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# taz.de -- Sparpolitik in Hamburg: Zentrum für Disability Studies wird geschl…
> Mit der Erforschung von Behindertenrechten war Hamburg vor 20 Jahren
> Vorreiter. Jetzt hat die Stadt kein Geld mehr dafür. 150 Forschende
> protestieren.
Bild: Es geht schon lange um die Frage, wie Inklusion gelingt: Hier eine Demo v…
Hamburg taz | Es wird ernst für das kleine Institut. Die Mitarbeitenden
erhielten ihre Kündigung zum Jahresende. Die Professur ist schon ab Oktober
nicht mehr finanziert. 20 Jahre lang gab es in Hamburg das „Zentrum für
Disability Studies“ (Zedis), nun steht es kurz vor der Schließung. Darauf
macht der „Verein für Disability Studies Deutschland“ (DSD) in einer
Pressemitteilung aufmerksam und berichtet, dass es internationalen Protest
mit mehr als 150 Unterzeichnenden aus der Wissenschaft dagegen gibt.
Das Zentrum wurde 2005 an der Uni Hamburg gegründet und [1][wechselte 2014]
unter dem Namen „Zentrum für Disability Studies und Teilhabeforschung“
(Zedisplus) an die Evangelische Hochschule des Rauhen Hauses. „Die Stiftung
Rauhes Haus und die Mitarbeitenden der Hochschule bedauern, dass das
Zedisplus nicht fortgeführt werden kann“, sagt der dortige Vorstand
Andreas Theurich. Man habe lange mit der Behörde und weiteren
Gesprächspartnern nach Lösungen für die Weiterfinanzierung gesucht. „Dabei
hat sich jedoch keine Perspektive aufgetan.“
Disability Studies sei eine kritisch-emanzipatorische
Wissenschaftsdisziplin, erläutert Siegfried Saerberg aus dem Vorstand der
DSD-Vereinigung. „Wir forschen aus der Perspektive der behinderten
Menschen, was für Vorurteile es gibt und wie Diskriminierung abgebaut
werden kann.“ Das Fach sei „keine Luxuswissenschaft, sondern ein
menschenrechtsbasierter, gesamtgesellschaftlicher Auftrag“, ergänzt sein
Vorstandskollege Berthold Scharf. Es sei paradox, dass diese Institutionen
geschlossen werden, wo doch die UN-Behindertenrechtskonvention Inklusion
und Partizipation vorschreibe.
Der drohenden Schließung war die Linken-Abgeordnete Sabine Ritter [2][mit
einer Anfrage] schon im Juni auf der Spur. Ihr war aufgefallen, dass das
„Zedisplus“, anders als vor fünf Jahren, im neuen rot-grünen
Koalitionsvertrag keine Erwähnung findet. Der Senat antwortete, Disability
Studies leisteten einen wichtigen Beitrag. Es werde aber derzeit eine neue
Organisationseinheit an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW)
entwickelt, die zwei konzeptionelle Bausteine unter einem Dach vereine.
Das zweite Projekt heißt „Bildungsfachkräfte“ und wird vom europäischen
Sozialfonds finanziert. Bei diesem Projekt, so heißt es in einer früheren
Drucksache der Wissenschaftsbehörde, „werden Menschen, die als kognitiv
beeinträchtigt gelten und bisher in einer Werkstatt für behinderte Menschen
gearbeitet haben, drei Jahre qualifiziert“. Im Anschluss sollen sie
sozialversichert beschäftigt als Experten in eigner Sache Studierenden und
anderen die „Lebenswelten, spezifischen Bedarfe und Fähigkeiten von
Menschen mit Behinderung vermitteln“. Die Überlegungen zur künftigen
Finanzierung des „Zedisplus“, so der Senat beschwichtigend im Juni, seien
„noch nicht abgeschlossen“.
## Grundlegende Fragen aufgeworfen
Sabine Ritter hakte im Juli [3][noch einmal per Anfrage] nach, denn die
Senatsantwort werfe grundlegende Fragen auf: Der Hamburger Senat plane hier
die Zusammenlegung einer „nicht akademischen Qualifizierungsmaßnahme für
Menschen mit Lernschwierigkeiten“ mit einer interdisziplinären
Forschungsrichtung. So nivelliere man unter der Kategorie Behinderung zwei
völlig unterschiedliche Formate.
In der neuen Antwort ließ der Senat dann die Katze aus dem Sack und
erklärte, dass das Zedisplus als eigenständiges Zentrum „über das Jahr 2025
nicht fortgeführt wird“. Das neue Konzept des gemeinsamen Dachs unter der
HAW biete die Chance, „beide Bereiche strukturell und inhaltlich zu
stärken“. Die Akteure des Zedisplus, so versprach die Regierung, würden
aktiv in die Entwicklung der neuen Organisation eingebunden.
„Wir befürchten, das ist eine Luftnummer. Wir wissen nicht, was wann
geschehen soll“, sagt indes Saerberg vom DSD. Den Mitarbeitenden sei von
Vertretern der Regierung gesagt worden, sie könnten sich ja für das neue
Zentrum bewerben. „Das ist schlimmer als eine feindliche Übernahme“, sagt
Saerberg. „Bestünde ernsthaft die Absicht, das Zedisplus dort
weiterzuführen, würde man direkt darüber reden. Zudem befürchten wir, dass
hier das mit den ‚Bildungsfachkräften‘ und den ‚Disability Studies‘ zw…
Projekte gegeneinander ausgespielt werden“, sagt der Soziologe.
Doch Rot-Grün scheint überzeugt. Die Wissenschaftsbehörde beteuert auf
taz-Anfrage, die Disability Studies spielten weiter eine wichtige Rolle,
sollten aber „stärker in die bestehenden hochschulischen Strukturen der HAW
Hamburg eingebunden werden“, und zwar „gemeinsam mit allen relevanten
Akteurinnen und Akteuren“.
## Einbettung in größeren Kontext
Diese Einbettung in einen größeren Kontext biete „die Chance, Strukturen
neu zu denken und langfristig zu stärken“, heißt es auch aus der
Grünen-Fraktion. „Disability Studies bleiben weiter ein Teil von Lehre und
Forschung an der Evangelischen Hochschule und anderen Hamburger
Hochschulen“, verspricht SPD-Wissenschaftspolitikerin Philine
Sturzenbecher.
Die Wissenschaftspolitikerin Sabine Ritter fürchtet indes einen herben
Verlust von „Expertise, Netzwerken und innovativen Forschungs- und
Lehransätzen“. Es dürfe nicht sein, dass das Zedis „sang- und klanglos von
der Bildfläche verschwindet“. Das sieht auch der DSD so, der parallel auch
noch um das zweite der drei existierenden Forschungszentren in Deutschland
an der Uni Köln bangt. „Wir sind beeindruckt von der Unterstützung aus der
Wissenschaft“, sagt Saerberg. „Und wir sammeln weitere Unterschriften für
[4][unseren Appell].“
8 Aug 2025
## LINKS
[1] /Forschung-fuer-eine-Welt-ohne-Barrieren/!5865390
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/91144/23_00520_zukunft_des…
[3] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/91960/23_00872_fachliche_k…
[4] https://disabilitystudies.de/disability-studies-bedroht-kritisch-emanzipato…
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Hamburg
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