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# taz.de -- Verdächtiges Möbel im Senatorenbüro: Ein Papierkorb ohne Schuld
> Bremens Finanzbehörde nimmt Provenienzforschung ernst. Das führt auch zu
> kuriosen Geschichten.
Bild: Der Papierkorb: Solides Kunsthandwerk aus Rattan und Holz
Bremen taz | Noch hat sich Bremens Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) nicht
entschieden, den Papierkorb zurückzunehmen. Er könnte darin ohne schlechtes
Gewissen seinen Papiermüll, nicht aber seine Taschentücher!, stilecht
entsorgen. Denn die Herkunft des Behältnisses ist nun geklärt und für
harmlos befunden worden.
Noch in Karoline Linnerts (Grüne) erster Amtszeit (2007 bis 2011) hatte das
solide Stück neben dem pompösen Massivholzschreibtisch der Bürgermeisterin
gestanden, obwohl die es nicht sonderlich mochte. Aber anfangs [1][hatte
sie geglaubt], das sich nach oben hin weitende Behältnis mit quadratischem
Holzboden sei, zusammen mit dem restlichen Inventar des Senatorinnen-Büros,
denkmalgeschützt.
Stimmte aber so nicht, und seit 2014 befindet sich der Papierkorb im
Kellerdepot. Damals war er in Verdacht geraten, Raubgut zu sein. Denn auch
mit dem hatten die Nazis das 1931 fertiggestellte Gebäude ausgestattet.
Das trägt seit 1934 den echt papierkorbreifen Namen „Haus des Reichs“: In
unfassbar verschwenderischer Manier hatten es sich die Brüder Georg Carl
und Heinz Lahusen ab 1929 errichten lassen. Geprägt ist die palastartige
Anlage von einer leicht entschlackten, etwas verspäteten
Jugendstil-Ästhetik.
## Ein Palast fürs Wollimperium
Sie sollte dem Familienkonzern Nordwolle als Zentrale dienen. Bei Baubeginn
war das mit fast 28.000 Beschäftigten Europas größtes
Wollverarbeitungsunternehmen, bei Fertigstellung dann pleite. Aus der
Konkursmasse fiel die Invest-Ruine ans Reich. Nach drei Jahren Leerstand
wurde sie im NS-Staat dann zum Sitz der Finanzverwaltung.
Die hat, Bremen hat das schon [2][ab 2012 aufarbeiten lassen], den Raub
jüdischen Eigentums koordiniert. Bei der wissenschaftlichen Untersuchung
dieser behördlichen Täterschaft waren auch die Ausstattung ihrer Büros in
den Blick gekommen.
So hatte der Oberfinanzdirektor den für die Auktionen zuständigen
Gerichtsvollzieher schriftlich angewiesen, erbeutete Gegenstände von der
öffentlichen Versteigerung zurückzuhalten, die sich zur Möblierung der
Verwaltung eigneten, also vor allem Schreibtische, aber auch „Sessel,
Teppiche und Büromaschinen“.
Bei den deshalb 2014 ausgesonderten Einrichtungsgegenständen seien „Spuren
wie Aufkleber, Stempel und Kreidenummern“ festgestellt worden, die dann „zu
dem Verdacht führten, dass sie nicht hierher gehören“, so
Provenienzforscherin [3][Jana Schäfer] in ihrem Bericht fürs „[4][Zentrum
Kulturgutverluste]“ über die Ergebnisse ihrer Arbeit.
Zusammengefasst: [5][Zwei Finanzamt-Schränke sind eindeutig Raubgut], zwei
Stühle wohl Mobiliar des Dampfers „Bremen IV“, ein weiterer war von der
„Kraft durch Freude“-Verwaltung ausgesondert worden.
Der Papierkorb war aber ganz am richtigen Platz. Er stammt ihr zufolge aus
den [6][„Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“]: Die hatten für
Georg Carl Lahusen das Direktorenzimmer ausgestattet, und dessen feudale
Atmosphäre komplettiert ein Rattan-Möbelstück durch einen kleinen
kolonialrevanchistischen Akzent. Verständlich, dass der Finanzsenator noch
zögert, ihn zurückzuholen.
7 Aug 2025
## LINKS
[1] /Frau-Linnert-geht/!5620799&s=Benno+Schirrmeister+linnert+finanzsenator…
[2] /Finanzamt-im-Nationalsozialismus/!5027645
[3] https://kulturgutverluste.de/blog/bewegte-objekte
[4] /Resitution-aus-Wolfenbuettel/!6075506
[5] https://www.lostart.de/de/fund/institution/der-senator-fuer-finanzen/623718
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinigte_Werkst%C3%A4tten_f%C3%BCr_Kunst_im…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
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