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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Film als Versuchsanordnung
> Die Filmgalerie 451 würdigt das Werk des Experimentalfilmers Klaus
> Wyborny. Sieben Filme aus knapp vier Jahrzehnten gibt es kostenlos zum
> Streamen.
Bild: Hanns Zischler in „Sulla“ von Klaus Wyborny (1990-2001, 121 Min)
In weißen Stoff gehüllt macht der Schauspieler Hanns Zischler zwei Schritte
vorwärts an den Rand einer Gruppe von Pinien und blickt über einen Abhang
aufs Tyrrhenische Meer hinaus. Zischler verkörpert in Klaus Wybornys Film
„Sulla“ den römischen Politiker und Feldherrn Lucius Cornelius Sulla Felix,
doch Wybornys Film ist denkbar weit entfernt vom bräsigen Naturalismus des
derzeit so beliebten Höllengenres des Biopics.
Stattdessen zeigt Wyborny seinen Protagonisten beim Leerlauf des Wartens,
zeigt, wie Sulla Pferdeäpfel von dem Ort entfernt, den er für ein Treffen
mit der von ihm vergötterten Mathilde (Corinna Belz) ausgewählt hat.
Vorgegeben wird die Handlung von einem Off-Kommentar Wybornys, für den er
aus seinem eigenen Roman liest. Wie Wyborny in einem Interview mit dem
Filmhistoriker Federico Rossin erklärte, begann der Film mit diesem
Kommentar. Die Bilder sind Illustration des Kommentars.
Klaus Wyborny gehört zu den bekanntesten experimentellen Filmemachern in
Deutschland. Noch während eines Studiums der Theoretischen Physik begann er
Mitte der 1960er Jahre, Filme zu drehen. 1968 war er einer der Mitbegründer
der Hamburger Filmmacher Cooperative. Anfang Juni feierte Klaus Wyborny
seinen 80. Geburtstag. Zu Ehren des Experimentalfilmers hat die Berliner
Filmgalerie 451 sieben seiner Filme kostenlos zum Streamen bereitgestellt.
Die Filme umspannen knapp vier Jahrzehnte der Werkbiografie des Hamburger
Filmemachers.
Bekannt geworden ist Wyborny für Filme, die in ihrer Form den Film als
Medium reflektieren. In „Die Geburt der Nation“, einem seiner ersten
Langfilme, griff Wyborny den Filmstil von David Wark Griffith auf, einem
der Gründerväter des Films als narrativem Medium. Der Film beginnt mit
stummen, analogen Filmbildern, die eine Gruppe junger Menschen in
unverkennbaren 1970er-Jahre-Outfits zeigen, wie sie Anfang des 20.
Jahrhunderts in der marokkanischen Wüste eine Art Staat gründen. Nach etwa
20 Minuten beginnt der Film mit visuellen Variationen neu und dekonstruiert
die eigene Erzählung. Nach der Präsentation des Films auf dem London
Avantgardefilmfestival notierte der US-Experimentalfilmer Jonas Mekas:
„Wybornys zwei Filme, die in London gezeigt wurden, gehören zu den
interessantesten Experimenten zu narrativer Filmregie, die derzeit gemacht
werden.“
Im Rückgriff auf sein Studium könnte man sagen, Wyborny begreift Film als
Versuchsanordnung. In „Sulla“ ist diese Versuchsanordnung einerseits in den
Protagonisten hineinverlagert. Sulla schichtet Steine auf zu einer
improvisierten Sitzgelegenheit, verläuft sich in Variationen der
Antizipation und der eigenen Großartigkeit. Andererseits ist der Film in
Kapitel gegliedert, die eigenständig sind, aber zugleich im Ganzen des
Films thematische Variationen darstellen.
So unterschiedlich die Filme sind, die Klaus Wyborny in den fünf
Jahrzehnten seiner Arbeit als Filmemacher realisierte, sie alle zeugen von
der Freude am Experimentieren, mit Wegen filmische Erzählungen zu
konstruieren. Wybornys Filme sind Grundlagenforschung zum Film.
6 Aug 2025
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
taz Plan
Kino Berlin
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