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# taz.de -- Plastik-Abkommen der UN: Das Schicksal einer Ikone entscheidet sich…
> Die Verhandlungen über ein Plastikabkommen nähern sich dem Ende. Die
> Geschichte des Kunststoffs erzählt viel über unser Bild vom Fortschritt.
Bild: Der Monobloc von Henry Massonnet: revolutionär und praktisch zugleich
In Genf entscheidet sich in der Nacht auf Freitag das Schicksal einer
Ikone: des Plastiks. Verpackungen, Becher, Strümpfe, Kissen, Reifen,
Computer, Handys – das Leben ist heute nicht mehr vorstellbar ohne
Kunststoff.
1907 erblickte das Plastik das Licht der Welt – jedenfalls wurde es zum
ersten Mal unter dem Namen Bakelit patentiert. Von einem Belgier namens Leo
Baekeland. Während 1950, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, weltweit etwa 2
Millionen Tonnen Polymerfasern und -harze – die Bausteine von Plastik –
hergestellt wurden, waren es 2024 bereits mehr als 400 Millionen Tonnen.
Bis 2060 könnte sich diese jährlich hergestellte Menge sogar noch
verdreifachen, [1][schätzt eine Studie im Fachmagazin Lancet].
Zusammen mit Verbrennermotoren, Öl, Flugzeugen und der Atomkraft
verkörperte das Plastik Mitte des 20. Jahrhunderts den Fortschritt. „Die
neuen Liter-Flaschen aus Plastik: So leicht, dass du sie problemlos
einpacken kannst“, versprach eine Coca-Cola-Werbung im Jahr 1980.
Plastik war deutlich billiger als Papier, Glas oder Metall, die vorher zum
Verpacken genutzt wurden. Die Cola-Flasche aus Kunststoff verbreitete sich
genauso über alle Kontinente wie die Einkaufstüte [2][und der
Monobloc-Stuhl]. Nazdar, eine Freiburgerin mit kurdischen Eltern, erinnert
sich [3][gegenüber dem Magazin der Süddeutschen Zeitung] an die völlig
fremde Welt, in der ihre Familie in der Türkei lebte, bevor sie nach
Deutschland kam. „Das Einzige, das gleich war, waren eben diese
Plastikstühle“, [4][erzählt sie]. Regine, auch in der SZ, verbindet mit dem
Stuhl „Unbeschwertheit“ und „die Imbisse an der Ostsee“.
Wie bei anderen Fortschrittssymbolen stellte sich aber auch beim Plastik
heraus, dass sein Glanz trügt: Plastik braucht Tausende Jahre, um zu
zerfallen – was wieder neue Probleme schafft.
Denn kleinste Plastikteilchen werden derzeit überall gefunden, wo man nach
ihnen sucht: in Vögeln und Pflanzen, auf dem Mount Everest und in der
Arktis, in unserem Blut, in Hoden und Muttermilch.
Die gesundheitlichen Folgen bleiben teilweise ungeklärt. Mit den
Chemikalien, die bei der Kunststoffherstellung verwendet werden, verbinden
Wissenschaftler*innen aber ein häufigeres Auftreten zum Beispiel von
Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten und verminderter Fruchtbarkeit.
Nun also Genf. Seit vergangener Woche verhandeln dort die Delegierten aller
UN-Mitgliedsländer über ein Abkommen zum Umgang mit der Plastikflut.
Wissenschaftler*innen fordern eine Obergrenze für die
Plastikproduktion. „Selbst ein riesiger Anstieg unserer
Recyclingkapazitäten kann nicht mit der Plastikproduktion mithalten“, sagt
Richard Thompson, Meeresbiologe an der Universität Plymouth.
Gemeinsam mit anderen Forscher*innen fordert er, mit dem Abkommen jene
Kunststoffe zu verbieten, die bekanntermaßen gesundheitsschädlich sind –
gut ein Viertel der verwendeten Chemikalien. Ein weiteres Viertel ist
weitgehend unbedenklich, für die Hälfte der Kunststoff-Bestandteile gibt es
noch gar keine Einschätzung.
Sollten die Delegierten über Nacht nicht zu einem Ergebnis kommen, muss
ergebnislos abgebrochen werden. Ob erneut verhandelt wird, muss die
Umweltversammlung entscheiden, in der alle UN-Staaten vertreten sind. Die
Öl produzierenden Staaten wie Russland, Saudi-Arabien und die USA
[5][blockieren Fortschritt bei entscheidenden Punkten].
Denn neben der erderhitzenden fossilen Industrie sind auch die globalen
Plastik-Riesen aufs Öl angewiesen – jedenfalls, solange sie nicht gezwungen
werden, sich etwas weniger Tödliches, aber womöglich ebenso Ikonisches
auszudenken.
14 Aug 2025
## LINKS
[1] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(25)01447-3/…
[2] /Dokumentarfilm-ueber-Plastikstuehle/!5829000
[3] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/jetzt/monobloc-design-symbol-e…
[4] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/jetzt/monobloc-design-symbol-e…
[5] /Verhandlungen-zum-Plastikabkommen/!6103143
## AUTOREN
Jonas Waack
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