# taz.de -- Tucholsky-Museum in Rheinsberg: Rettet Tucholsky! | |
> Die Zukunft des Tucholsky-Museums ist durch Sparpläne rechter Politiker | |
> bedroht. 13 Autor:innen fordern, dass das Museum eigenständig bleibt. | |
> Ein Aufruf. | |
Bild: Gnadenloser und witziger Kritiker der Weimarer Kultur und Politik: Kurt T… | |
Dieser Artikel wurde gemeinsam verfasst von Träger*innen des | |
Kurt-Tucholsky-Preises und ehemaligen Stadtschreiber*innen der Stadt | |
Rheinsberg in Brandenburg. | |
Um das Tucholsky-Museum in Rheinsberg wütet seit einigen Jahren ein Streit. | |
Es geht dabei wohl nicht nur um Geld und um Zuständigkeiten, um Literatur | |
und die Frage, welche Verpflichtungen ein Museum, das einem der wichtigsten | |
Autoren der Weimarer Republik gewidmet ist, mit sich bringt. Es geht auch | |
um den Versuch rechter Lokalpolitiker, das Erbe eines erklärten | |
Antifaschisten zu entpolitisieren. | |
Kurt Tucholsky war ein ebenso gnadenloser wie witziger Kritiker der | |
Weimarer Kultur und Politik, der Liebes- und Reiseromane verfasste und | |
[1][ein Kriegsgegner und Kritiker von Nationalismus, der die Nazis von | |
Anfang an als größte Bedrohung für die erste deutsche Demokratie erkannte.] | |
In diesem Sinne ist Tucholsky ein äußerst heutiger Autor für uns, die wir | |
die zweite deutsche Demokratie schätzen. Und nicht weniger für jene, denen | |
ihre konkrete Ausgestaltung als plurale Demokratie ein Dorn im Auge ist. | |
Tucholskys Aufstieg begann mit der Novelle „Rheinsberg: Ein Bilderbuch für | |
Verliebte“, die 1912 erschien. Das ist der Grund, warum die Stadt | |
Rheinsberg ihm 1993 ein Museum widmete, es ist das einzige Tucholsky-Museum | |
in Deutschland. Sammlung, Ausstellung und Büros des Museums sind auf dem | |
Gelände des Stadtschlosses untergebracht, bis 2024 wurde es vom | |
Literaturwissenschaftler Dr. Peter Böthig geleitet. | |
Seit 1995 existiert außerdem das Literaturstipendium „Stadtschreiber zu | |
Rheinsberg“, welches jährlich zwei Autor*innen zur Verfügung steht und | |
vom Museum betreut wird. Die Auseinandersetzung mit der literarischen | |
Gegenwart von Tucholsky kann anhand des fortlaufend veröffentlichten | |
„Rheinsberger Bogens“ nachvollzogen werden, der von den Stipendiaten am | |
Ende ihres Aufenthalts verfasst wird. | |
## Anschreiben gegen die Feinde der Demokratie | |
Beim Tucholsky-Museum Rheinsberg handelt es sich also um einen | |
vorbildlichen Denkort, sollte man meinen. Einen, der die Vergangenheit | |
bewahrt und nach ihrer Bedeutung in der Gegenwart fragt. Tucholsky, lernt | |
man hier, das ist einer, den wir immer wieder lesen müssen, weil wir von | |
ihm lernen können, wie das geht: anschreiben gegen die Feinde der | |
Demokratie, mutig sein, humorvoll bleiben und unter Umständen auch in Würde | |
zu verlieren. | |
Tucholsky ist damit heute so wichtig wie schon lange nicht mehr. Und | |
insofern ist es erst mal eine gute Nachricht, dass es ein Museum gibt, | |
welches sich der Bewahrung seines Lebens und Denkens widmet. | |
Leider liegen die Dinge aktuell komplizierter. Denn mit dem Ende der | |
Arbeitszeit von Dr. Peter Böthig entschied die Stadtverordnetenversammlung, | |
die Stelle des Museumsdirektors – offiziell aus finanziellen Gründen – | |
nicht nachzubesetzen und das Museum stattdessen dem Amt für Kultur, | |
Tourismus und Wirtschaftsförderung der Stadt Rheinsberg unterzuordnen (ein | |
Amt, das mit Daniel Pommerenke übrigens auch einen bekannten Rechtsextremen | |
beschäftigt). | |
Das so eingeläutete Ende des Tucholsky-Museums als eigenständige | |
Forschungseinrichtung erregte bundesweit Aufmerksamkeit. 2023 wurde das | |
Museum auf die Rote Liste des Deutschen Kulturrats gesetzt und schließlich | |
bot der Landkreis eine Übernahme der Kosten für die Leitungsstelle an, | |
womit die Problematik, ginge es denn nur um eine Finanzierungsfrage, für | |
die Stadt Rheinsberg eigentlich geklärt gewesen wäre. Dann wurde das Museum | |
Anfang 2025 der neuen Leitung der Tourismusbehörde unterstellt. | |
## Übernahme verschleppt | |
Es ist nicht die Absicht dieses Artikels, neuerlich danach zu fragen, warum | |
etwa Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow (BVB/Freie Wähler) die Übernahme | |
durch den Landkreis so lange verschleppte und die Verhandlungen schließlich | |
aus der Hand gab, ebenso wenig wollen wir diskutieren, wie es überhaupt zu | |
der ursprünglichen Entscheidung kam, die Stelle nicht nachzubesetzen. Was | |
wir wissen, ist, wie es seitdem weiterging: | |
Am 9. Juli kündigte die Akademie der Künste in einem offenen Brief an den | |
Bürgermeister an, die über 20-jährige Zusammenarbeit mit dem | |
Tucholsky-Museum auszusetzen. Sie begründete diesen Schritt damit, „dass | |
das Museum und die Sammlung ohne qualifizierte und wissenschaftliche | |
Leitung nicht denselben Anspruch“ erfüllen könne, den es die Jahrzehnte | |
zuvor erfüllt habe. | |
Darauf antwortete das Amt für Kultur, Tourismus und Wirtschaftsförderung am | |
11. Juli, man habe nun eine Person für die neu eingerichtete Stelle des | |
„literaturwissenschaftlich-künstlerischen Projektmanagers“ gefunden. Das | |
klingt nicht nach einem neuen Direktor und ist auch nicht so gemeint. Der | |
Name dieser neuen Person ist Peter Graf. | |
Peter Graf ist Autor, Publizist und ausgewiesener Experte für die | |
Exilliteratur des 20. Jahrhunderts. Mit seinem Verlag „Das kulturelle | |
Gedächtnis“ hat er nicht wenige Schätze gehoben und für die Gegenwart | |
zugänglich gemacht, etwa Bruno Franks „Lüge als Staatsprinzip“ von 1939. | |
Auch wenn es sich bei der Personalie um ein durchschaubares Manöver | |
handelt, um etwaiger Kritik an mangelnder Professionalität zuvorzukommen, | |
muss man doch sagen: Peter Graf ist eine sinnvolle Besetzung. | |
Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Tucholsky-Museum | |
künftig nicht mehr eigenständig ist, sondern weiterhin der Weisung des | |
Tourismusamtes von Rheinsberg untersteht. Und eine solche politische | |
Kontrolle würde einem Autor wie Tucholsky selbst dann nicht gerecht, wenn | |
dieses Amt in anderen Händen wäre, als es aktuell der Fall ist. | |
## Der Wind weht scharf von rechts | |
Wer sich mit Tucholsky schmücken will, sollte auch seinen Aufruf zu | |
Toleranz, Streit, Widerspruch und intellektuelle Eigenständigkeit teilen. | |
Mag es für den Moment vielleicht auch so erscheinen, als dürfte das Museum | |
das eigene Programm weiterhin unbehelligt planen – der politische Wind weht | |
scharf von rechts, wie unter anderem an der Tatsache abzulesen ist, dass | |
die Erscheinung von Max Czolleks „Rheinsberger Bogen“, der diese Thematik | |
aufgreift, auf Anweisung der Behördenleitung auf einen Zeitpunkt nach der | |
nächsten Bürgermeisterwahl verschoben wurde, die am 28. September 2025 | |
stattfinden wird. | |
Das mag auch mit dem Arbeitstitel des Bogens zu tun haben: „Anleitung zur | |
Rettung eines Tucholsky-Museums“. Und genau darum geht es: dass Kurt | |
Tucholsky für eine Art kritischer Publizistik steht, die im Herzen | |
lebendiger Demokratien schlägt. Und die von der Publikationsreihe schon | |
immer fortgeschrieben worden ist. | |
Die Stadt Rheinsberg darf sich glücklich schätzen, dass sie das | |
Tucholsky-Museum hat. Zugleich kann die aktuelle Schieflage als Beleg dafür | |
dienen, dass das Museum und seine Programme dringend wieder eine Struktur | |
benötigen, die seine Forschung, seine Kuration und seine Kooperationen | |
gegen politische Einflussnahme absichert. | |
Als ehemalige Stadtschreiber*innen der Stadt Rheinsberg oder | |
Träger*innen des Kurt-Tucholsky-Preises sind wir dem Erbe Tucholskys | |
verpflichtet. Daher fordern wir ein eigenständiges Museum statt eines | |
Behördenanhangs sowie eine eigenständige Leitung statt eines | |
weisungsgebundenen Projektmanagers. Und zwar nicht, weil Tucholsky unsere | |
Unterstützung braucht. Sondern weil wir seine brauchen. Gerade jetzt. | |
Gerade heute. | |
Max Czollek, Marion Brasch, Volker Braun, Alexander Estis, Annett | |
Gröschner, Eberhard Häfner, Katja Lange-Müller, Manja Präkels, Margarete | |
Stokowski, Antje Rávik Strubel, Konstantin Wecker, Ron Winkler, Tom Schulz | |
9 Aug 2025 | |
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