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# taz.de -- Horrorfilm „Bring Her Back“: Hochglanzhorror im Leerlauf
> Traumatisierte Geschwister und eine Pflegemutter mit finsteren Absichten:
> Danny und Michael Philippou setzen in „Bring Her Back“ auf Schreckbilder.
Bild: Laura (Sally Hawkins) hat in „Bring Her Back“ mit Oliver (Jonah Wren …
Ein langsamer Spannungsaufbau und leise Andeutungen gehören nicht zum
Repertoire der Regiebrüder Danny und Michael Philippou. Schon in der
Eröffnung ihres zweiten Langfilms, kündigt sich das Grauen ab, dem ihre
beiden jugendlichen Hauptfiguren ausgeliefert sein werden. Körniges
Videomaterial, entblößte Körper, ein Salzkreis und beschwörendes Flüstern
in fremder Zunge – „Bring Her Back“ beginnt wie ein dunkles Ritual.
Als Andy (Billy Barratt) und seine jüngere Stiefschwester Piper (Sora Wong)
wenig später ihren Vater tot im Badezimmer vorfinden, damit zu Waisen
werden und schließlich in fremde Obhut geraten, lässt sich aber auch
ohnedies schnell erahnen: In Laura (Sally Hawkins) werden sie keine
liebevolle Pflegemutter finden, und in ihrem abgelegenen Landhaus keinen
Ort der Geborgenheit.
Zwar empfängt die Frau die beiden mit überschwänglicher Herzlichkeit und
wirkt geradezu weich in dem wallenden Ensemble aus Wolle, das sie trägt.
Doch gleich darauf greift sie zum Smartphone des fast volljährigen Andy,
arbeitet sich nonchalant durch seine Nachrichten, drängt sich auf einem
hastig aufgenommenen „Jetzt sind wir eine Familie“-Foto in den Vordergrund
und erzählt, kaum dass sie den ausgestopften Familienhund präsentiert hat,
vom Verlust ihrer eigenen Tochter.
Die, wie Piper, übrigens sehbeeinträchtigt war und ihr ohnehin erstaunlich
ähnelte. Spätestens als dann noch ein verstört dreinblickender Junge (Jonah
Wren Phillips) auftaucht, um den sich Laura schon seit längerer Zeit
„kümmert“, der seine Sprache verloren hat und seltsam ausgemergelt
aussieht, verdichtet sich der Verdacht. Gemeinsam mit dem vielsagenden
Filmtitel und dem okkulten Auftakt lässt es sich geradezu nicht mehr
übersehen, in welch sinistre Richtung sich Lauras gar-nicht-mal-so-gut
verborgene Absichten bewegen.
## Mit Splatter und Slapstick wurden die Regiebrüder bekannt
Danny und Michael Philippou, die sich zuerst als „RackaRacka“ mit grotesk
überzeichneten, zwischen Splatter und Slapstick changierenden
YouTube-Videos einen Namen machten, nutzen diese Ausgangslage für ein
nervenzerrendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Laura und Andy. Weil dieser
bald das Sorgerecht für seine Stiefschwester beantragen möchte, versucht
sie den ohnehin traumatisierten Teenager psychisch zu manipulieren und
seine eigentlich gute Beziehung zu Piper zu sabotieren.
Was dabei entsteht, ist ein vor allem aus effektiv inszenierter Gewalt
erwachsender Horror. Manche Szene überschreitet das genreübliche Maß an
Grausamkeit, die Schockmomente verfehlen ihre Wirkung nicht – und doch
hinterlassen sie kaum einen nachhaltigen Eindruck. Denn obwohl das
australische Regiegespann immer wieder mit tieferliegenden Themen
kokettiert, Trauer, Schuld und Verlust streift, gelingt es „Bring Her Back“
nicht, zu einer psychologisch, gesellschaftlich oder gar philosophisch
interessanten Ebene vorzudringen.
Handwerklich ist das präzise gearbeitet, wie auch schon das [1][Debüt „Talk
to Me“], das von Jugendlichen erzählt, die mit Séancen experimentiert.
Während sich jener Film aber noch zu dem bekannte, was er ist, und aus
seiner Prämisse eher spaßiges als existenziell aufgeladenes Horrorkino
formte, gibt „Bring Her Back“ lange vor, mehr zu wollen – ohne dass vage
Motive zu einem tragfähigen Gedanken ausgearbeitet würden.
Ein Film, der Tiefe nur wie eine Kulisse mit sich führt, erzeugt
unweigerlich eine gewisse Ernüchterung. Hier ist sie umso größer, als dass
kaum ein anderer Horrorfilm dieser Kinosaison mit vergleichbarer Spannung
erwartet wurde. Beflügelt von ersten US-Kritiken und einer beeindruckenden
Präsenz in den sozialen Medien, wurde „Bring Her Back“ schon lange vor dem
deutschen Start als herausragendes Genreereignis gehandelt – und
entsprechend durch A24, die das Werk in den USA in die Kinos bringen,
beworben.
## Begleitet von einer durchorchestrierten Erwartungswelle
Hier scheint sich ein Muster abzuzeichnen: Ein neuer Horrorfilm, produziert
oder vertrieben von den angesagten Indie-Schmieden A24 oder Neon, begleitet
von einer durchorchestrierten Erwartungswelle – doch immer öfter mündet der
mediale Sog in einer Enttäuschung. Nicht nur, weil das Kinoerlebnis dem
Pathos seiner Ankündigung nicht standhält. Sondern auch, weil im Film
selbst ein großer ästhetischer Aufwand betrieben wird, ohne die eröffneten
Bedeutungsräume tatsächlich zu betreten.
Erst im vergangenen Sommer spielte sich mit [2][Oz Perkins' „Longlegs“] und
[3][Tilman Singers „Cuckoo“], beide von Neon vertrieben, eine sehr ähnliche
Entwicklung ab. Bedauerlich ist das – auch, weil es die stärkere Präsenz
von A24 als stilprägendes Studio selbst war, die ab Mitte der 2010er Jahre
eine neue Welle an Horrorfilmen wie Robert Eggers' „The Witch“ (2015) oder
[4][Ari Asters „Midsommar“ (2019)] hervorbrachte, die sich existenzieller
Fragen annahmen.
Das jüngere Neon wurde zum komplementären Gegenstück, das deutlicher auf
radikal-körperliches Kino à la [5][Julia Ducournaus „Titane“ (2021)]
setzte, oft verbunden mit einem gesellschaftskritischen Interesse an Gender
und Gewalt. Inzwischen aber mehren sich die Anzeichen, dass der Trend
dessen, was oft als „Elevated Horror“ oder „Art Horror“ bezeichnet wird,
seinen Höhepunkt bereits überschritten hat. „Bring Her Back“ jedenfalls
reiht sich nahtlos in diese Dramaturgie ein.
13 Aug 2025
## LINKS
[1] /Teenage-Horror-Film-aus-Australien/!5946400
[2] /Thriller-Longlegs-mit-Nicolas-Cage/!6025501
[3] /Horrorfilm-Cuckoo-mit-Hunter-Schafer/!6033183
[4] /Spielfilm-Midsommar-im-Kino/!5626407
[5] /Regisseurin-Ducournau-ueber-Film-Titane/!5801700
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Horror
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