| # taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Schlagkräftige Demokratie | |
| > Dass Berliner Antifas zur Stelle waren, um Teilnehmende des | |
| > Bautzener CSD zu verteidigen, ist richtig. Raue Zeiten erfordern | |
| > Selbstbehauptung. | |
| Bild: Man muss sich gegen Nazis wehren – nur wie? | |
| Ein abgesetzter Notruf in internen Chatgruppen – und nur zwei Stunden | |
| später finden sich [1][200 Antifas am Alex zusammen, um zurückreisende | |
| Teilnehmer:innen des CSDs in Bautzen zu beschützen], die im Zug von | |
| Nazischlägern bedroht werden. Vor Ort treffen die Antifas zwar nicht auf | |
| die Nazis: Die steigen am Ostkreuz aus, wo sie zwei | |
| Jungjournalist:innen angreifen. Trotzdem ist es gut, dass auch in | |
| Berlin mal eine kurzfristige Antifa-Mobilisierung funktioniert. | |
| Denn die Zeiten werden rauer. Inzwischen gerät eine oft wiederholte | |
| Behauptung ins Wanken: Dass sich der historische Faschismus von seiner | |
| Neuauflage dadurch unterscheidet, dass es heute immerhin weniger | |
| Straßenterror gibt. Und natürlich ist die Bundesrepublik weiterhin weniger | |
| brutalisiert als beispielsweise die Weimarer Republik. Doch mit Gruppen wie | |
| der „Deutschen Jugend Voran“ (DJV) wächst eben wieder eine | |
| Schlägergeneration heran, die sich zumindest dem Gewaltlevel der 1990er | |
| Jahre anzunähern droht. | |
| Auf den Schutz der Polizei gegen die Nazigewalt kann allerdings zumindest | |
| nicht bedingungslos gezählt werden. Man muss anerkennen, dass die Berliner | |
| Polizei die Neonazis am Ostkreuz effektiv festgesetzt hat. Aber wie konnte | |
| es überhaupt passieren, dass gewaltbereite Nazischläger in demselben Zug | |
| landen, wie die queeren Teilnehmer:innen des CSD? Pures Glück war es, | |
| dass es den Nazis während der Rückfahrt aus Bautzen nicht gelang, die Tür | |
| zwischen den Zugabteilen aufzubrechen, die die Nazis von ihren Hassobjekten | |
| trennte. | |
| In dieser Situation – die nur zuzuspitzen droht, da sich der anhaltende | |
| Rechtsruck auch in der Staatsgewalt niederschlägt – braucht es eine | |
| antifaschistische Selbstverteidigung des vielfältigen Lebens: Defensiv, | |
| aber nicht zurückschreckend. Doch wer das sagt, bekommt schnell den Vorwurf | |
| an den Kopf geknallt, selbst die Gewaltspirale anzufachen, die „den Staat“ | |
| und „die Demokratie“ bedroht. | |
| Doch antifaschistischer Selbstschutz ist eine Folge, nicht die Ursache des | |
| [2][Staatsversagens im Umgang mit dem Faschismus]. Auch wenn also die | |
| ästhetische Ablehnung von vermummten Antifas verständlich ist: Den Glauben | |
| an die vielfältige Gesellschaft im Stich lassen gerade diejenigen, die den | |
| Opfern von Nazigewalt vorwerfen, dass sie sich zu wehren wagen. Denn vor | |
| allem eines dürfen die von den Nazis bedrohten Bevölkerungsgruppen wirklich | |
| nicht verlieren: Den Rückhalt der Mehrheitsgesellschaft, die sich nicht dem | |
| Faschismus anzuschließen bereit ist. | |
| 14 Aug 2025 | |
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| Timm Kühn | |
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