| # taz.de -- Hunger im Gazastreifen: 3.000 Tonnen schwere Hoffnung | |
| > Nach Monaten der Blockade lässt Israel wieder Hilfslieferungen nach Gaza | |
| > zu. Trotz der zeitweisen Feuerpausen sollen seit Sonntag dutzende | |
| > Menschen ums Leben gekommen sein. | |
| Bild: Palästinenser*innen versuchen an einer Ausgabestelle in Gaza-Stadt Essen… | |
| Kairo taz | Der internationale Druck auf Israel war wohl zu groß, die | |
| Bilder der hungernden Menschen zu eindringlich. Seit Sonntag legt die | |
| israelische Armee täglich von 10 bis 20 Uhr eine sogenannte taktische | |
| Feuerpause ein – allerdings nur in drei Gebieten: Gaza-Stadt im Norden, | |
| [1][Deir al-Balah] im Zentrum und Mawasi im Südwesten des Gazastreifens. | |
| Diese Regelung, die zunächst für eine Woche gilt, soll den Vereinten | |
| Nationen und dem Rotem Kreuz ermöglichen, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. | |
| Unklar bleibt, wer die Waffenpause überwacht, auch eine Koordination mit | |
| den Hilfsorganisationen ist schwierig. | |
| Die Kämpfe gehen außerhalb der festgelegten Zeiten und Gebiete weiter. Laut | |
| palästinensischen Angaben starben seit Beginn der Feuerpause mindestens 63 | |
| Menschen, darunter neun, die in einer Essensschlange standen. Sechs weitere | |
| Menschen sollen verhungert sein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) | |
| warnt vor einer dramatischen Verschärfung der Lage. Jedes fünfte Kind im | |
| Gazastreifen leidet inzwischen an akuter Unterernährung – eine | |
| Verdreifachung im Vergleich zum Vormonat. | |
| Trotz aller Hindernisse sehen UNO und Rotes Kreuz in den Feuerpausen eine | |
| Chance, die sie nutzen wollen. „Es ist ein Silberstreif am Horizont“, sagt | |
| der Österreicher [2][Jürgen Högl], der die Hilfslieferungen des Roten | |
| Kreuzes von Kairo aus koordiniert. Am ersten Tag der Feuerpause seien rund | |
| 3.000 Tonnen Lebensmittel aus Ägypten und Jordanien nach Gaza gebracht | |
| worden, berichtet er. Allein das Rote Kreuz habe von Ägypten aus 105 Lkws | |
| mit 840 Tonnen Mehl und 450 Tonnen Lebensmitteln geschickt. | |
| ## Wirksamer als Hilfe über Luftweg | |
| Diese Zahlen sind kein Vergleich zu den Abwürfen von Lebensmitteln [3][aus | |
| der Luft], die am ersten Tag medienwirksam durchgeführt wurden. „Diese | |
| Air-Drops haben in Summe 25 Tonnen Lebensmittel nach Gaza gebracht. Lkws | |
| haben am gleichen Tag 3.000 Tonnen Hilfe nach Gaza geliefert. Der Vergleich | |
| sagt eigentlich alles“, sagt Högl. Viele Abwürfe landeten laut Berichten | |
| zudem in Evakuierungszonen oder in Gebieten, in denen die israelische Armee | |
| operiert. Die Güter dort abzuholen, sei lebensgefährlich. | |
| Doch auch die Lkw-Lieferungen sind kompliziert. Die Fahrzeuge müssen nicht | |
| nur in den Gazastreifen gelangen, sondern auch sicher zu Lagerhallen | |
| fahren, von wo aus die Verteilung erfolgt. „Das alles erfordert viele | |
| Stunden der Koordination, zunächst um die Hilfsgüter vom Übergang abholen | |
| zu können. | |
| Wir müssen oft lange warten, um uns zu einem bestimmten Punkt zu bewegen, | |
| dort erneut warten und dann die weitere Bewegung koordinieren, da die | |
| Truppen vor Ort ihre Operationen unterbrechen müssen, damit wir uns | |
| überhaupt zwischen den Kampfhandlungen bewegen können“, schildert Olga | |
| Cherevko, die Sprecherin von OCHA, der UN-Organisation für Humanitäre | |
| Angelegenheit in Gaza, die Schwierigkeiten gegenüber der taz. | |
| Die Atmosphäre der Unsicherheit und das mangelnde Vertrauen der Menschen | |
| vor Ort, dass die Hilfe tatsächlich ankommt, hätten eine sehr chaotische | |
| Situation geschaffen: „Viele unserer Konvois werden von Tausenden – ja, | |
| Zehntausenden – hungernden und verzweifelten Menschen umringt, die die | |
| Hilfsgüter direkt von den Lkws abladen“. | |
| Für die humanitären Helfer sei das eine gefährliche Situation: „Wir müssen | |
| bezahlen für eine Hungersnot, in der die Menschen versuchen, das wenige, | |
| das greifbar ist und das sie jetzt vor Augen haben, für sich und ihre | |
| Familien zu bekommen“, sagt Rotkreuz-Koordinator Högl. | |
| ## Tausende Lkws warten auf Genehmigung zur Einfahrt | |
| Er fordert einen echten Waffenstillstand statt stundenweiser Pausen in | |
| einzelnen Gebieten. Nur so könne die Versorgung der zwei Millionen Menschen | |
| im Gazastreifen sichergestellt werden. „Im Unterschied zum Waffenstillstand | |
| im Januar gibt es im Moment nach wie vor Kampfhandlungen. Die Waffen | |
| sollten nicht nur in einigen Gebieten taktische Pausen einlegen, sondern in | |
| allen Gegenden des Gazastreifens, sodass wir dort auch ungehindert und | |
| sicher für die Bevölkerung, aber auch sicher für die Helfer Lebensmittel | |
| und andere Hilfsgüter verteilen können“, erläutert Högl. | |
| Die Lagerhäuser rund um Gaza sind voll, Tausende Lkws warten auf die | |
| israelische Genehmigung zur Einfahrt. Es habe sich „ein kleines Fenster | |
| geöffnet“, sagt Högl. Wie lange es offen bleibt, sei jedoch ungewiss. „Im | |
| besten Fall wird aus der einer Woche, die uns gegeben wurde, eine zweite | |
| Woche oder ein Monat. Im schlimmsten Falle gehen die Grenzen nach ein paar | |
| Tagen wieder zu“, beschreibt er die volatile Lage. Er werde versuchen, jede | |
| ihm gegebene Zeit zu nutzen, um so viel Hilfe wie möglich nach Gaza zu | |
| bringen. „Aber am Ende des Tages“, sagt er, „ist das keine Frage der | |
| Logistik, sondern des politischen Willens.“ | |
| 28 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Evakuierungsbefehl-in-Gaza/!6098796 | |
| [2] /Toetung-von-Rotkreuz-Helfern/!6077376 | |
| [3] https://www.theguardian.com/world/live/2025/jul/26/israel-gaza-war-palestin… | |
| ## AUTOREN | |
| Karim El-Gawhary | |
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