dem Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser nicht länger | |
zusehen, die Bundesregierung muss Netanjahu endlich die Unterstützung | |
verweigern. Keine Solidarität mit Hungermördern. | |
Manche in Ihrer Partei bezeichnen das, was Israel in Gaza macht, als | |
Völkermord. Sie nicht? | |
Manche machen das, ja. Unsere Wortwahl als Partei ist das nicht. Aber egal | |
wie man es nennt: Was dort passiert, ist verbrecherisch. | |
Sie selbst haben in der ZEIT gesagt, manche Äußerungen aus der israelischen | |
Regierung hörten sich auch für Sie schwer nach einem Genozid an. | |
Es hat ja seine Gründe, warum der Internationale Gerichtshof schon im | |
Januar 2023 gesagt hat: Israel muss seine Art der Kriegsführung ändern, | |
weil sonst genozidale Handlungen drohen. Und es gab ja entsprechende | |
Äußerungen aus den Reihen der israelischen Regierung. Aber ich finde es | |
falsch, über Begriffe zu streiten – was dort passiert, ist ein Verbrechen, | |
das gestoppt werden muss – egal wie man es nennt. | |
Die UN-Völkermordkonvention definiert, was ein Völkermord ist. | |
Das stimmt, deshalb ist es am Ende eben ein juristischer Begriff und eine | |
juristische Frage. Ähnlich ist es mit dem Vorwurf der Apartheid. Ja, es | |
gibt gute Gründe, warum Menschen mit Blick auf Israel und die besetzten | |
Gebiete von Apartheid sprechen. Aber wenn man das Wort Apartheid benutzt, | |
dann redet man schnell überhaupt nicht mehr über das, was dort passiert, | |
sondern streitet über Begrifflichkeiten. Ich möchte über den brutalen Krieg | |
und über die konkreten Völkerrechtsverletzungen sprechen, nicht über Worte | |
streiten. | |
Viele Menschen haben Die Linke gewählt, weil die sich klarer zum Krieg in | |
Gaza geäußert hat als andere. Manche finden aber, sie hätte das Thema | |
zuletzt zu tief gehängt. Zu Recht? | |
Nein. Ganz ehrlich: wir haben das Thema im Bundestag in unserer ersten | |
Aktuellen Stunde und am nächsten Tag mit einem Antrag auf die Tagesordnung | |
gesetzt. Wenn wir in einer Woche im Bundestag zwei von vier Gelegenheiten | |
dafür nutzen, um auf die Lage in Gaza hinzuweisen, dann ist das nicht tief, | |
sondern sehr hoch gehängt. Es gibt auch Leute, die wollen, dass wir mehr | |
über Mietendeckel und über hohe Preise reden. Es kann ja nicht sein, dass | |
wir als Partei hier in Deutschland ausschließlich über Gaza reden. | |
Das verlangt ja keiner. | |
Ich finde, ab einem bestimmten Punkt kippt das. Nehmen wir den Sudan. Was | |
dort in Darfur stattfindet, ist ähnlich furchtbar. Die Anzahl der Toten ist | |
dort sogar noch viel höher, und auch dort gibt es eine deutsche | |
Verantwortung. Die Vereinigten Arabischen Emirate liefern Waffen in den | |
Sudan und Deutschland liefert Waffen an die Emirate. Warum dann nicht eine | |
aktuelle Stunde zum Sudan? | |
Das eine spricht ja nicht gegen das andere. | |
Doch, leider ja. Wir haben als Fraktion nur begrenzt viele Aktuelle | |
Stunden, die wir anmelden können. Es ist ja auch so: Nach jeder | |
Pressekonferenz gibt’s Kritik. Warum hast du nichts zu dem Arbeitskampf | |
gesagt? Warum hast du nichts zur Ukraine gesagt? Das ist ja immer richtig. | |
Ich spreche regelmäßig über Gaza, aber mache das nicht dreimal die Woche, | |
das stimmt. Es war auch kein Zufall, dass ich meine zweite Auslandsreise | |
als Parteichef im Juli nach Gaza und Israel unternehmen wollte, sondern das | |
war eine bewusste Entscheidung. Das ist dann leider wegen des Kriegs mit | |
dem Iran geplatzt. Aber wir sind da sehr engagiert am Ball. | |
Wollen Sie die Reise nachholen? | |
Auf jeden Fall. Aber es gibt zuerst praktische Probleme zu lösen. Wir | |
hatten vor Ort Veranstaltungen geplant. Die könnten jetzt nicht | |
stattfinden, weil auch unsere israelischen Partner dabei sind, mit der | |
Situation umzugehen. | |
Sie sind in der Parteispitze für die außenpolitischen Grundsatzfragen | |
zuständig. Gerade von Ihnen erwartet man, dass Sie sich zum Nahen Osten | |
äußern. Zu Recht? | |
Klar. Ich habe da zwei Jahre gelebt. Natürlich spreche ich darüber. Ich | |
kenne viele Leute dort persönlich. Dazu habe ich auch ganz starke Gefühle. | |
Mit der Ankündigung einer großen Demo in Berlin hat Die Linke Erwartungen | |
geweckt, jetzt wurde die Demo verschoben. Das wirkt, als wären Sie | |
unschlüssig. Sind Sie das? | |
Der Eindruck entstand dadurch, dass der Spiegel geschrieben hat: Die Linke | |
macht eine Gaza-Demo. Das haben wir nie so gesagt. Das ist eine | |
Bündnisdemo, und das Bündnis hat das entschieden, sie zu verschieben. Am | |
Ende waren es auch die palästinensischen Gruppen, die gesagt haben: Wir | |
schaffen das zu diesem Zeitpunkt nicht. Das ist ein völlig normaler | |
Prozess, finde ich. Aber die Demo wird kommen. | |
Gibt es schon einen neuen Termin? | |
Ja, zumindest einen angedachten Mitte September. Aber die Prozesse laufen | |
noch. | |
Was kann Ihre Partei tun, um mehr Druck auf die Bundesregierung auszuüben? | |
Wir haben das Thema im Bundestag auf die Tagesordnung gesetzt, wir planen | |
diese Demo und ich werde selbst in den Nahen Osten reisen. Wir tun, was wir | |
können. Aber ich finde, es hat sich in Deutschland auch schon etwas getan. | |
Eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland sagt bei Umfragen: sie | |
lehnen ab, was da passiert. Deshalb braucht es eine Demo, um diese Mehrheit | |
auf die Straße zu bringen. Viele, die ich kenne, wollen sich engagieren, | |
aber haben Angst, auf irgendeine Demo zu gehen, weil sie befürchten, da | |
neben Hamas-Fans zu stehen. Deswegen gilt es, eine Demo zu organisieren, wo | |
man sich sicher sein kann, dass es in eine gute Richtung geht. Das trägt | |
alles dazu bei, den Druck zu erhöhen. Das machen wir auf vielen Ebenen. | |
Mit Erfolg? | |
Für die Lage in Gaza? Nein. Aber hier in Deutschland schon eher. Hier ist | |
es inzwischen möglich, die notwendige kritische Debatte über die Politik | |
der rechten israelischen Regierung zu führen. Vor einem Dreivierteljahr | |
wäre einem da schnell Antisemitismus unterstellt worden. Ich sehe es als | |
unsere Aufgabe an, Freiräume für eine kritische Debatte zu schaffen. Das | |
machen wir, und das werden wir auch weiter machen. | |
Warum fordert Die Linke nicht Sanktionen gegen Israel? | |
Einen Stopp der Waffenlieferungen an Israel fordern wir doch schon lange, | |
genauso wie Sanktionen gegen die rechtsextremen Minister in der | |
israelischen Regierung und eine Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit | |
Israel. Erstmal gilt es, eine wirtschaftliche Bevorzugung Israels zu | |
stoppen. Ob es dann auch um andere Sanktionen gehen kann, müssen wir sehen. | |
Allerdings lehnt Die Linke alle Sanktionen ab, die auf die Breite der | |
Bevölkerung abzielen. | |
Israels Parlament hat gerade die Annexion dieses Gebiets beschlossen. Die | |
EU hat im vergangenen Jahr Sanktionen gegen israelische Siedler dort | |
verhängt. Könnte man die nicht ausweiten? | |
Ich finde es richtig, erst mal bestehende Privilegien zu beenden. Alles | |
andere muss man dann sehen. | |
28 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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