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# taz.de -- Stadtrundgang durch Göttingen: Den Vätern der Atombombe auf der S…
> Viele maßgebliche Entwickler der Atombombe studierten in Göttingen. Ein
> Stadtrundgang führt zu ihren Wohn- und Wirkungsstätten.
Bild: Studierte in Göttingen: der Atomphysiker J. Robert Oppenheimer, hier bei…
Die Gedenktafel überm Balkon ist lapidar: „Julius Robert Oppenheimer.
Physiker. 1926–1927“, steht da bloß. Viel zu wenig Text, sagt Martin
Melchert von der Anti-Atom-Ini Göttingen. „Oppenheimer war eine
zwiespältige Persönlichkeit.“ Er sei später stark verklärt worden, habe
aber bis zu seinem Tod 1967 „die [1][Atombombenabwürfe auf Hiroshima und
Nagasaki] nicht bereut“.
Oppenheimer, 1904 als Sohn eines in die USA eingewanderten jüdischen
Geschäftsmannes geboren, war 1926 zum Studieren nach Göttingen gekommen. Er
wohnte beim Arzt Richard Otto Cario, Am Geismartor 4, aber nur kurz: In nur
sechs Monaten wurde er summa cum laude zum Doktor der Physik promoviert.
Seine Kommilitonen und sein Professor hätten ihn als kultiviert und
selbstsicher bis zur Arroganz erlebt, weiß Melchert, der am
Hiroshima-Jahrestag am 6. August den [2][Stadtrundgang „Auf den Spuren der
Väter der Atombombe“] leitet.
Von 1943 bis 1945 war Oppenheimer dann wissenschaftlicher Leiter des
Manhattan-Projekts zum Bau von Atombomben. Nach 1945 wirkte er in
verschiedenen Beratergremien der US-Regierung mit, verlor den Status 1954
aber wegen angeblicher Kontakte zu kommunistischen Kreisen.
Von dem Wohnhaus bis zum Physikalischen Institut sind es nur ein paar
Hundert Meter. Auf dem Weg dorthin sei [3][Oppenheimer] möglicherweise auch
dem Chemiestudenten Adolf Thiessen (1899–1990) begegnet, mutmaßt Melchert.
Thiessen war ab 1922 NSDAP-Mitglied. Bis zu seiner ersten Professur hatte
er seine akademische Karriere in Göttingen durchlaufen, bevor er ab 1935
als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie in
Berlin die Giftgas-Forschung voranbrachte.
Im April 1945 folgte Thiessen dann einer Einladung in die Sowjetunion. In
einem Labor am Schwarzen Meer half er, eine Gasdiffusionskaskade
aufzubauen, um waffenfähiges Uran-235 abzutrennen. Die sowjetische
Atombombe wurde 1949 fertig, Thiessen bekam zwei Jahre später für seine
Mitwirkung den Stalinpreis, die höchste Auszeichnung der UdSSR. Nach dem
Umzug in die DDR wurde er 1956 Institutsleiter an der Humboldt-Uni, war
Vorsitzender des Forschungsrates der DDR und wurde in den Staatsrat
aufgenommen.
Ein gutes Dutzend Göttinger Dozenten und Studenten der 1920er zählten
später zur Creme der internationalen Atomwaffenforschung. Der bekannteste
ist [4][Werner Heisenberg], der sich 1924 hier habilitierte. Ab 1939 war er
einer der wichtigsten Akteure im „Uranverein“, der für die Nazis eine
Uranbombe entwickeln sollte.
Nach acht Monaten Kriegsgefangenschaft durfte Heisenberg ab 1946 das damals
in Göttingen angesiedelte Max-Planck-Institut für Physik leiten. Dort kamen
auch andere Angehörige des „Uranvereins“ unter. Als Mitunterzeichner der
[5][„Göttinger Erklärung“] gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ha…
er sich 1957 allerdings „die Gunst von Adenauer und Strauß verscherzt“, so
Martin Melchert.
Ebenfalls im Manhattan-Projekt engagiert war John von Neumann. Er
berechnete den Zündmechanismus der Nagasaki-Bombe. Infolge des
NS-Berufsbeamtengesetzes verlor er als Jude 1933 seine Privatdozentur in
Berlin und emigrierte in die USA. In Göttingen hatte er ab 1926 ein Jahr
lang bei David Hilbert Mathematik studiert. Im Februar 1957 starb von
Neumann, der an Atombombentests im Pazifik teilgenommen hatte, an
Knochenkrebs.
In Göttingen hatte er im Walkemühlenweg 4 gewohnt. Das Gebäude steht nicht
mehr. Die Gedenktafel für ihn hängt an einem verklinkerten Nebengebäude der
Kreisverwaltung: „John von Neumann. Mathematiker. 1926–1927“ steht da nur.
„Auch da gehört ein Zusatz hin“, sagt Melchert zum Abschluss der
zweistündigen Führung. „Oder man müsste die Tafel abreißen.“
11 Aug 2025
## LINKS
[1] /Was-die-Atombombe-ueber-uns-verraet/!6103606
[2] https://anti-atom-initiative-goettingen.de/wp-content/uploads/2025/03/Melch…
[3] /Atomphysiker-J-Robert-Oppenheimer/!5946716
[4] /Jerme-Ferrari-ueber-Roman-Das-Prinzip/!5018682
[5] /Interview-Goettinger-Erklaerung/!5103563
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Wissenschaft
Göttingen
Geschichte
Atombombe
Forschung
Physik
wochentaz
Atombombe
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