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# taz.de -- Verhandlungen zum Plastikabkommen: Stillstand im Kunststoffmorast
> Die Vereinten Nationen verhandeln über ein Abkommen gegen Plastikmüll.
> Kurz vor Schluss sind wichtige Fragen noch offen.
Bild: Plastik, die Geißel der Welt, und dank Blockaden ist keine Änderung in …
Berlin taz | In Genf gehen Verhandlungen um ein UN-Plastikabkommen in die
Endphase, aber die Verhandler*innen stehen noch vor zahlreichen
ungelösten Streitfragen. Zwei zentrale Punkte bleiben umstritten: ob es
eine Produktionsobergrenze für Kunststoffe geben sollte, deren Herstellung
[1][sich bis 2050 einer Studie zufolge verdreifachten könnte]. Und die
Regulierung chemischer Bestandteile von Plastik, die gesundheitsschädigend
sind.
Die französische Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher kritisierte die
blockierenden Länder ganz offen: Besonders „die Golfstaaten, Russland und
die USA“ würden die Verhandlungen behindern, sagte sie der Zeitung Les
Echos.
Bis Donnerstag müssen die Diplomat*innen in Genf zu einem Ergebnis
kommen. „Wir wissen noch nicht, wohin die Reise geht“, sagte Melanie
Bergmann der taz. Sie ist Forscherin am Alfred-Wegener-Institut und
begleitet die Verhandlungen.
„Wenn wir jetzt zu keinem Ergebnis kommen, wird es wahrscheinlich lange
keinen neuen Anlauf geben“, fürchtet sie. „Die geopolitische Lage
vereinfacht sich nicht.“
## Zahlreiche Belege für Gesundheitsschäden
Richard Thompson, Biologie-Professor an der Universität Plymouth, hält ein
Abkommen für „dringend notwendig“. „Selbst wenn deutlich mehr recycelt
wird, [2][kommen wir den steigenden Produktionsmengen nicht hinterher]“,
sagt er.
Megan Deeney von der London School of Hygiene and Tropical Medicine warnt
vor den gesundheitlichen Schäden durch Plastik: Studien hätten gezeigt,
dass Menschen in den USA, Großbritannien und Taiwan, die in der Nähe von
Plastikfabriken wohnen, 30 Prozent häufiger Leukämie bekommen. In Südkorea
litten Raffineriearbeiter*innen dreimal häufiger an Mund- und
Rachenkrebs. Außerdem seien 2018 allein in Zusammenhang [3][mit der
Chemikalie DEHP] 350.000 Menschen vorzeitig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen
gestorben.
„Viele haben noch nicht verstanden, dass es nicht gesund ist, in Plastik
verpackte Lebensmittel zu sich zu nehmen“, sagt Bergmann. Diabetes,
Herz-Kreislauf-Probleme und eine sinkende Fruchtbarkeit stünden in
Zusammenhang mit den Chemikalien in Kunststoffen von
Lebensmittelverpackungen.
„Bei jedem Lebensmittel, das auf Nanoplastik untersucht wurde, haben wir
auch welches gefunden“, sagt Martin Wagner, Professor an der Norwegischen
Universität für Wissenschaft und Technologie.
## Reifenabrieb ist ein großes Problem
Einen bedeutenden Anteil an dem allgegenwärtigen Plastik hat [4][auch der
Abrieb von Reifen]: „Die Partikel von Autoreifen machen mir mehr Sorgen als
alles andere, was ich in meinen 25 Jahren im Feld gesehen habe“, sagt
Richard Thompson. Ein Reifen verliere im Laufe seiner Nutzung vier
Kilogramm an Plastikpartikeln.
„Diese Partikel haben [5][eindeutig zu einem Massensterben von Lachsen in
Nordamerika geführt]“, fügt der Norweger Wagner an. Aber ob diese
Plastiksorten Teil des Abkommens werden, ist noch nicht geklärt: Auch über
Definitionen von Plastik streiten sich die Verhandler*innen.
Die Landwirtschaft ist ebenfalls betroffen. „Mikroplastik kann Ernten
verringern, weil es den Nährstoff- und Stickstoff-Kreislauf beeinflusst und
sich auf die Artenvielfalt im Boden von Würmern zum Beispiel auswirkt“,
sagt Marie-France Dignac, die am französischen Forschungsinstitut für
Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt arbeitet. Das Mikroplastik könne durch
die Wurzeln und wahrscheinlich auch durch die Blätter in die Pflanzen
eindringen.
Darüber hinaus gehen drei bis fünf Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf
die Produktion von Plastik zurück, mehr als die CO2-Emissionen des gesamten
afrikanischen Kontinents.
## Ehrgeizige Staaten könnten eigenes Abkommen schließen
Sowohl die Plastikproduktion zu begrenzen, als auch bekanntermaßen
schädliche Chemikalien aus dem Verkehr zu ziehen, seien [6][deshalb
zentrale Elemente eines erfolgreichen Abkommens], sagt Bergmann.
Falls es nicht zu einer Einigung kommen sollte, gebe es aber auch eine
andere Option: „Parallel zu einem wenig ambitionierten UN-Abkommen könnten
sich ehrgeizigere Staaten zusammentun und ein eigenes Abkommen ohne UN
aushandeln, wie es beim Ottawa-Vertrag für ein Verbot von Landminen der
Fall war“, schlägt Melanie Bergmann vor.
Die Koalition der ehrgeizigen Staaten auf der Konferenz zählt mehr als 130
Mitglieder, darunter die EU, Australien, Kanada, Südkorea und zahlreiche
afrikanische und lateinamerikanische Länder, aber in den UN müssen sich für
ein Abkommen alle einig sein, die Mehrheit reicht nicht.
„Wenn diese Staaten eine kritische Masse bilden und strengere Vorgaben
vereinbaren, könnten nach und nach immer mehr Staaten dazukommen und auf
die weltweite Plastikindustrie einwirken“, so Bergmann.
13 Aug 2025
## LINKS
[1] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(25)01447-3/…
[2] /Vermuellung-in-Uganda/!6102170
[3] https://www.thelancet.com/journals/ebiom/article/PIIS2352-3964(25)00174-4/f…
[4] /Gefahren-durch-Mikroplastik/!6105837
[5] https://www.science.org/doi/10.1126/science.abd6951
[6] /Verhandlungen-zum-UN-Plastikabkommen/!6104313
## AUTOREN
Jonas Waack
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